Dieser Artikel wurde in der 74. Ausgabe der Printausgabe von Motorsport-Magazin.com am 03. September veröffentlicht.

Fiasko, Debakel, Desaster. Eine echte Katastrophe eben. Das und nichts anderes erlebte die ruhmreiche Scuderia Ferrari zu Beginn ihrer 71. Formel-1-Saison. Das Auto: zu langsam. Der Motor: zu schwach. Und zu allem Überfluss kollidierten die beiden Fahrer auch noch kurz nach dem Start in der Steiermark miteinander. Der Rückstand auf Mercedes: enorm. Die Lautstärke der Alarmglocken in Maranello: ohrenbetäubend. Aber nicht nur das: neben den schwarzen Silberpfeilen liegen auch Red Bull, McLaren und Racing Point vor Ferrari. Statt dem Angriff auf den WM-Titel zu erleben, kämpft die Scuderia darum, fünfte Kraft zu werden. Eine Position, die nach den ersten beiden Triple-Headern hauptsächlich auf zwei überraschende Podestplätze von Charles Leclerc sowie die mangelnde Konstanz von Renault zurückzuführen ist. Kurzum: 2020 war ein kräftiger Schlag in die Magengrube für alle Tifosi.

Dabei sollte eigentlich alles ganz anders kommen. Nach drei Siegen in der zweiten Saisonhälfte 2019 und mit der stärksten Power Unit des Vorjahres ausgestattet standen die Zeichen für die Mission WM-Titel 2020 gut. Pustekuchen. "Die Realität ist, dass unser Auto nicht konkurrenzfähig ist", nahm FIAT-Vorstand John Elkann kein Blatt vor den Mund. "Das hat man auf der Strecke gesehen und man wird es wieder sehen."

Oder wie Sky-Experte Ralf Schumacher es ausdrückte: "Das ist wirklich ein Absturz mit historischem Ausmaß. Unglaublich! So kann es nicht weitergehen. Bei Ferrari muss sich einiges ändern!" In Schumachers Augen wurde in Maranello jahrelang konstant in die falsche Richtung entwickelt. Ein Bild, das John Elkann in seiner schonungslosen Rede bestätigte: "Wir müssen realistisch und uns der strukturellen Schwächen bewusst sein, mit denen wir seit einer Dekade gelebt haben und welche der Übergang zu Hybrid unterstrichen hat."

Ferrari hofft auf Regelumbruch

Elkann gibt damit Fehler in der Struktur des Teams, den einzelnen Abteilungen und bei der Entwicklungsrichtung der Rennwagen zu. In dieser Form klingt das ganz und gar nicht Ferrari-like. Doch Ferrari wäre nicht Ferrari, wenn es nicht auch große Ziele für die Zukunft geben würde. "Heute legen wir das Fundament, um wieder konkurrenzfähig zu sein und auf die Siegerstraße zurückzufinden, wenn sich 2022 die Regeln ändern", sagte Elkann. "Davon bin ich überzeugt."

Formel 1 2020, Rückblick Roger Benoit: Ferrari ist gescheitert (01:06:36)

Mit anderen Worten ausgedrückt: der oberste Boss rechnet für den Rest dieser Saison sowie die komplette Saison 2021 unter normalen Umständen nicht mit einem Grand-Prix-Sieg der Roten. Erst der große Regelumbruch für die Saison 2022, wenn sich die Autos radikal verändern und die Auswirkungen des Budget-Caps noch deutlicher zu spüren sein werden, macht Elkann Hoffnung auf Besserung.

Eine brutale, aber ehrliche Einschätzung. Ganz so, wie sie ein Vorstandsvorsitzender eben tätigen kann und muss, schließlich ist er befreit vom Alltagsleben des Teams und dem Mikrokosmos, der sich Formel-1-Fahrerlager nennt. Sein Blick gilt dem großen Ganzen, den Investoren und Partnern. Auf die vielen Worte müssen nun allerdings auch Taten folgen - und bald darauf auch erste Ergebnisse. Sonst wird die erbarmungslose italienische Medienlandschaft nicht so schnell verstummen.

Selbst die Konkurrenz leidet, zumindest in den öffentlichen Aussagen, ein bisschen mit Ferrari. Kein gutes Zeichen in der Egoisten-Welt der Formel 1. "Wir wünschen uns ein starkes Ferrari", sagte etwa Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Das ist eine unglaubliche Marke mit hart arbeitenden Menschen. Wir brauchen Ferrari vorne im Kampf mit allen anderen großartigen Teams. So etwas wie heute [Teamkollision, d. Red.] ist nicht gut für uns und auch nicht gut für die Formel 1."

