1970 gründete Peter Sauber in der schweizerischen 10.000-Seelen-Gemeinde Hinwil die PP Sauber AG und baute dort seinen ersten eigenen Rennwagen. 50 Jahre später zählt Sauber zum Formel-1-Etat. Motorsport-Magazin.com blickt mit dem Firmengründer auf eine bewegte Geschichte zurück.

1970er: Die Anfänge

Am 11. Juli 1955 ereignete sich die schwerste Katastrophe der Motorsportgeschichte. 84 Menschen kamen beim tragischen Unglück in Le Mans ums Leben. Ein Unfall, der die Motorsportwelt veränderte - vor allem in der Schweiz. Bis heute gilt dort ein generelles Rundstreckenverbot. Ein Verbot, das Peter Sauber vor 50 Jahren nicht daran hinderte, die kleine Schweiz auf die große internationale Karte des Motorsports zu bringen. "Dabei hatte ich gar kein Benzin im Blut", erinnert sich Sauber und fügt an: "Ich war familiär nicht vorbelastet, ich bin wirklich zufällig zum Motorsport gekommen."

Ein Freund überredete Sauber zunächst dazu, seinen VW Käfer tunen zu lassen und anschließend noch beim Formel-Rennsportclub anzumelden. Mit Debütantenlizenz ausgestattet, setzte sich Sauber erstmals bei Berg- und Slalomrennen ans Steuer. Wichtiger aber noch: Er begann, selbst an seinem Käfer Hand anzulegen. "Es war basteln", gibt Sauber ungeniert zu. "Ich komme aus der Elektrobranche, habe auch meine Ausbildung dort genossen und verstand von Autos wirklich nichts." Doch die simple Technik machte es möglich, Karosserieteile einfach gegen Leichtbaukomponenten auszutauschen. "Das war etwas, das man auch als Amateur machen konnte. So hat mich das Basteln eigentlich in Verbindung mit dem Motorsport gebracht", erzählt der 77-Jährige.

Peter Sauber begann bei Berg- und Slalomrennen, Foto: Sauber Motorsport/Arno Kaehr
Peter Sauber begann bei Berg- und Slalomrennen, Foto: Sauber Motorsport/Arno Kaehr

1970 baute er mit dem C1 sein erstes eigenes Auto. "Ich habe einen Kollegen kennengelernt, der schon einen zweisitzigen Rennwagen für sich selbst gebaut hatte. Gemeinsam kamen wir auf die mutige Idee, dass wir Rennsportwagen bauen könnten und versuchen, sie zu verkaufen." Als Basis diente der erfolgreiche Formel-3-Bolide von Brabham. Sauber kaufte Aufhängung, Lenkung, Getriebe, Motor und Co. und baute die Komponenten in ein eigenes Chassis. Den Gitterrohrrahmen schweißte er selbst. "Es war gar nicht so einfach, das zu lernen", scherzt Sauber.

Mit dem ersten eigenen Auto gewann der Schweizer gleich die heimische Sportwagenmeisterschaft. Und trotzdem gab er den aktiven Rennsport schnell auf: "Langsam war ich nicht, sonst hätte ich den Titel nicht geholt. Aber ich war kein Talent, davon war ich weit entfernt. Und es war keine Passion für mich, Rennen zu fahren. Dieses Gen hatte ich nicht. Ich habe vielmehr das unternehmerische darin gesehen." Doch auf unternehmerischer Seite lief es zunächst durchwachsen.

Peter Sauber: Schlecht, wenn ein Konzern ein F1-Team führt (01:28:07)

"Das Problem waren nicht einmal die Teile des alten Brabham. Aber ich musste ja leben. Ich musste mein Salär rausholen und das kam nicht raus - zumindest nicht im ersten Jahr. Ich habe bei meinem Vater ein bescheidenes Darlehen aufgenommen und habe damit das erste Jahr überbrückt. Wir mussten unsere Autos immer verkaufen, um wieder neue bauen zu können. Die ersten zehn Jahre waren sehr hart, weil viel zu wenig Geld da war. Das hat man auch zu Hause gespürt. Meine Frau war sicher nicht so begeistert von meiner Tätigkeit." Er zahlte es ihr anders zurück: Der Buchstabe 'C', der bis heute im Namen jedes einzelnen Boliden steckt, steht für Christiane - seine Frau.

