Die Formel 1 ist nicht nur die Königsklasse des Motorsports, sie ist auch eine der komplexesten Sportarten auf unserem Planeten. Aber was ist erlaubt? Wie wird es kontrolliert? Und noch wichtiger: Wie funktionieren viele dieser Wunderwerke der Technik? Wir beantworten einige der brennendsten Fragen unserer YouTube-Zuschauer.

Matthias Lau
Warum gibt es keine Allradautos in der Formel 1?

Allradantrieb wäre der Traum der Ingenieure - vor allem im heutigen Technikzeitalter. Allerdings macht Artikel 9.1 des Technischen Reglements den schlauen Köpfen einen Strich durch die Rechnung. Darin heißt es ganz klar, dass nur zwei Räder angetrieben werden dürfen. Sinn machen würde so ein Allradantrieb aber allemal: Beispielsweise könnte die Vorderachse von einem E-Motor angetrieben werden. Dabei könnte auch an den Vorderrädern Bremsenergie zurückgewonnen werden. Neben einem deutlich effizienteren Antrieb wäre auch die Traktion erheblich besser. Torque Vectoring könnte zudem fahrdynamisch für einen Quantensprung sorgen, indem Rädern gezielt Antriebsmomente zugeführt werden, um bessere Kurvenfahrten zu ermöglichen. Allerdings wäre die Technik teuer, schwer und würde den Fahrer weiter in den Hintergrund drängen.

Rasmus Holst Jensen
Ich habe mich öfters gefragt, wieso Dirty Air immer so ein Problem ist. Es wird ja auch oft über Windschatten / doppelten Windschatten gesprochen und dort ist es ja ein Vorteil!? Oder nicht? Im Windschatten fährt der Fahrer ja auch in der "dreckigen" Luft.

Kurz gesagt: Einen physikalischen Unterschied gibt es nicht. Trotzdem ist die verwirbelte Luft einmal Fluch und einmal Segen. Ein bewegter Körper verdrängt Luft - solange er nicht im Vakuum ist. Diese Verdrängung ist nichts anders als Arbeit und kostet somit Energie. Je schneller ein Auto fährt, desto höher ist der Luftwiderstand.

Fährt man direkt hinter einem anderen Auto, ist der Luftwiderstand geringer, weil das vorausfahrende Fahrzeug eine Schneise in die Luft schlägt. In den Kurven allerdings wollen die Ingenieure, dass die Autos möglichst viel Luft abbekommen. Deshalb geht es auch immer um Setup-Kompromisse: Möglichst viel Abtrieb für die Kurven, möglichst wenig Luftwiderstand auf den Geraden. Die Aero-Elemente können nur Abtrieb erzeugen, wenn sie angeströmt werden. Besonders ungünstig: Dirty Air sorgt nicht nur für weniger Luft, sondern auch für schlechtere Luft. Die komplexe Aerodynamik moderner Formel-1-Autos funktioniert nicht mehr richtig, wenn die Luft verwirbelt ist.

epx5a
Wird sich die F1 eher Richtung Wasserstoff oder Elektro entwickeln?

Wenn wir das wüssten! In der auf 2022 verschobenen Regel-Revolution bleibt der Motor unangetastet. Ursprünglich begannen die Revolutionspläne am Antrieb, doch inzwischen konnten sich Teams und Formel 1 mit den Power Units arrangieren. Eigentlich sollten die Motoren einfacher, lauter, billiger und stärker werden. Doch die Hersteller argumentierten, dass dafür eine komplett neue Entwicklung nötig wäre - das Preisargument war somit dahin. Anschließend wurden nur noch Optimierungen der Power Unit diskutiert.

Für mehr Leistung und einen etwas besseren Sound wollte man den maximalen Benzindurchfluss von 100 Kilogramm pro Stunde um rund 10 Prozent anheben. Dazu stand lange Zeit noch eine Aufstockung der E-Leistung im Raum. Die kinetische Einheit an der Kurbelwelle (MGU-K) sollte mehr als 120 Kilowatt (rund 163 PS) stemmen dürfen. Dazu sollte die Akkukapazität nach oben korrigiert werden. Doch auch die Optimierungspläne wurden schlussendlich komplett verworfen.

Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: 2025 soll dann endlich eine neue Motorenformel her. Und dabei gibt es keinerlei Denkverbote. Formel-1-Technikchef Pat Symonds sprach erst in diesem Jahr von Zweitaktmotoren, die er sich in Zukunft durchaus vorstellen könnte. Symonds besucht für seine Recherche Universitäten und Forschungseinrichtungen, um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Der Brite rechnet damit, dass der 2025er Motor der letzte mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor sein könnte.

Für die Zukunft darüber hinaus könnte Wasserstoff tatsächlich eine Rolle spielen. Allerdings spielen synthetische Brennstoffe eine große Rolle: Schafft es die Formel 1, synthetische Brennstoffe für ihre Zwecke sinnvoll herzustellen und einzusetzen, könnte das den Verbrennern eine langfristige Zukunft bescheren - aber wohl immer als Hybrid, also in Kombination mit mindestens einem E-Motor. Dass der E-Anteil steigt, ist wahrscheinlich. Dass die Formel 1 zu einer reinen Elektroformel wird, eher ausgeschlossen.

Tobi A.
Was hat die oft "neongrüne" Farbe an verschiedenen Fahrzeugteilen bei den Boliden bei den Wintertests für eine Aufgabe?

Die leuchtende Farbe hört auf den klangvollen Namen Flow-vis. 'Vis' ist dabei eine Abkürzung für das Wort 'Visualisation'. Auf deutsch bedeutet das so viel, wie die 'Veranschaulichung des Stroms'. Dabei ist natürlich der Luftstrom gemeint, nicht der elektrische Strom. Flow-vis ist eine ölige Farbe mit niedriger Viskosität, heißt sie ist sehr zähflüssig. Sie wird auf einzelne Fahrzeugteile gepinselt und verteilt sich aufgrund der Luftströmung während der Fahrt auf dem Auto. Durch die grelle Farbe ist anschließend gut zu erkennen, wo sich die Flüssigkeit genau verteilt hat. Die Aerodynamiker können somit die Strömungen an ihrem Auto sichtbar machen und die Fotos der Flow-vis Muster mit Windkanal- und CDF-Daten abgleichen. Sind die Fotos im Kasten, wird das Auto wieder gründlich gereinigt.

Mc Larry
Wofür sind diese komischen Metallstreben an den Autos bei den Testfahrten?

Hierbei handelt es sich um Messinstrumente, sogenannte Aero-Rakes. Bei genauerem Hinsehen lässt sich erkennen, dass die dickeren Streben meist nur Halterungen sind. An diesen Halterungen befinden sich Metallgitter, teilweise mit zahlreichen sichtbaren Kabeln. Die Gitternetzpunkte sind etwas dicker, sie sind die eigentlichen Messinstrumente.

Bei Testfahrten und in Freien Trainings rücken die Autos regelmäßig mit Messgeräten aus, Foto: LAT Images
Bei Testfahrten und in Freien Trainings rücken die Autos regelmäßig mit Messgeräten aus, Foto: LAT Images

Pitot-Rohre messen an diesen Stellen den Luftdruck. Je feiner das Gitternetz ist, desto mehr Messpunkte gibt es. Die Gitter sind beim Test hinter aerodynamisch neuralgischen Punkten angebracht. Damit wollen die Ingenieure herausfinden, wie beispielsweise die Abströmung des Frontflügels genau aussieht. Diese Daten werden wieder mit den Werten aus dem Windkanal und den CFD-Simulationen verglichen.

Paul M
Man hört des Öfteren im Funk "Overtaking available". Was genau bedeutet das? Heißt das, dass ein anderer Motormodus eingestellt wird? Zum Thema Motormodus: Stellt die verschiedenen Motormodi der Fahrer selbst ein oder wird das von der Box gesteuert?

