Für Ferrari endete die Formel-1-Saison 2020 in Abu Dhabi mit einem Rennen, das dem gesamten Jahr den Spiegel nicht besser hätte vorhalten können. Sebastian Vettel und Charles Leclerc fuhren in einem schwachen SF1000 chancenlos hinter, die Strategie saß auch nicht richtig, sodass sich beide Fahrer der Scuderia im Endresultat - ohne Punkte auf den Rängen 13 und 14 - selbst hinter Ferrari-Kunde Kimi Räikkönen im Alfa Romeo anstellen mussten. Die Höchststrafe.

Diesmal gelang es nicht einmal Leclerc, den Karren zumindest ansatzweise aus dem Dreck zu ziehen. „Heute steckte leider keine Pace im Auto. Wir haben eine merkwürdige Strategie gewählt [kein Stopp in der Safety-Car-Phase trotz Start auf Medium], aber am Ende hätte das nicht viel geändert. Wir waren einfach nicht schnell genug“, sagt der Monegasse. „Ich hätte diese Saison gerne auf einem Hoch beendet, aber es ist nicht so gekommen. Es ist schade, die Saison so zu beenden.“

Formel 1 2020: Charles Leclerc rettet für Ferrari, was zu retten ist

Das gilt umso mehr, weil es im Saisonverlauf zumindest Leclerc zu mehreren Anlässen noch vorzeigbar, teils sogar herausragend, gelungen war, mit dem schwachen Ferrari-Pilot abzuliefern. Wenngleich durch Pech der Konkurrenz auch glücklich erzielt, sprechen die beiden Podien in Spielberg und Silverstone für sich. Als bester Mann im Mittelfeld war Leclerc zumindest da, um zu profitieren.

Formel 1-Abschiede 2020: Ferrari verneigt sich vor Vettel: (14:48 Min.)

Vettel gelang das einzig und allein beim Regenregen in der Türkei, in Ungarn hielt er zumindest seinen Teamkollegen eines von wenigen Malen in Schach. Mit 3:10 unterlag Vettel Leclerc im Rennduell, im Qualifying-Duell ging es mit 13:4 sogar noch deutlicher für Leclerc aus. Ganz zu schweigen von den WM-Punkten. Mit deren 98 erzielte Leclerc nicht nur fast exakt dreimal mehr als Vettel (33), sondern damit auch ein noch halbwegs passables WM-Ergebnis (P8; Vettel P13). Allein deshalb hielt sich Ferrari in der Konstrukteurswertung zumindest noch vor AlphaTauri.

Ferrari-Teamduelle: Sebastian Vettel vs. Charles Leclerc

Statistik - RennenVettelLeclerc
Rennduell310
Ø Rennplatzierung10,47
Bestes Rennergebnis32
Statistik - Qualifying
Q1-Aus10
Q2-Aus136
Q3-Einzug311
Qualifying-Duell413
Ø Qualifying-Platzierung12,248,29
Bestes Qualifying-Ergebnis54
Ø Abstand Teamkollege (Sek.)+ 0,160-
Statistik - Saison
Starts1717
Siege00
Schnellste Rennrunden00
Podien12
Top-10710
Ausfälle24
WM-Punke3398
WM-Rang138

Leclerc selbst bewertet sein zweites Jahr bei Ferrari deshalb aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. „Es war eine schwierige Saison. Es gibt in dieser Saison für mich zwei Seiten“, sagt Leclerc. „Nach dem Test in Barcelona wussten wir schon, dass etwas nicht ganz richtig läuft. Wir haben uns dann als Team gepusht, um dran zu glauben und zu hoffen.“ Das sei auch richtig, wichtig und hilfreich gewesen, das große Bild blieb dadurch jedoch unverändert. Ferrari fuhr dem eigenen Anspruch meilenweit hinterher.

Das - jetzt zur zweiten Seite - galt für Leclerc persönlich jedoch mitnichten. „Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meiner eigenen Leistung. Für mich persönlich war es meine beste Saison in der Formel 1“, sagt der sonst so selbstkritische Monegasse. „Wenn ich zurückblicke, was ich auf der Strecke angestellt habe, bin ich sehr zufrieden mit meiner Saison.“

Leclerc: Startunfälle? Hohes Risiko hat sich trotzdem gelohnt

Leicht sei es wegen der Performance zwar nicht gewesen, erinnert Leclerc nochmals. „Aber persönlich denke ich, dass ich mein Bestes gegeben habe.“ Ganz besonders führt Leclerc das auf das richtige Maß an Risiko zurück - ein hohes Maß. Erst beim vorletzten Saisonrennen in Sakhir hatte ihn das aller Chancen beraubt. Durch ein zu aggressives Ausbremsmanöver kurz nach dem Start begrub Leclerc nicht nur sein eigenes Rennen im Kiesbett, sondern auch die Chancen Max Verstappens. Ein zweites offensichtliches Beispiel ist der Startunfall beim Steiermark-GP, als Leclerc gleich beide Ferrari aus dem Rennen nahm.

Für Leclerc steht allerdings fest: Unter dem Strich hat er über das Jahr hinweg so sehr viel mehr gewonnen als verloren. „Ich bin dieses Jahr einige Risiken eingegangen. Das lief die meiste Zeit positiv und hat uns viele Punkte gewinnen lassen“, sagt Leclerc, gesteht aber: „Ein paar Mal hat es auch nicht so geklappt, wie ich wollte und wir haben ein paar Punkte verloren.“

Charles Leclerc glaubt an besseres Ferrari-Paket 2021

Insgesamt falle die Bilanz aber sehr positiv aus, so der Ferrari-Pilot. „Wenn ich heute auf die Meisterschaft, ist es nicht so, dass ich viel mehr hätte tun können. Deshalb bin ich sehr zufrieden mit diesem Jahr und freue mich auf nächstes Jahr“, sagt Leclerc. 2021 hofft der Monegasse vor allem, dass auch Ferrari wieder ein besseres Jahr erwischt.

Daran glaubt der Monegasse fest. „Wir haben für die Zukunft viel gelernt und können nur stärker zurückkommen. Hoffentlich können wir das nächstes Jahr auf der Strecke zeigen. Ich weiß nicht, wie groß der Schritt wird, aber ich bin sicher, dass es in die richtige Richtung geht. Ich hoffe, wir haben nächstes Jahr ein besseres Auto.“

Das wünscht Leclerc auch sein 2021 dann ehemaliger Teamkollege. „Ich hoffe, dass er das Auto bekommt, das er verdient“, sagt Sebastian Vettel. Zum Abschied bezeichnete der 14-malige Ferrari-Sieger Leclerc als den talentiertesten Fahrer, der ihm in 15 Jahren Formel 1 je über den Weg gelaufen sei.