Die 1980er: Als Mercedes-Werksteam zum Le Mans-Sieg

Die Autos wurden besser, die Rennen größer: Ende der 1970er Jahre starteten Boliden aus dem Hause Sauber erstmals in Le Mans und konnten Achtungserfolge feiern. Anfangs noch mit Cosworth-Motoren unterwegs, wurde die Beziehung zu BMW immer enger. So erhielt Sauber den Auftrag, den legendären BMW M1 für die Gruppe 5 fit zu machen. Auf den Erfolg beim 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring 1981 ist der Firmengründer bis heute stolz. Hans-Joachim Stuck und Nelson Piquet holten den Gesamtsieg auf der Nordschleife. "Es war der letzte Rohrrahmen, den ich selber geschweißt habe", erinnert sich Sauber.

Doch dann zieht es die Schweizer wieder nach Le Mans. Die Autos waren inzwischen so schnell, dass die Aerodynamik immer wichtiger und komplexer wurde. Über einen Aerodynamik-Ingenieur aus Stuttgart entsteht ein erster Kontakt zu Mercedes. Drei junge und enthusiastische Mercedes-Ingenieure halfen Sauber bei der Entwicklung, sorgten sogar dafür, dass Sauber in den Mercedes-Windkanal konnte. "Das war bemerkenswert", blickt der Firmengründer zurück. "Wir waren mit dem C6 und dem C7 kostenlos im Daimler-Windkanal. Der eine hatte einen Ford-Motor, der anderen einen BMW-Motor."

Gemessen wurde abends, manchmal ließ sich sogar der Vorstand blicken. Aus den ersten Berührungspunkten wurde bald etwas ganz Großes: Zunächst fuhr Sauber mit Mercedes-Unterstützung und bekam kostenlos Motoren aus Stuttgart. Die Serienmotoren wurden zu Rennmotoren umfunktioniert. An das Konzept glaubten wenige, doch schließlich leisteten die Triebwerke bis zu 900 PS.

In der Sportwagen-Weltmeisterschaft nahm Sauber als Mercedes Werksteam teil, Foto: LAT Images
In der Sportwagen-Weltmeisterschaft nahm Sauber als Mercedes Werksteam teil, Foto: LAT Images

1988 wurde Sauber zum Mercedes Werksteam. "Ich habe vier Jahre gebraucht, um Mercedes scheibchenweise in den Motorsport zurückzubringen. Vermutlich war es meine größte Leistung damals", meint Sauber, "dass ich diesen Slalom zwischen den Chefs der Forschung und dem Vorstand gefahren bin und die Leute überzeugen konnte, dass es sinnvoll ist, da mitzumachen."

Das Investment sollte sich lohnen: 1989 und 1990 gewann Sauber-Mercedes die Sportwagenweltmeisterschaft, 1989 auch noch die 24h von Le Mans. Und nicht nur das: Sauber hob gemeinsam mit Mercedes ein Juniorteam aus den Angeln, das noch 30 Jahre später von sich reden macht. Michael Schumacher, Karl Wendlinger und Heinz-Harald Frentzen hießen die jungen Wilden. "Man hat in den späteren Jahren immer wieder gesagt, ich hätte ein gutes Händchen für junge Fahrer. Aber bei Schumacher, Wendlinger und Frentzen war das kein gutes Händchen, das war einfach Glück", gesteht Sauber. "Wir haben die ersten drei der deutschen Formel-3-Meisterschaft genommen."

Karl Wendlinger und Heinz-Harald Frentzen starteten 1994 auch in der Formel 1 für Sauber, Foto: Sauber Motorsport/Arno Kaehr
Karl Wendlinger und Heinz-Harald Frentzen starteten 1994 auch in der Formel 1 für Sauber, Foto: Sauber Motorsport/Arno Kaehr

Die 1990er: Der Formel-1-Traum

Sauber-Mercedes: Die Sportwagenweltmeisterschaft sollte für die deutsch-schweizer Kombination nicht Endstation sein. "Es wurde nie klar ausgesprochen, aber wir wollten gemeinsam in die Formel 1 gehen", so Sauber. "Ich habe zuhause auf eigenes Risiko eine neue Fabrik gebaut, da sehr viel investiert und das Ziel war eigentlich klar, dass man das gemeinsam macht." Doch dann kam es anders. "Die wirtschaftliche Situation in Deutschland damals war etwas schwierig, vor allem bei Mercedes. Sie mussten Leute entlassen und dann hat der Vorstand entschieden, dass man nicht werksseitig in die Formel 1 einsteigt. Das war für uns eine herbe Enttäuschung." Ein Abfindungs-Angebot von Mercedes lehnte Sauber ab. Stattdessen zog er seinen Plan durch: Nicht mehr als Mercedes-Werksteam, aber wieder Mercedes-unterstützt.

