Schwarzes Gold werden die Reifen in der Formel 1 gerne genannt. Lewis Hamilton würden wohl ganz andere Assoziationen einfallen. Gold sicher nicht "Diese Reifen überhitzen immer", lautete sein schnelles und harmloses Fazit zum Trainingsfreitag in Bahrain.

Dann ging es allerdings ins Detail, und vor allem um die 2021er Reifen. Pirelli stellte am Freitag jedem Fahrer zwei Extra-Sätze zur Verfügung. Der Grund: Die Italiener entwickelten für die kommende Formel-1-Saison eine neue Konstruktion. In Portimao wurden unterschiedliche Varianten getestet, in Bahrain sollten alle Fahrer die Möglichkeit erhalten, das finale Produkt auszuprobieren.

Hamilton flucht auf Pirelli: Reifen werden nur schlechter

"Oh Gott", waren die ersten Worte von Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton in Bezug auf die 2021er-Pneus. "Ich versuche mein Bestes, jetzt nichts Falsches zu sagen. Das Team hier von Pirelli gibt alles, um die Reifen zu verladen, herzubringen und uns sicher zu halten. Sie machen einen tollen Job."

Damit genug des Lobes vom frischgebackenen Rekordweltmeister. Denn während der Mercedes-Pilot mit Pirellis Einsatzteam vor Ort zufrieden ist, würde er der Entwicklungsabteilung wohl gerne mal unter die Arme greifen.

"Wir haben jetzt seit zwei Jahren die gleichen Reifen. Ende 2019 haben sie - wie normalerweise jedes Jahr - neue Reifen gebracht, die schlechter waren", holt Hamilton zum Rundumschlag aus. "Deshalb haben wir die Reifen von 2019 behalten. Sie hatten nun also zwei Jahre, um bessere Reifen zu entwickeln. Und sie kommen mit Reifen an, die drei Kilo schwerer und eine Sekunde pro Runde langsamer sind."

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"Ich weiß, dass das für die Fans keinen Unterschied macht, aber aus Fahrersicht tut es das. Wir arbeiten mit Marken und Partnern zusammen, die bei der Technologie an der vordersten Front kämpfen und weiter nach vorne gehen. Wenn du dann nach zwei Jahren Entwicklung einen Schritt nach hinten machst, dann weiß ich nicht, was los ist", wütet Hamilton weiter.

Hamilton will lieber alte Reifen behalten: Fühlt sich nicht gut an

"Ich weiß nicht, ob das ihr Limit ist oder das Limit der Technologie", schickt der Brite hinterher. An den Vorgaben kann es diesmal jedenfalls nicht gelegen haben, wie er klarstellt: "Ich bin extra nach Paris geflogen, um die GPDA [Fahrer-Gewerkschaft, Anm.] dort zu repräsentieren. Beim vorherigen Target Letter hat man nicht auf uns gehört. Ich bin deshalb dorthin geflogen, habe viele Mails hin und hergeschickt, um ihnen zu helfen. Und nun sind wir hier."

Hamilton würde lieber die alten Reifen behalten, Foto: LAT Images
Hamilton würde lieber die alten Reifen behalten, Foto: LAT Images

Pirelli entwickelte für 2021 lediglich an der Konstruktion, um die Luftdrücke senken zu kennen. Dadurch haben die Reifen mehr Aufstandsfläche und somit auch eine gleichmäßigere Hitzeverteilung auf der Lauffläche. Im Training durften die Teams beim 2021er Reifen mit einem Mindestluftdruck von 21 PSI an der Vorderachse fahren, immerhin 1,5 PSI weniger als bei den aktuellen Pneus. An der Hinterachse mussten 0,5 PSI weniger aufgepumpt werden.

"Es fühlt sich da draußen aber definitiv nicht gut aus, das ist besorgniserregend", so Hamilton. "Ich würde es bevorzugen, auf den Reifen zu bleiben, die wir haben, wenn die das Beste sind, was sie machen können."

Für die Zukunft sieht Hamilton schwarz, speziell weil 2022 18-Zoll-Reifen kommen. "Wir verlieren mit den größeren Felgen Grip. Wir brauchen aber weniger Abtrieb und mehr mechanischen Grip für gutes Racing. Viel vom mechanischen Grip kommt vom Reifen. In diese Richtung scheinen wir jedoch nicht zu gehen."

Pirelli sieht kein Problem mit 2021er Reifen

Lewis Hamilton war nicht der einzige Pilot, der sich gegen die neuen Reifen wetterte. Pirellis Formel-1-Boss Mario Isola versuchte, die Kritiker zu besänftigen: "Sie haben das Setup noch gar nicht auf die neuen Reifen angepasst. Den Teams ging es in erster Linie darum, Daten zu sammeln. Vor allem auch bei der Aerodynamik, weil der Vorderreifen ein neues Profil hat."

"Bei den bisherigen Tests haben wir keinen Performance-Verlust durch die neuen Reifen gesehen", so Isola weiter. "Aber es stimmt, heute - mit nicht optimierten Setup - waren die Rundenzeiten 0,6 bis 0,7 Sekunden langsamer. Wenn es tatsächlich diesen Verlust gibt, wird der aber spätestens bei den Wintertests wieder aufgeholt."

Pirelli will aber auf alle Fälle an der Einführung der Reifen festhalten - unabhängig vom Fahrer-Feedback und von den Aerodynamik-Restriktionen, die 2021 ohnehin dafür sorgen sollen, dass die Kräfte auf die Reifen geringer werden. "Manche Teams haben durch die Weiterentwicklung den Verlust durch die neuen Regeln schon wieder aufgefangen", wirft Isola ein. "Und wir haben unseren Job gemacht: Wir haben einen Reifen entwickelt, der mechanisch widerstandsfähiger ist. Wir werden nicht erneut auf den alten Reifen zurückgreifen."