Die heutigen Formel-1-Motoren sind extrem kompliziert. Die Power Units bestehen aus Verbrennungsmotor, Turbolader, MGU-K, MGU-H, Batterie und Steuergeräten. Wie viel Leistung die Einheit abgibt, hängt nicht nur von der eingespritzten Benzinmenge ab, sondern vom gesamten Energiemanagement. Der Turbolader kann über die MGU-H elektrische Energie erzeugen. Gleiches kann die MGU-K beim Bremsvorgang. Beide Systeme können aber auch elektrische Energie verbrauchen: Die MGU-K treibt den Turbolader an, die MGU-K die Kurbelwelle.

Elektrische Energie kann entweder in der Batterie zwischengespeichert gespeichert, oder sofort verbraucht werden. Kurz gesagt: Es gibt unzählige Wege, den Energie in einer Power Unit gehen kann. Jede Strecke hat dafür ihr eigenes Setup: Der Motor weiß zu jeder Zeit, wo genau er sich auf der Strecke befindet. Demnach teilt er sich die Energie perfekt ein, weil die Ingenieure zuvor berechnet haben, wie Energieab- und -aufnahme rundenzeitoptimiert zusammenspielen müssen.

Nun ist aber nicht jede Runde gleich: Am Start ist maximale Systemleistung besonders wichtig, weil hier Positionen einfach gewonnen und verloren werden können. Also wird in dieser Phase die Batterie maximal geleert. In anderen Phasen des Rennens lädt man die Batterie hingegen. Heißt es aus der Box 'overtaking available', steht dem Fahrer ein sehr aggressiver Motormodus zur Verfügung. Heißt: Der Verbrennungsmotor bekommt die maximal erlaubte Benzinmenge, die MGU-K leistet die maximal erlaubten 120 Kilowatt und auch die MGU-K treibt - sofern nötig - den Turbolader an. Alles, was an Energie verfügbar ist, wird eingesetzt.

Die Software und die Abstimmung der Komponenten aufeinander ist inzwischen genauso wichtig wie die Hardware. Während der Fahrt müssen die Piloten die Einstellungen selbst vornehmen: Das Auto darf Daten an die Box senden, aber nicht umgekehrt. Die Fahrer wählen aus verschiedenen vorgegebenen Programmen aus, müssen also den Energiemix nicht selbst zusammenstellen.

DarthPlagueis1990
Was hat es eigentlich mit diesen ominösen GPS-Daten zu tun? Wie funktioniert das Ganze und wissen die Teams echt auf den Meter genau und zu jeder Zeit, wo andere Autos sind? Das kann doch nicht sein, oder? Aber wie wertet man das sonst aus?

Doch das kann schon sein! Alle Autos sind mit Unmengen an Sensoren ausgestattet, darunter auch GPS-Antennen. Im Gegensatz zu den anderen Sensordaten sind die GPS-Messungen nicht geheim, die Teams haben vollen Zugriff auf die GPS-Daten ihrer Konkurrenz. Die Daten werden auch für die Rennleitung oder beispielsweise das Livetiming benötigt.

Die Position der Fahrzeuge kann durch GPS-Technik ermittelt werden, Foto: LAT Images
Die Position der Fahrzeuge kann durch GPS-Technik ermittelt werden, Foto: LAT Images

Wie der Name 'Global Positioning System' schon sagt, liefern die Daten den genauen Standpunkt des Fahrzeugs zu einer bestimmten Zeit. Somit lassen sich Beschleunigungswerte oder Kurvengeschwindigkeiten ermitteln. Allerdings sind die Daten deutlich ungenauer als beispielsweise Raddrehzahlsensoren. Die Analyse besteht deshalb immer aus einem ganzen Set an Daten, die verschiedene Messwerte miteinander kombiniert. GPS hat außerdem den Nachteil, dass die Verbindung schwankt. Vor allem auf Stadtkursen wie Monaco kann das zu Problemen führen.

Florian F
Ist die Zusammensetzung des Lacks auch reglementiert oder könnte man theoretisch auch ohne Lackierung fahren? Oder ist es auch möglich, einen Lack zu benutzen, der aerodynamische Vorteile bietet? Wie eine "Haifischhaut"?

