Die Formel 1 sieht sich seit 2014 einer erdrückenden Mercedes-Dominanz ausgesetzt. Durch die Coronavirus-Krise wird sich der Run der Seriensieger wohl auch im Jahr 2021 fortsetzen. Die Hoffnungen von Fans und Konkurrenz ruhen auf den neuen Regeln für 2022. Ein abermals komplett überarbeitetes Technisches Reglement soll für eine höhere Leistungsdichte und mehr Spannung an der Spitze des Feldes sorgen. Doch ausgerechnet einer der Hauptakteure in diesem Schauspiel ist davon gar nicht begeistert.

"Aus Sicht eines Motorsportfans denke ich nicht, dass dies gute Regeln sind", so Red Bulls Chefdesigner Adrian Newey im Interview mit der niederländischen F1-Zeitschrift Formule 1 Magazin. Der 62-Jährige ist seit 1980 in der Königsklasse aktiv und zählt bereits seit den 1990er Jahren zu den großen Designer-Legenden des Sports.

Doch seit seinen WM-Titeln mit Red Bull zwischen 2010 und 2013 spielen seine Autos hinter Mercedes die zweite Geige. Das für 2017 erneuerte Reglement konnten er und seine Ingenieure bei Red Bull nicht nutzen, um den Anschluss herzustellen. Im Oktober 2019 verabschiedete die Königsklasse abermals ein von Grund auf überarbeitetes Regelwerk, das eigentlich in wenigen Wochen in Kraft treten sollte.

Newey versucht sich für Regeln zu begeistern

Durch die Coronavirus-Situation wurde dieses im vergangenen Frühjahr jedoch um ein Jahr verschoben. Newey hat allerdings seine Zweifel, dass die neue Formel den Sport attraktiver machen wird. "Es ist einfach schade und eine verpasste Chance. Wenn du komplett neue Regeln machst, solltest du sicherstellen, dass sie sitzen. Aber dieses Reglement tut es nicht", so der Brite.

Der Kern des neuen Reglements ist die Beschneidung der Aerodynamik, um für engeres Racing zu sorgen. Statt über ausgeklügeltes Flügelwerk am Bodywork soll der aerodynamische Grip über eine Rückkehr des Ground Effects erreicht werden. Bei diesem Konzept wird durch einen mit Luftkanälen konstruierten Unterboden ein Unterdruck erzeugt.

Als jemand, der seinen Fokus stets auf ausgefeilte Aerodynamik legte, fühlt sich Newey durch diesen Ansatz in seiner Kreativität ausgebremst. "Ich muss zugeben, dass ich immer noch nach etwas suchen muss, dass diese Regeln für mich interessant macht", sagt er. Die in den vergangenen Dekaden immer weiter vorangeschrittenen Einschränkungen bei der technischen Entwicklung sind ihm ohnehin ein Dorn im Auge.

Der Williams FW14B des Jahrgangs 1992 war Neweys erstes Weltmeisterauto, Foto: Sutton
Der Williams FW14B des Jahrgangs 1992 war Neweys erstes Weltmeisterauto, Foto: Sutton

Engmaschiges Regelwerk Neweys größte Frustration

"Wenn ich etwas ändern könnte, wäre ich gerne zehn Jahre früher geboren. Ich habe die Ära verpasst, in der dir vom Regelwerk deutlich weniger Restriktionen auferlegt wurden als heute", so Newey. "Meine größte Frustration sind die technischen Limitierungen, die wir jetzt haben."

Für ihn steht diese Entwicklung im Widerspruch mit der des Rests der Formel 1: "Auf der anderen Seite sind die Teams heute viel größer und reicher, und wir haben viel bessere Anlagen." Dennoch will er nicht ausschließen, dass die Regeln auch für ihn und sein Team ihren Zweck erfüllen können.

