Er ist immer noch da: Wenn in Bahrain Ende März zum ersten Mal in der Formel-1-Saison 2021 die Startampel erlischt, dann hat für Kimi Räikkönen bereits sein 19. Jahr in der Königsklasse des Motorsports begonnen. Die gedachte Abschiedstournee des Finnen aus der F1 mit Alfa Romeo Sauber geht damit schon in ihre zweite Verlängerung. Wär hätte gedacht, dass Räikkönen sich nach seinem Ferrari-Aus Ende 2018 noch derart lange Zeit für die Niederungen des Mittelfelds begeistern würde?

Wohl nur die eingefleischten Kenner der Mentalität des inzwischen gar nicht einmal mehr so schweigsamen Iceman. Der bis heute noch immer letzte Ferrari-Weltmeister (WM-Titel 2007) und seit dem Großen Preis der Eifel auf dem Nürburgring 2020 Rekordstarter der Königsklasse - heute sind es bereits 329 Rennstarts an der Zahl - ist längst noch nicht satt. Im Alter von nun 41 Jahren und bei Alfa-Sauber im Mittelfeld angekommen, ist der Hunger auf Siege zwar ein nicht mehr zu stillender geworden, doch für den Hunger auf Verbesserung und Spaß am Rennsport auf höchstem Niveau gilt das längst nicht.

Kimi Räikkönen: Was den Formel-1-Altmeister noch antreibt

Genau deshalb nimmt Räikkönen noch immer auf sich, was dem Finnen so gar nicht gefällt, aber in der Formel 1 eben unumgänglich ist: Reisen und lästige Sponsoren- sowie Medientermine. Zumindest für Räikkönen hatte die Coronakrise deshalb immerhin einen positiven Nebeneffekt. Um sämtliche Termine konnte sich Räikkönen allerdings nicht drücken, etwa um das unter MSM-Lesern fast schon berühmt gewordene Interview via Sprachnachricht mit Motorsport-Magazin.com, im vergangenen Jahr immerhin Titelstory unserer 73. Printausgabe.

Ein ähnliches Interview - diesmal sogar persönlich, natürlich mit Sicherheitsabstand von zwei Metern - gab der Finne nun unseren niederländischen Kollegen von ‚Formule1’. „Ich genieße noch immer das Fahren und die Arbeit an sich“, sagt Räikkönen dort über seinen nimmermüden Antrieb. Siegchancen allein seien keinesfalls seine Hauptmotivation - und nie gewesen. „Denn selbst wenn du für ein Top-Team fährst, gibt es keine Garantie, dass du Rennen gewinnen kannst“, erklärt der Alfa-Sauber-Fahrer. Gerade dominiere mit Mercedes etwa nur ein Team. Da hätten alle anderen 18 Autos so gut wie keine Chance.

Formel-1-Job nach Karriereende? Räikkönen: Reisen ohne Racing Zeitverschwendung!

Mehr reizt Räikkönen schlicht und einfach der Rennsport an sich. Damit meint der Finne nicht nur das direkte Kräftemessen auf der Strecke im Rad-an-Rad-Duell, sondern auch das stetige Streben nach Verbesserung, das Tüfteln und die Entwicklung des F1-Boliden. „Alles, was dazu dient, das Auto schneller zu machen oder auch selbst besser zu fahren“, erklärt Räikkönen, was ihn antreibt. „Deshalb mache ich es noch immer und will es weitermachen. Wenn ich das nicht mehr wollte, würde ich aufhören. Das macht für mich Sinn. Dann würde ich nicht mehr meine Zeit damit verschwenden, um die Welt zu reisen. Die Voraussetzung, dass ich weitermache, ist für mich, dass ich es mag.“

Abgetaucht: Zumindest in Sachen lästiger Medientermine kam Corona für Kimi wie gerufen, Foto: LAT Images
Abgetaucht: Zumindest in Sachen lästiger Medientermine kam Corona für Kimi wie gerufen, Foto: LAT Images

Deshalb kommt für den Besitzer eines Motorcross-Teams und den Co-Eigner eines britischen Formel-3-Teams nach seiner aktiven Karriere als Formel-1-Fahrer auch kein Posten im Fahrerlager der Königsklasse in Frage. „Ich weiß noch nicht, ob ich bei Alfa Romeo bleiben will, wenn ich mit dem Racing aufhöre, aber ich will jedenfalls nicht an der Strecke arbeiten! Wenn ich so viel reisen muss, dann will ich auch lieber selbst fahren! Ich werde oft gefragt, was ich mache, wenn ich aufhöre, aber ich weiß es wirklich noch nicht“, sagt der Finne.