Kaum zu glauben, aber im technischen Reglement taucht das Wort 'Lackierung' nur ein einziges Mal auf und dabei geht es auch noch um die Ausnahme eines Materialverbots. Grundsätzlich ist deshalb zumindest technisch gesehen alles erlaubt. Tatsächlich wird auf diesem Gebiet auch experimentiert. Statt den Lack abzuschleifen, wie es die Legende der Silberpfeile besagt, werden heute mit immer dünnere und leichtere Lackschichten aufgetragen. Die matten Lackierungen von Ferrari und Red Bull sollen hauptsächlich einen Gewichtsvorteil bringen - über den aerodynamischen Nutzen scheiden sich die Geister.

BAR wollte 1999 ursprünglich mit zwei unterschiedlichen Fahrzeugdesigns antreten, Foto: LAT Images
BAR wollte 1999 ursprünglich mit zwei unterschiedlichen Fahrzeugdesigns antreten, Foto: LAT Images

Übrigens: Im sportlichen Reglement gibt es sehr wohl Vorschriften. Dort wird zum Beispiel geregelt, wie groß die Fahrernummer oder die Teamlogos aufgetragen werden müssen. Und ganz wichtig: Beide Autos eines Teams müssen größtenteils identisch lackiert sein. BAR musste deshalb einst die Fahrzeuglackierung in der Mitte teilen, statt zwei unterschiedliche Autos an den Start zu bringen.

Tschaiks Basement
Wie testen die Teams die Chassis und den Motor? Gibt es da spezielle Prüfstände?

Die Zuverlässigkeit der modernen Formel 1 ist sagenhaft: Technisch bedingte Ausfälle gibt es kaum mehr - selbst bei Testfahrten. Denn wenn ein Auto seine Jungfernfahrt absolviert, hat es meistens schon tausende Kilometer auf den Prüfständen abgespult. Motorenprüfstände gibt es seit jeher. Sie wurden schon immer benötigt, um die Motoren zu applizieren und ihre Standfestigkeit zu prüfen. Weil es in der Formel 1 kaum mehr Testfahrten gibt, sind die Prüfstandsläufe für die Zuverlässigkeit essenziell.

Auch für die Getriebe gibt es eigene Prüfstände: Mit speziellen E-Motoren können Getriebe auch ohne Motor getestet werden - Vibrationen und Schwingungen werden dabei simuliert. Die Königsdisziplin sind aber Fahrzeugprüfstände: Darauf können - wie der Name schon sagt - komplette Autos auf Herz und Nieren getestet werden. Reglement-bedingt darf das allerdings nur ohne Aero-Elemente erfolgen.

Proskater2506
Wie werden die begrenzten Testtage und CFD Simulationen eingehalten? Ein Team könnte doch auf einer abgelegenen (ggf. privaten) Strecke Testfahrten absolvieren. Bei den CFD Simulationen wäre es ja sogar noch einfacher.

Bei Tests respektive Filmtagen ist das verhältnismäßig einfach zu kontrollieren. Diese müssen bei der FIA im Voraus angekündigt werden, sodass der Automobilweltverband auch einen Kontrolleur schicken kann. Ein Umgehen dieser Regel ist schwer, weil Testfahrten selbst auf einem abgesperrten Gelände auffällig sind und dafür auch Reifen benötigt werden.

Bei den Simulationen ist es komplexer. Anhang 8 des sportlichen Reglements ist schwere Kost. Auf insgesamt acht Seiten geht es lediglich um aerodynamische Testbeschränkungen. Die Teams dürfen nur noch einen Windkanal nutzen. Dieser wird mit Kameras mit einem eindeutigen Zeitstempel überwacht.

Bei CFD-Simulationen wird es noch komplizierter. Beispiel gefällig? AUh = (NCU * NSS * CCF) / 3600. Diese Formeln werden genutzt, um verschiedene Systeme miteinander vergleichen zu können. Dabei muss die komplette eingesetzte Hardware, inklusive Prozessordaten und Ähnlichem, bei der FIA angemeldet werden. Nach jeder achtwöchigen Aerodynamiktestperiode müssen die Teams dazu ausführliche Berichte an die FIA schicken. Gleichzeitig gibt es Kontrollbesuche. Ab 2022 sind übrigens auch Prüfstandsläufe limitiert.

Alles zu Mick Schumachers Formel 1-Einstieg! MSM Ausgabe 76 (02:21 Min.)

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