"Wir wollten ja gemeinsam in die Formel 1, nur durften wir das nie laut sagen. Weil das so angedacht war, ging Jürgen Hubbert [damaliger Vorstand] dann so weit, dass er gesagt hat: Gut, wir wollten das gemeinsam machen, darum schreiben wir aufs Auto: Concept by Mercedes-Benz. Dieser C12 war damals eigentlich schon das Auto, mit dem wir gemeinsam in die F1 hätten gehen sollen. Darum kam der Schriftzug drauf, das hat uns das ganze etwas einfacher gemacht. Wir wurden auch unterstützt von Mercedes, aber das war nicht mehr offiziell und war auch nicht abgemacht."

Nach zwei mehr oder weniger gemeinsamen Jahren war dann aber Schluss in der Formel 1. "Norbert Haug war da vielleicht etwas ungeduldig", trauert Sauber noch heute einer großen Chance hinterher. Weil Sauber Schwierigkeiten hatte, Sponsoren zu finden, schaute sich Mercedes anderweitig um. "Norbert Haug hat schon mit anderen Teams gesprochen, 1992 mit Williams und später mit McLaren. Das geht natürlich an die Öffentlichkeit und es wurde für uns dann sehr, sehr schwer, Sponsoren zu finden."

Während Mercedes zu McLaren abwanderte, fand Sauber mit Ford nicht nur einen neuen Motorlieferanten, sondern mit Red Bull und Petronas auch zwei Sponsoren. Ohne Mercedes, aber mit den beiden neuen Großsponsoren etablierten sich die Eidgenossen als solides Mittelfeldteam.

Die 2000er: Der Traum vom Werksteam

Anfang der 2000er Jahre erlebte Sauber die Hochzeit als unabhängiges Privatteam. 2001 landete der Teamchef einen Coup: Mit Nick Heidfeld stieß ein junges Talent nach einer Saison bei Prost zu den Eidgenossen, mit Kimi Räikkönen setzte Sauber auf einen 21-Jährigen ohne Formel-1-Erfahrung und ohne große Erfolge in Nachwuchsserien. Das Risiko sollte sich auszahlen: Die Talente lieferten im Ferrari-befeuerten C20 ab und katapultierten den Rennstall auf Rang vier in der Konstrukteursweltmeisterschaft. Mit Ferrari, McLaren-Mercedes und Williams-BMW waren nur die großen Werke vor dem kleinen Sauber-Rennstall.

Doch die Zeit der Privatiers in der Formel 1 neigte sich dem Ende zu. Weil immer mehr Hersteller Teams übernahmen, stiegen die Kosten in Sphären, die sich ein unabhängiges Team nicht mehr leisten konnte. Deshalb hielt auch Sauber Ausschau nach einem Partner. "Wir waren damals sicher nicht so extrem knapp bei Kasse wie dann später, aber es war damals immer knapp so wie bei anderen auch", so Sauber. So war der Verkauf nach der Saison 2005 an BMW für ihn alternativlos.

Zwischen 2006 und 2009 war Sauber das Werksteam von BMW in der Formel 1, Foto: BMW
Zwischen 2006 und 2009 war Sauber das Werksteam von BMW in der Formel 1, Foto: BMW

Mit der Williams-Ehe war BMW nicht glücklich, die Bayern wollten in München ein eigenes Team aus dem Boden stampfen. Sauber verhinderte das: "Ich konnte Mario Theissen überzeugen, dass es sehr, sehr teuer wird, in München ein Formel-1-Team aufzubauen. Weil in Deutschland ganz einfach keine Formel-1-Infrastruktur vorhanden ist. Es gibt keine oder nur sehr wenige Mitarbeiter, die in der Formel 1 Erfahrung haben und in Deutschland arbeiten: Das beste Beispiel, das ich immer angeführt habe, war Toyota." Die Japaner siedelten ihr Formel-1-Team in Köln an und investierten Unsummen. Der Erfolg blieb aber aus.

