Für George Russell steht mit der Formel-1-Saison 2021 sein vielleicht letztes Lehrjahr in der Königsklasse bevor. Der 2019 mit vielen Vorschusslorbeeren und als Formel-2-Champion in die F1 gewechselte Brite bewies schon 2020 durch eine für ihn glückliche Fügung, weitaus mehr drauf zu haben, als nur mit Williams hinterherzufahren. In Bahrain ersetzte Russell seinen an Corona erkrankten Landsmann Lewis Hamilton bei Mercedes und machte Valtteri Bottas aus dem Stand die Hölle heiß.

Schon 2019 kamen die ersten Fragen an Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff auf, wenn es für Russell soweit für eine Beförderung ins Werksteam sei. 2020 wiederholten und intensivierten sich diese, spätestens seit Russells Leistungsnachweis Bahrain gehen inzwischen die meisten davon aus, dass der Brite eher früher als später im Mercedes sitzen wird - zumal Bottas erneut nur einen Einjahresvertrag für 2021 unterzeichnet hatte.

Russell 2022 im Mercedes? Keine Versprechen, aber ...

Als dann überraschend auch Hamilton nachzog und nur für ein Jahr unterschrieb, dürfte sich wohl kaum einer mehr gefreut haben als Russell. Jetzt sind für 2022 potenziell gleich beide Cockpits bei den Weltmeistern aus Brackley frei. Auf konkrete Nachfrage in der Pressekonferenz des Williams-Teams zur Vorstellung des neuen Boliden versuchte Russell das zu relativieren - was allerdings nur mäßig gelang.

„Toto hat mir immer sein Wort gegeben und immer die Gelegenheit gegeben, wenn sie dachten, dass ich sie auch verdiene“, sagte Russell. „Sie haben mir gesagt, dass ich ein Teil ihrer Zukunft bin, wann auch immer das sein mag.“ Nur, weil jetzt viele ein Mercedes-Cockpit für ihn als den logischen Weg sehen würde, müsse das dennoch nicht schon 2022 passieren. „Die Dinge ändern sich im Motorsport, besonders in der Formel 1 sehr schnell“, sagte Russell.

George Russell: Kann weiter nur mit Leistung überzeugen

Groß an eine Mercedes-Zukunft denken wolle er gar nicht, so der Youngster. „Ich habe letztes Jahr einen Vorgeschmack auf das Leben an der Spitze des Feldes bekommen“, erinnerte Russell. „Aber jetzt bin ich hier und auf Bahrain fokussiert.“ Soll heißen: Russell will lieber nicht an Ruhm und Ehre bei Mercedes denken, da er nun erst einmal ohnehin ganz anderen Aufgeben nachgehen muss. Schon in Abu Dhabi hatte Russell im Vorjahr berichtet, wie viel schwerer als die Eingewöhnung bei seinem Mercedes-Gastspiel ihm die Rückkehr zu Williams gefallen sei.

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Williams sei nun allerdings der einzige Ort, an dem er das einzig in seiner Macht stehende tun könne, um sich weiter für Mercedes zu empfehlen. „Wenn ich weiter abliefere und meinen Weg und meine Fortschritte der beiden vergangenen Jahre weitergehe, dann denke ich, dass die Gelegenheit in Zukunft schon kommen wird. Aber ich denke nicht daran und Versprechen gab es auch keine“, betonte Russell.

George Russell: Große Zukunft auch bei Williams möglich

Alles andere liege ohnehin nicht in seinen Händen. „Ich kann nur kontrollieren, wie ich auf der Strecke performe“, sagte Russell. Über mangelnde Gelegenheiten, ob mit Williams allein, durch die Unterstützung Mercedes oder die Chance in Bahrain, könne er sich ohnehin nicht beschweren. Wie sehr der Brite allerdings schon jetzt das Gewinnen vermisst, würde ihm im Winter durch seinen Sieg beim Virtual GP der Formel 1 bewusst. „Selbst wenn es virtuell war, war es schön zu gewinnen“, sagte Russell.

Selbst ohne ein Mercedes-Cockpit könne dieser Traum in der Realität wahrwerden, so Russell weiter. Das mit den neuen Besitzern von Dorilton Capital und der neuen Teamführung um CEO Jost Capito und Teamchef Simon Roberts neuaufgestellte Williams-Team erwartet Russell auch dank der Regel-Revolution in der Formel 1 ab 2022 jedenfalls bedeutend stärker als in den vergangenen Jahren.

Formel 1: George Russell erwartet ‚interessante Entscheidung‘

Sollte der Traum Mercedes für 2022 also erneut platzen, wäre das kein Grund, zu verzweifeln. „Es gibt viele Spekulationen, wo ich 2022 sein werde“, sagte Russell, in Gedanken bei Mercedes. „Aber wenn nicht passiert, worüber die meisten spekulieren, dann wird es auch eine interessante Position für mich.“ Die Investition der neuen Williams-Besitzer und die völlige Neuaufstellung verspreche auch Grove eine große Zukunft.

„Williams war die letzten drei Jahre Letzter, aber ich denke nicht, dass sie das 2022 noch sein werden. Ich sehe hier eine strahlende Zukunft! 2022 gibt es eine riesige Gelegenheit“, ergänzte Russell. Nicht nur wegen der neuen Regeln, sondern auch wegen Mercedes. Williams bezieht ab 2022 erstmals auch das Heck, sprich das Getriebe, von seinem Motorenlieferanten. Das macht zusätzlich Mut. „Ich habe eine interessante Entscheidung vor mir“, sagte Russell mit Blick auf eine mögliche Karriere als langfristiger Williams-Leader.

Mercedes loyal: Erste Gespräche mit Hamilton & Bottas

Zumindest in Sachen Mercedes liegt die Entscheidung allerdings klar woanders. Bei Mercedes. Und hier geht es trotz allen Lobs für Russell in letzter Konsequenz erneut nach dem Prinzip Loyalität. „Wir werden die Gespräche zuerst mit unseren aktuellen Fahrern haben“, bekräftigte kürzlich Toto Wolff, Russell hin oder her. Bei Hamilton sei das dank der riesigen gemeinsamen Erfolge ohnehin selbstverständlich, bei Bottas wisse man genau, was Mercedes an dem Finnen habe.

„Wir sind sehr zufrieden mit ihm. Er verdient es, in einem Mercedes zu sitzen“, sagte Wlff über den Finnen. Die Ergebnisse der vergangenen Jahre hätten das bestätigt, so Wolff. „Valtteri wird immer den uneingeschränkten Support des Teams genießen, das wird sich auch 2021 nicht ändern - damit er so gut performt, wie er kann und es in seiner eigenen Hand hat, die Zukunft zu beeinflussen.“

Das heißt auch: Die Leistung muss weiter stimmen. Zumal Mercedes mit den neuen Regeln ab 2022 ohnehin genau analysieren müsse, was Sinn ergebe, um das Team an der Spitze zu halten, so Wolff. Hier kann ein Russell durchaus ins Spiel kommen. „Wir wissen, was wir an ihm haben. Georges Zukunft ist in jedem Fall strahlend. Es hängt einfach davon ab, wie sich die Fahrersituation innerhalb Mercedes ergibt.“