Der 11. Februar 2021 könnte ein historisches Datum in der Formel-1-Geschichte werden. Eigentlich war es nur eine profane Sitzung der Formel-1-Kommission. Die erste Sitzung unter dem neuen CEO Stefano Domenicali, die erste Sitzung unter dem neuen Concorde Agreements. Donnerstag war aber vor allem der Startschuss in eine neue Ära - zumindest für Red Bull.

Die Bullen bekamen, was sie wollten: Die Motoren werden eingefroren, die Entwicklung steht von 2022 bis Ende 2024 still. "Mit dem heutigen Tag sind die Weichen dafür gestellt, dass in Milton Keynes eine neue Firma etabliert wird", sagte Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko am Abend der Sitzung zu Motorsport-Magazin.com und fügte an: "Das wird Red Bull Powertrains sein."

Red Bull wurde durch Hondas Entscheidung, die Formel 1 Ende 2021 zu verlassen, dazu gezwungen, nach Alternativen zu suchen. Eine Rückkehr zu Renault-Motoren war keine Option für die ambitionierten Ziele des Dosenkonzerns.

Deshalb arbeitete man seit dem Honda-Beschluss in Fuschl, Graz und Milton Keynes an einem ganz besonderen Plan: Man will die Honda-Motoren übernehmen und in Eigenregie einsetzen. Dafür bedurfte es aber des Entwicklungsstopps.

AVL-Prüfstände für Motoren-Optimierung

Die hyper-komplexen und extrem teuren Power Units kann und will Red Bull nicht selbst weiterentwickeln. Den Einsatz der Motoren traut man sich hingegen zu. Das alles funktioniert aber nur, wenn die Konkurrenz ebenfalls nicht entwickelt.

Bei Red Bull wird an der Zukunft geschraubt, Foto: Red Bull Content Pool
Bei Red Bull wird an der Zukunft geschraubt, Foto: Red Bull Content Pool

Mit Beginn der Saison 2022 werden die Motoren homologiert. Bis zum Ende des Motoren-Reglements 2024 dürfen die Aggregate nicht mehr weiterentwickelt werden. Das haben die Teams beim Kommissionstreffen einstimmig beschlossen. "Ich finde, das ist nicht nur für uns frohe Kunde, sondern generell für die gesamte Formel 1. Damit ist ein erheblicher Kostenfaktor reduziert", jubelt Marko.

Doch für Red Bull gehen die Kosten zunächst einmal deutlich nach oben. Frohe Kunde ist es aber trotzdem, weil die Bullen an einem viel größeren Plan arbeiten. Mit der Entscheidung rollen in Milton Keynes sinnbildlich die Bagger an.

"Gebäude acht, ein bestehendes Gebäude von uns, wird zu einem Motorenshop adaptiert", erklärt Marko. Red Bull holte sich in den vergangenen Wochen und Monaten bereits Kostenvoranschläge ein und wartete mit den Bestellungen nur auf das Voting. Der österreichische Prüfstandsspezialist AVL darf sich auf eine Großbestellung einstellen.

Dietrich Mateschitz und Dr. Helmut Marko: Red Bulls Formel-1-Visionäre, Foto: Sutton
Dietrich Mateschitz und Dr. Helmut Marko: Red Bulls Formel-1-Visionäre, Foto: Sutton

"Jetzt geht alles über die Bühne, jetzt geht es los", freut sich Marko. Hondas Entwicklungszentrum sitzt zwar im japanischen Sakura, die Einsatzzentrale wurde aber in Milton Keynes, unweit von Red Bull errichtet.

Trotzdem greift Dietrich Mateschitz tief in die Tasche und baut lieber einen eigenen Standort auf, statt Hondas Infrastruktur zu übernehmen. "Der Shop von Honda ist mehr auf die Elektromotoren ausgelegt. Es gibt dort nicht genügend und auch nicht die neuesten Prüfstände, um die nötige Optimierung an den Motoren durchzuführen", erklärt Marko. Diese Infrastruktur steht in Sakura.

Red Bull: Zurück zur Formel 1-Supermacht?: (15:07 Min.)

Red Bull arbeitet an Masterplan: 2025 wieder Werksteam

Der Clou an Red Bulls Plan: "Dieser Motorenshop ist technisch so ausgelegt, dass man die Entwicklung - sofern sie in dem Rahmen bleibt, der angedacht ist - für das neuen Motorenreglement hier durchführen könnte." Die Motoren sollen 2025 technisch einfacher und günstiger werden. Dazu wird der Entwicklungs-Aufwand begrenzt.

Es ist Red Bulls erster Schritt hin zum vollständigen Werksteam. Im Idealfall findet sich ab 2025 ein Hersteller, der mit den Österreichern gemeinsame Sache macht. Wenn nicht, könnte man das Team aber auch autark betreiben - ganz ohne auf Motoren von Renault, Ferrari oder Mercedes angewiesen zu sein.

Die Investitionen, die Red Bull für drei Übergangsjahre tätigt, sollen sich hauptsächlich danach auszahlen. "Wir sind schon verrückt, aber ein bisschen rechnen und kalkulieren tun wir schon", fügt Marko süffisant an.

Wie viel kostet Red Bulls eigener Motor?

Ein Loch ins Budget des Rennteams sollen die neuen Motorenpläne nicht reißen. "Es ist eine einmalige Investitionen in das Gebäude und vor allem in die Prüfstände. Aber die laufenden Kosten werden nicht so viel höher sein, als wenn wir irgendwo einen Motor gekauft hätten", rechnet Marko vor. "Es kostet mehr, aber nicht signifikant mehr."

Red Bull darf die Honda-Technik nach dem Ausstieg der Japaner einsetzen, Foto: Honda
Red Bull darf die Honda-Technik nach dem Ausstieg der Japaner einsetzen, Foto: Honda

Mit Honda konnte sich Red Bull schon bezüglich der Übernahme des geistigen Eigentums einigen. Möglicherweise können die Einsatzkosten über ein Namenssponsoring des Motors sogar refinanziert werden. "Natürlich nicht von einem anderen Autohersteller, aber beispielsweise von irgendeiner anderen interessierten Firma", hofft Marko. Red Bull taufte die Renault-Motoren zuletzt für finanzielle Gegenleistungen auf den Namen von Uhrenhersteller Tag Heuer.

Aber auch kurzfristig erhofft man sich bei Red Bull durch die gefundene Lösung Vorteile. "Jetzt bauen wir einen Motor, der zusammen mit den Fahrwerksleuten abgestimmt ist. Dabei wird das Optimum von beiden Seiten zum Tragen kommen. Wenn wir beispielsweise einen Motor von Renault bekommen hätten, wären wir gewzungen gewesen, unser Chassis sowie Kühler sowie sonstige Aggregate um den vorgegebenen Motor herum zu konstruieren."

2021 erhält Red Bull nach wie vor volle Honda-Unterstützung. Die Japaner haben auch zugesichert, ihre Power Unit bis Ende des Jahres zu entwickeln, obwohl während der Saison keine Updates erlaubt sind. Somit kann Red Bull 2022 mit einem bis zuletzt entwickelten Motor in die Homologations-Periode starten.