"Es gibt eine Chance", sagt er mit Blick auf Red Bulls Rückkehr zur alten Stärke. Die Nachteile des Konzepts wiegen für ihn allerdings zu schwer, um in Euphorie zu verfallen. Das auf 768 steigende Gesamtgewicht sowie Rundenzeiten, die rund drei Sekunden langsamer sein sollen, sind ihm ein Dorn im Auge: "Ich will ja nicht wie jemand rüberkommen, der Veränderung oder Fortschritt nicht mag. Aber ich denke einfach nicht, dass das gute neue Regeln sind."

Erfolge mit Red Bull machen Newey stolz

Newey will sich dadurch nicht von seiner Mission abbringen lassen, seiner Erfolgsgeschichte ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Für Williams, McLaren und Red Bull eroberten seine Autos zehn Konstrukteurs- und Fahrertitel. 165 Grand-Prix-Siege und 182 Pole Positions gehen auf das Konto der aus seiner Feder konstruierten Boliden.

"Williams und McLaren sind tolle Teams, aber obwohl ich dort geschätzt wurde, fühlte ich mich irgendwie nur wie ein Angestellter. Bei Red Bull habe ich ein viel stärkeres Verantwortungsgefühl. Ich habe sogar in gewisser Weise väterliche Gefühle für dieses Team", erklärt er.

Die Erfolge mit den Österreichern empfindet er als die befriedigendste Erfahrung seiner Laufbahn. "Viele Leute dachten, dass ich eine schlechte Wahl getroffen hätte", sagt er über seinen Wechsel nach Milton Keynes im Jahr 2006. Red Bull war ein Jahr zuvor mit einem eigenen Team eingestiegen, nachdem man den ehemaligen Jaguar-Rennstall aufgekauft hatte.

Von McLaren, mit denen er 2005 noch um die Weltmeisterschaft gekämpft hatte, wechselte er zu einem Team, das in der Gesamtwertung auf Rang sieben gelandet war: "Dass wir ein Team aufbauen und mit den Überresten von Jaguar, die in der Weltmeisterschaft nie besser als Platz sieben waren, beide Titel gewinnen konnten, und das auch noch mit einem ziemlich revolutionären Auto, hat mir eine ziemliche Befriedigung verschafft."

Adrian Newey machte Sebastian Vettel bei Red Bull zum Weltmeister, Foto: Sutton
Adrian Newey machte Sebastian Vettel bei Red Bull zum Weltmeister, Foto: Sutton

Motivation litt wegen schwacher Performance von Renault

Die Einführung der Hybrid-Motoren verdarb Newey in den vergangenen Jahren allerdings etwas den Spaß. Mit Kundenmotoren von Renault sah sich seine Truppe gegen das Mercedes-Werksteam auf verlorenem Posten. Auch die bald endende Ehe mit Honda brachte bisher nicht den entscheidenden Durchbruch. Lediglich 17 Siege fuhr Red Bull seit 2014 ein. Der unantastbare Gegner fuhr in dieser Zeit 106 Mal als erster über die Ziellinie.

"Das war sehr frustrierend und es ist auch eine Situation, in der du deine Motivation in Frage stellst", so Newey über den aussichtslosen Kampf als Kundenteam von Renault. "Es ist sehr schwer, alles zu geben, wenn dein Motorenpartner dich so enttäuscht. Das war auch einer der Gründe, weshalb ich mich mehr auf Teilzeit in der Formel 1 und nebenbei auf das Valkyrie-Hypercar-Projekt konzentriert habe."

Sein Werk in der Formel 1 sieht er mit der Aussicht auf eine Rückkehr an die Spitze allerdings noch nicht als vollbracht an: "Ich sage immer, ich mache noch zwei Jahre und dann ist Schluss. Aber jetzt sind 20 Jahre vergangen und ich bin immer noch hier. Ich weiß nur, dass mir irgendwo an einem Strand langweilig wäre. Ich muss weiter produktiv sein."