Räikkönen-Zukunft nach Formel-1-Karriere: Nordschleife, NASCAR, WRC?

Eines scheint jedenfalls festzustehen. Mit dem Formel-1-Helm wird Räikkönen nicht auch generell den Rennsport aufgeben. „Es gibt viele lustige Dinge zu tun“, sagt der Finne. „Aber darüber denke ich nicht nach, bis ich die Formel 1 verlasse. „Ob es Rallye sein wird, NASCAR oder eine ganz andere Rennserie, das sehen wir dann erst.“

Eine ganz andere Rennserie? Das könnte auch etwas sein, das die auch in Deutschland zahlreichen Sympathisanten des Finnen besonders begeistern dürfte: die 24 Stunden auf dem Nürburgring. 2020 fuhr Räikkönen gemeinsam mit Teamkollege Antonio Giovinazzi für Promotion-Aufnahmen Alfa Romeos auf der Nordschleife. Dabei heraus kam ein unterhaltsames Video. Lustige Dinge eben. Räikkönen hatte sichtlich Spaß in der Grünen Hölle. Genau das also, was ihm alles bedeutet. Deshalb schließt der Finne einen Start beim 24-Stunden-Rennen auch alles andere als aus: „Oh ja, das wäre großartig! Aber wie gesagt, es gibt viele schöne Dinge ...“

Kimi Räikkönen: Nach der Formel 1 gibt's viele schöne Dinge

Wie WRC oder NASCAR eben. Dort war Räikkönen bereits in seiner zweijährigen Formel-1-Pause von 2010 bis 2011 aktiv geworden. Insbesondere in Richtung Rallye rankten sich in den vergangenen Jahren immer wieder Gerüchte - doch stets entschied sich Räikkönen noch einmal für die Formel 1. Weil er bei Alfa-Sauber genau das bekommt, was für ihn am meisten zählt. Die Arbeit an sich, das Tagwerk der Formel 1 und des Rennsports an sich. Entwicklung, Streben nach Verbesserung.

Ob nun an der Spitze bei McLaren, Ferrari und sogar Lotus oder nun eben im Mittelfeld mit Sauber - überall sei das weitgehend ident. „Das ist zumindest meine Erfahrung“, sagt Räikkönen. „Das ist in der Formel 1 eine unendliche Geschichte. Raum für Verbesserung gibt es immer. Ich bin sicher, dass du auch bei Mercedes immer Dinge findest, über die sie sich beklagen und die sie am Auto verbessern könnten, wenn du fragst“, sagt Räikkönen und lacht. „Auch wenn es weniger sein werden als bei uns!“

Kimi Räikkönen: Erfahrung hilft Alfa-Sauber

Auch mehr Verantwortung spüre er mit all seiner Erfahrung in einem Team wie Alfa Romeo statt Ferrari & Co nicht. „Ich versuche einfach immer, mein Bestes zu geben“, sagt Räikkönen. Wie erfolgreich er Sauber dabei abschneiden würden, das liege in der Verantwortung aller Beteiligter. Wobei - letzten Endes zähle dann doch vor allem der Fahrer.

Formel 1, Danner: Mick Schumacher & Kimi Räikkönen wäre besser!: (25:44 Min.)

Räikkönen: „Am Ende müssen sie uns Fahrern zuhören. Denn trotz all der schlauen Köpfe im Team und egal, wie viele Computer sie haben, sind wir Fahrer die einzigen beiden der 300 oder 400 Leute, die das Auto fahren. Deshalb müssen wir das Team bei der Entwicklung des Autos steuern. Da haben wir viel zu sagen. Meine ganze Erfahrung und die ganzen Rennen, die ich gefahren habe, haben mir dabei eine bessere Vorstellung davon gegeben, in welche Richtung das Auto gehen sollte. Aber du kannst noch immer den falschen Weg einschlagen.“