Die größten Probleme beim springenden Pferd lassen sich grob in zwei Bereiche aufteilen: die Technik und die Teamstruktur. Für beides gibt es kein Allheilmittel und schon gar keine Lösung über Nacht. Ferrari erwartet eine längere Leidenszeit, in der sie versuchen müssen, Schritt für Schritt den Weg zurück in Richtung Spitze zu finden. Um die Analogie fortzusetzen: Die vielen Baustellen in Maranello erinnern an eine deutsche Autobahn - überall wird gebaut, es geht nur schleppend voran. Doch das Bauschild am Anfang der einspurigen Fahrt verspricht: Hier wird gebaut - bis März 2022. Dann soll die Fahrt wieder ohne Geschwindigkeitsbegrenzung fortgesetzt werden...

Baustelle #1: Teamchef

Mattia Binotto ist der 22. Teamchef in der langen Formel-1-Geschichte von Ferrari. Darunter legendäre sportliche Leiter wie Luca di Montezemolo und Jean Todt, aber auch eher kurzlebige Eintagsfliegen wie Marco Mattiacci. Der Einstieg des Italieners in sein neues Amt lief durchaus vielversprechend. Binotto brachte einen frischen Wind ins Team, war eine ganz andere Persönlichkeit als der vorherige Teamchef Maurizio Arrivabene.

Binotto ist Ingenieur, arbeitete sich bis zum Technischen Direktor empor, eine Rolle, die er auch heute noch in Personalunion bei der Scuderia ausübt. Während Arrivabene positiv formuliert nicht unbedingt das tiefste technische Formel-1-Know-how zur Schau trug, konnte Binotto in diesem Bereich auf ganzer Linie überzeugen. Dafür war Arrivabene mit all seiner Erfahrung auf dem Formel-1-Parkett mit den politischen Spielchen und Strömungen vertraut.

Als Teamchef kommt es eben nicht nur auf die technische Seite an, sondern auch darauf, das Team richtig zu führen, die richtigen Personen an die richtigen Positionen zu setzen und ihnen das Vertrauen zu geben, ihre Arbeit bestmöglich abzuliefern. Das Paradebeispiel dafür ist Mercedes-Teamboss Toto Wolff, der in den vergangenen sieben Jahren ein nahezu perfektes Team aufgebaut hat.

In dieser Hinsicht muss sich Binotto vor allem die Situation rund um die Trennung von Sebastian Vettel vorwerfen lassen. Die komplette Kommunikation und das Auftreten rund um den Fall Vettel waren enttäuschend. Aber auch die mangelnde Rückendeckung für sein Team und seine Fahrer nach dem Fehlstart in diese Saison hinterließen einen faden Beigeschmack. Statt sich der Öffentlichkeit zu stellen, sagte Binotto nach dem Crash seiner beiden Fahrer seine Medienrunde ab. Ein schlechtes Signal nach außen.

Wenn der Erfolg ausbleibt, wird auch in der Formel 1 schnell am Stuhl des Teambosses gesägt. So ist es auch im Fall Binotto, dessen Kopf etliche Fans fordern. John Elkann sprach Binotto jedoch sein volles Vertrauen aus. Schließlich habe auch Jean Todt sieben Jahre benötigt, um Ferrari 2000 den ersten Fahrer-Titel seit Jody Scheckter 1979 zu bringen. "Und er [Binotto] war schon mit Todt und Schumi bei Ferrari", so Elkann. "Er weiß, wie man gewinnt." Jetzt muss er es beweisen, sonst wird der Schleudersitz in Maranello sicher nicht ewig unausgelöst bleiben.

Baustelle #2: Außenminister

Die Formel 1 ist im besten Fall ein komplexes Konstrukt, dessen teils undurchschaubare Zusammenhänge, politische Verflechtungen und unterschiedliche Interessensgruppen sehr viel Erfahrung, ein großes Netzwerk und viel Fingerspitzengefühl benötigen. Im schlechtesten Fall ist die Königsklasse das berüchtigte Haifischbecken, das Fahrer, Teamchefs und jeden anderen, der sich in den Paddock traut, mit Haut und Haar verspeist und wiederausspuckt.