"Und da konnte ich Mario überzeugen, dass das Risiko, dass in München etwas ähnliches passiert, relativ groß ist, dass er besser ein Team kauft, das etabliert ist, das gute Leute hat, dass die gleiche Sprache spricht und die gleiche - oder zumindest eine ähnliche - Mentalität hat." Der Teamgründer behielt 20 Prozent der Anteile, zog sich aber aus dem operativen Geschäft zurück. Mit BMW drang Sauber in neue Sphären vor: Nach McLarens Disqualifikation wurde das Team 2007 Vizeweltmeister, 2008 gelang Robert Kubica in Kanada der erste und einzige Sieg der Team-Historie.

Die 2010er: Der Albtraum nach dem Werksteam

"Der Spaß war aber bald zu Ende", bilanziert Sauber. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise steigt ein Hersteller nach dem anderen aus der Formel 1 aus, auch BMW. "Man hätte das ein bisschen anders machen müssen", ärgert sich Sauber, "Der Einfluss des Konzerns war zu stark. Das ist genau das, was falsch ist. Das hat man zu wenig erkannt. Ich habe da schon ab und zu mal den Finger hochgehalten, aber es hat nichts genützt. Es ist schlecht, wenn ein Konzern ein Formel-1-Team führt." Ab 2010 führte der Konzern kein Fomel-1-Team mehr.

2010 war Sauber wieder unabhängig, ging aber noch unter der Nennung 'BMW Sauber' an den Start, um Anspruch auf die Ausschüttungen aus dem Vorjahr zu haben, Foto: Sutton
2010 war Sauber wieder unabhängig, ging aber noch unter der Nennung 'BMW Sauber' an den Start, um Anspruch auf die Ausschüttungen aus dem Vorjahr zu haben, Foto: Sutton

"Für mich war es ein Albtraum", erinnert sich der Gründer. Die Schuld dafür gibt er dem damaligen BMW-Boss Norbert Reithofer: "Der wollte die Formel 1 schon vorher nicht, nur hatte er damals das Sagen noch nicht. Er hat dann ziemlich rücksichtslos den Stecker gezogen. Er hätte das Team auch an die Wand gefahren, also zugesperrt. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als das Team zurückzukaufen oder zuzusehen, wie geschlossen wird."

Mit einem finanziellen Kraftakt kaufte Sauber das Team zurück, um den Großteil der Arbeitsplätze zu retten. Zu Beginn läuft das Team, Sergio Perez und Kamui Kobayashi können 2012 sogar vier Podiumsplatzierungen einfahren. Doch mit der Einführung der Hybrid-Motoren stürzt das Team 2014 auf den zehnten Rang ab, dazu kommen finanzielle Sorgen. Die teure Technik zusammen mit fragwürdigen Fahrerverträgen führen das Team in den finanziellen Ruin. "Die Sache war sehr, sehr unangenehm für mich", so Sauber.

Teamgründer Peter Sauber hat seine Anteile an dem Rennstall verkauft, Foto: Sutton
Teamgründer Peter Sauber hat seine Anteile an dem Rennstall verkauft, Foto: Sutton

Auch heute fällt es dem 77-Jährigen sichtlich schwer darüber zu sprechen. Der letzte Ausweg war ein erneuter Verkauf des Teams 2016. Das in der Schweiz ansässige Finanzunternehmen Longbow übernahm die Anteile von Peter Sauber und Monisha Kaltenborn, die seit 2012 die Geschicke des Teams leitete und 30 Prozent der Anteile besaß. "Da war und bin ich immer noch sehr glücklich, dass ich mit Finn Rausing jemanden gefunden habe, der hier eingestiegen ist und das Team gekauft hat", freut sich Sauber. Seither befindet sich das Team in finanziell ruhigerem Fahrwasser, mit Alfa Romeo konnte zudem ein großer Hauptsponsor gefunden werden.

Ab dem Jahr 2026 wird Sauber nun zum Werksteam von Audi in der Königsklasse des Motorsports. Damit beginnt ein weiteres neues Kapitel in der langen Motorsport-Geschichte des Schweizer Rennstalls.

Alles zu Mick Schumachers Formel 1-Einstieg! MSM Ausgabe 76 (02:21 Min.)

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