Genau das fehlt Ferrari und ganz besonders Mattia Binotto: ein starker Verbündete, der ihm den Rücken freihält und die Zeit verschafft, sich zu einhundert Prozent auf seine Aufgaben zu konzentrieren. Schließlich ist Binotto mit seiner Doppelbelastung als Team- und Technikchef schon voll ausgelastet, möglicherweise sogar zu stark. Jean Todt konnte früher stets auf die Rückendeckung von Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo zählen. Seit dem Tod von Sergio Marchionne fehlt eine solche Figur im roten Puzzle. Ein Vakuum, das die Scuderia schleunigst füllen sollte.

Wie es funktioniert zeigte einmal mehr Klassenprimus Mercedes. Toto Wolff und Niki Lauda waren bis zum Tod des Österreichers ein eingespieltes, schlagkräftiges Duo. Wolff bezeichnete Lauda gerne als den "Außenminister" des Teams, der mit jedem sprechen und alles sagen konnte. Er war ein Sparringspartner, ein Mentor, er gab die Richtung vor, übte Druck aus, wenn es nötig war, und schützte das Team vor der Politik. All das, was Ferrari und vielen anderen Teams fehlt.

Aber wer könnte diese Rolle in Maranello übernehmen? Ein ehemaliger Fahrer des Teams kommt wohl eher nicht in Frage. Fernando Alonso? Sebastian Vettel? Nur selten verlassen Piloten Maranello ganz ohne Groll. Kimi Räikkönen? Wohl eher nicht. Die ersten ernsthaften Namen, die sich aufdrängen, sind wohl ehemalige Verantwortliche wie Jean Todt und Ross Brawn. Beide sind jedoch in hohen Positionen bei der FIA und der Formel 1 unabkömmlich. Bleibt vielleicht nur noch ein Name, der schon Erfahrung als Motorsportdirektor, Teammitbesitzer und Serienchef gesammelt hat und zudem eine erfolgreiche Vergangenheit in Maranello besitzt: wie wäre es mit Gerhard Berger?

Gerhard Berger gewann mit Ferrari fünf Grands Prix, Foto: Sutton
Gerhard Berger gewann mit Ferrari fünf Grands Prix, Foto: Sutton

Baustelle #3: Struktur

Noch vor wenigen Jahren machte sich die Formel-1-Welt gerne über Mercedes lustig. Das war vor dem Beginn der Hybrid-Ära, vor den Zeiten von Seriensiegen und sechs WM-Doubles in Folge. Damals hieß es: 'Wozu braucht Mercedes fünf Technische Direktoren? Das kann ja nicht gutgehen...' Die Erfahrung der vergangenen Jahre beweist: mit der richtigen Struktur und Führung kann es mehr als gutgehen. Das Motto lautet: jeder Einzelne übernimmt Verantwortung. Es gibt nicht nur eine Führungskraft, sondern viele.

Dass es an dieser Struktur in den vergangenen Jahren in Maranello gemangelt hat, gestand John Elkann selbst ein. Derzeit vereint Mattia Binotto die gesamte Macht auf sich, als Teamchef und Technischer Direktor. Ihm direkt unterstellt sind Enrico Cardile als Head of Performance Development, Enrico Gualtieri als Head of Power Unit Area, Simone Resta als Head of Chassis Area (wird 2021 zu Haas wechseln) und Laurent Mekies als Sportdirektor. Nach dem Fehlstart in diese Saison gab Ferrari eine Pressemitteilung heraus, in der das Team eine Umstrukturierung bekanntgab. Diese sprach von einer konzentrierteren und einfacheren Befehlskette, die den Abteilungsleitern die notwendigen Befugnisse gibt, ihre Ziele zu erreichen. Abgesehen von der Einführung einer neuen Performance-Development-Abteilung war jedoch nichts Neues oder Greifbares zu erkennen. Der Fokus lag darauf, zu betonen, dass die Abteilungen mehr Verantwortung und Freiheiten erhalten.

Vielen ging dieser Schritt nicht weit genug. Vor allem da es keine frischen Impulse in Person von neuem Personal gab. Stattdessen griff Ferrari mal wieder darauf zurück, Rory Byrne als Hilfe für das Designteam zu nennen. Der Südafrikaner ist ein außergewöhnlicher Designer, der die Weltmeisterautos von Michael Schumacher mitverantwortete und der Scuderia schon 2017 beim letzten großen Regelumbruch unter die Arme griff. Doch immer wieder den mittlerweile 76-jährigen F1-Rentner als Hoffnungsträger hervorzukramen, wirkt nicht unbedingt richtungsweisend.

"Sergio Marchionne gab ja die Maßgabe aus, dass mehr Italiener das Sagen im Rennstall haben müssen", sagt Ralf Schumacher. "Das ist sicher ein schöner, romantischer Gedanke. In der Realität funktioniert er aber nicht. Die F1 ist nun mal international." Oder besser gesagt: britisch. Denn das Herz der Formel-1- und Motorsport-Industrie schlägt seit rund einem halben Jahrhundert im sogenannten Motorsport Valley in England. Dort arbeiten allein im County Northamptonshire rund 23.000 Menschen im Rennsportsektor. Hier sitzt das Know-how. Das Problem: viele dieser Ingenieure möchten nicht in andere Länder ziehen. Entsprechend ist es schwierig, außerhalb dieses Motorsport-Zentrums einfach auf diese Expertise zuzugreifen.

Baustelle #4: Kultur

Die richtige Struktur und das richtige Personal sind aber nur ein Teil des Schlüssels zum Erfolg. Ebenso wichtig ist die Teamkultur, die Führung und die Werte der gesamten Truppe. Die Serienweltmeister aus Brackley und Brixworth dürfen hier erneut als leuchtendes Beispiel für Ferrari und wohl auch alle weiteren F1-Teams gelten. Es mag sich an diesem Punkt vielleicht ein bisschen wie eine Schallplatte mit einem Sprung anhören, oder in Formel-1-Sprache ausgedrückt, wie die sich immer wieder wiederholenden Tiefstapel-Predigten von Toto Wolff, aber gerade in diesem Bereich kann Ferrari wahrscheinlich am meisten von Mercedes lernen.

Die Flure von Maranello sind traditionell dafür bekannt, dass bei Misserfolgen die Angst umgeht, wer denn dafür büßen müsse. In solch einem Klima werden gerne die sicheren Wege gewählt, keine Risiken eingegangen. Dadurch sinken jedoch auch die Kreativität und die Chancen auf Innovationen. Nur wenige Teams entwickeln Ideen wie das neue DAS-System. So gesehen ist es positiv, dass selbst nach dem schwachen Saisonstart in diesem Jahr kein großes Köpferollen stattgefunden hat und stattdessen die Abteilungsleiter sogar noch in ihrer Position gestärkt wurden.

Die offene Fehlerkultur ist ein Baustein des Mercedes-Erfolgs, Foto: LAT Images
Die offene Fehlerkultur ist ein Baustein des Mercedes-Erfolgs, Foto: LAT Images

Bei Mercedes zahlt sich die Einstellung aus. Sollte dem Team ein Fehler unterlaufen, und man mag es angesichts der Ergebnisse kaum glauben, aber das geschieht durchaus, wird dieser direkt analysiert und abgestellt. Kein Fehler passiert zweimal. Bestes Beispiel dafür waren die Reifenprobleme in Silverstone. Oder strategische Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre. Während sich diese bei Ferrari im wahrsten Sinne des Wortes wie ein roter Faden durch die zurückliegenden Saisons ziehen, gab es bei den Silbernen nie eine Wiederholung des gleichen Missgeschicks.

Gleichzeitig betont Toto Wolff stets, wie wichtig die Werte des Teams seien, die für die gleiche Einstellung, Loyalität und Transparenz hinsichtlich der Handlungen aller Teammitglieder sorgen. "Es hat eine Weile gedauert, aber sie sind zum zentralen Leistungskennzeichen bei uns geworden", betont Wolff. "Wir sind stets aufrichtig, stärken uns gegenseitig und fördern eine Kultur, in der niemand an den Pranger gestellt wird. Wer als Unternehmen erfolgreich sein will, muss diese Werte verinnerlichen und sie jeden Tag leben. Man darf sie nicht nur als Chart an die Wand werfen."

Baustelle #5: Auto

SF1000. Ein pompöser Name für ein Rennauto, das eine noch pompösere Präsentation in einem neoklassizistischen Theater erhielt. Der 53. Formel-1-Bolide von Ferrari sollte nicht nur den 1.000. Grand Prix von Ferrari feiern, sondern auch den WM-Titel zurück nach Maranello bringen. Doch die ersten Fragezeichen über der Performance des neuen SF1000 tauchten schon bei den Wintertestfahrten in Barcelona auf. Bereits Anfang März gestand Mattia Binotto, dass man im Zweifel die Saison 2020 zugunsten der Entwicklung für 2021 opfern müsse. Er hielt die Probleme des Teams jedoch für lösbar.

All das war noch vor Corona. Fast Forward zum zweiten Saisonstart in Österreich. Erneut kommen Zweifel am Speed des Autos auf. Ferrari kündigt ein Update-Paket für das dritte Rennen in Ungarn an, das später teilweise vorgezogen wird. Die Wirkung verpufft jedoch. Binotto spricht von einer signifikanten Richtungsänderung in Sachen Entwicklung, besonders auf Seiten der Aerodynamik. Es folgt ein Qualifying-Debakel beim Saisonauftakt. Eine Sekunde Rückstand. Leclerc auf P7, Vettel erst gar nicht im Q3. Der Rest ist Geschichte.

Die Hoffnung auf Besserung noch während der abgelaufenen Saison waren gering. Für die kommende Saison wurden zwar Teile des Reglements eingefroren, um die Kosten zu senken und zumindest auf dem Papier auch 2021 mit den gleichen Autos respektive Chassis anzutreten. Aber die Teams haben sehr wohl noch Möglichkeiten, aerodynamische Veränderungen vorzunehmen. Darauf muss Ferrari sein Augenmerk legen.

"Der Ferrari ist eine Fehlkonstruktion", zieht Ralf Schumacher ein vernichtendes Fazit. "Nicht nur der Motor ist das Problem. Die Mechanik funktioniert auch nicht. Beide Fahrer kommen damit nicht klar." In den Grundzügen stimmt ihm John Elkann zu: "Wir sind dieses Jahr wegen Projekt-Fehlern nicht konkurrenzfähig", bestätigt er. "Wir hatten eine Reihe struktureller Schwächen in Sachen Aerodynamik und Fahrzeugdynamik, die seit einiger Zeit bestehen. Und wir haben auch in Sachen Motorleistung verloren." Aber das ist ein Thema für sich...

Baustelle #6: Motor

Jahrelang galt die Mercedes Power Unit als die leistungsstärkste, effizienteste und beste Antriebseinheit der Formel 1. Doch die Vormachtstellung der Silbernen geriet 2019 stark ins Wanken. Plötzlich stellte Ferrari die Topspeedwerte auf und Mercedes blieb nur aufgrund der höheren Kurvengeschwindigkeiten in Front. Bereits gegen Saisonende kamen jedoch immer mehr Zweifel an der Legalität des Ferrari-Aggregats auf. Eine Klarstellung der Regeln brachte bereits erste Veränderungen, über den Winter stellte die FIA dann Unregelmäßigkeiten an der Power Unit fest und schloss einen Vergleich mit Ferrari, über dessen Inhalt Stillschweigen vereinbart wurde. Die anderen Teams schäumten vor Wut, die Corona-Situation brachte den Aufstand der Nicht-Ferrari-Teams jedoch zum Erliegen.

Im Laufe der Saison gaben Mattia Binotto, Sebastian Vettel & Co offen zu, dass sie durch die Änderungen an der Power Unit im Vergleich zum Vorjahr an Leistung verloren haben. Dies spiegelte sich auch in den Ergebnissen der Ferrari-Kundenteams Haas und Alfa Romeo wider, deren Topspeeds ebenfalls stark zurückgingen. Jetzt gilt es für Ferrari, auf dem Power-Unit-Sektor Gas zu geben und die verlorene Leistung mit legalen Mitteln zurückzuholen. Wenig überraschend wird auch hier darüber diskutiert, ob jemand wie Andy Cowell, der langjährige Mercedes-Motorenchef, der das Team mit unbekanntem Ziel verlässt, nicht eine ideale Besetzung für eine Überarbeitung der Power Unit wäre.

Auf eine gewisse Weise stellte sich Ferrari mit der Motor-Situation sogar selbst ein Bein: die unerklärliche Leistungsstärke und die hohen Geschwindigkeiten auf den Geraden bescherten dem vorherigen PS-Primus Mercedes im vergangenen Jahr unzählige schlaflose Nächte. "Die Ironie der Geschichte ist, dass einige unserer Konkurrenten uns dazu gebracht haben, ein komplett neues Niveau zu erreichen", sagt Toto Wolff. "Sie haben uns letztes Jahr fast an den Rand eines Burnouts gebracht, weil wir weiterentwickeln und innovativ sein mussten, um auf der Strecke konkurrenzfähig zu sein." Dadurch gelang Mercedes ein erheblicher Fortschritt bei der Power Unit. Zusammen mit den Rückschritten bei Ferrari trifft dies die Roten nun doppelt hart. Diese Baustelle wird wohl noch eine längere Zeit bestehen bleiben.

Alles zu Mick Schumachers Formel 1-Einstieg! MSM Ausgabe 76 (02:21 Min.)

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