Der erste Matchball im Kampf um die F1-Krone wurde abgewehrt. Beim Stand von 103:76 Punkten bekam Fernando Alonso beim letzten Europa-Rennen in Belgien seinen ersten Matchball. Doch aus der vorzeitigen WM-Party wurde nichts: Sein Titelkontrahent Kimi Räikkönen hielt seine minimalen WM-Chancen intakt und verkürzte den Abstand von 27 Zählern auf nunmehr nur noch 25 Punkte Rückstand.

Der Zweite wird der Erste sein

Besonders beunruhigt sah der WM-Leader angesichts der zwei verlorenen WM-Zähler nach dem Rennen allerdings nicht aus. Ganz im Gegenteil: Während Kimi Räikkönen und sein Team dem wieder einmal verpassten Doppelsieg nachtrauerten, strahlte der Spanier über den geschenkten zweiten Rang.

Alonso feierte Rang 2 wie einen Sieg., Foto: Sutton
Alonso feierte Rang 2 wie einen Sieg., Foto: Sutton

"Dank einer fehlerlosen Fahrt hätte es für mich locker für die dritte Position gereicht", erklärte Alonso, der mit P3 vollauf zufrieden gewesen wäre. "Dann sah ich den Unfall von Juan Pablo Montoya. Der zweite Rang ist natürlich noch viel besser. Es war wirklich schön wieder etwas Hilfe von McLaren erhalten zu haben."

Diese Schützenhilfe hätte er aber gar nicht nötig. Schließlich reichen ihm auch drei weitere dritte Plätze in den anstehenden Rennen zum Titelgewinn. Entsprechend verfährt Alonso auch weiterhin nach seiner erfolgreichen Maxime nie mehr zu riskieren als notwendig ist.

"Ich wusste, dass mein Auto absolut konkurrenzfähig ist und dass es für uns überhaupt keine Veranlassung gab, irgendwelche unnötigen Risiken einzugehen", erklärte er nach dem Rennen. Für diese Risiko minimierende Einstellung wurde Alonso in der letzten Woche sogar von McLaren-Boss Ron Dennis gelobt.

"Er ist strategisch sehr clever", sagte Dennis. "Er weiß wann es besser ist nur Zweiter zu werden. Sollte er Weltmeister werden, dann wird er sicherlich sagen, dass er viele Rennen hätte gewinnen können, er das aber gar nicht musste."

McLaren Mercedes reichen hingegen in den ausstehenden drei Saisonläufen keine drei Siege mehr, um den Titel noch zu holen. Selbst die erhofften Doppelerfolge würden dazu nicht ausreichen. Entsprechend ist die Mission von CEO Martin Whitmarsh, aus den letzten fünf Rennen ebenso viele Doppelerfolge zu holen, gnadenlos gescheitert.

"Das Team hätte den Doppelsieg verdient gehabt", trauerte Dennis um die vergebene Chance die Führung in der Konstrukteurs-WM zu übernehmen. Und auch Kimi Räikkönen wurde nicht müde immer wieder auf die verpasste Gelegenheit eines zweifachen Silberpfeil-Triumphs hinzuweisen. "Mein zweiter Sieg in Spa in Folge ist wirklich toll. Schade nur, dass Juan Pablo ausgefallen ist und das Team dadurch um den verdienten Doppelsieg gebracht wurde."

Zwischenfall I - Montoya vs. Pizzonia

Plötzlich stand Montoya an der Wand., Foto: Sutton
Plötzlich stand Montoya an der Wand., Foto: Sutton

Der Grund für den verpassten doppelten Triumph war diesmal allerdings kein vom Team verschuldeter Motor- oder Reifenschaden. Es war eine Kollision zwischen dem Zweitplatzierten Juan Pablo Montoya sowie dem überrundeten Antonio Pizzonia.

Der Brasilianer beschrieb den südamerikanischen Knall wie folgt: "Ich dachte, er hätte mich gesehen. Er hat sehr früh gebremst und ich dachte, er wolle mich vorbeilassen. Ich bin neben ihn gefahren. Aber er hatte mich offenbar doch nicht gesehen, denn er hat ganz normal eingelenkt", so der Jungle Boy, der auf Trockenreifen viel schneller als Montoya auf Intermediates war. "Ich konnte den Unfall nicht mehr verhindern. Es tut mir leid für ihn. Ich wollte niemandes Rennen ruinieren."

"Es ist immer hart auszuscheiden, aber wenn es außerhalb deiner Kontrolle und jener des Teams liegt, dann ist es noch schmerzhafter", kommentierte der enttäuschte Montoya den Vorfall. "Ich weiß, dass Pizzonia sich auf Trockenreifen zurück runden wollte und mich dabei von hinten gerammt hat." Mehr wollte er dazu nicht sagen.

Dafür äußerten sich seine Teambosse deutlich zu diesem Zwischenfall und nahmen den schon in der Türkei gescholtenen Kolumbianer in Schutz. "Für Missgeschicke wie heute können wir nicht viel. Da war der Pizzonia sicherlich mit den frischen Reifen einfach ein bisschen, im wahrsten Sinne des Wortes, neben der Spur", sagte Norbert Haug.

"Juan Pablo ist absolut unschuldig", wiederholte Dennis die Worte des Mercedes-Sportchefs. "Er war das unschuldige Opfer der Fehler eines anderen. Pizzonia verließ die Box. Nachdem Pizzonia ihn vorbei gewunken hatte, überholte er ihn vorsichtig und in der nächsten Kurve fuhr ihm Pizzonia einfach ins Heck."

Ähnlich interpretierten auch die Rennstewards die Situation, weswegen sie dem Brasilianer eine Geldstrafe in Höhe von 8.000 US-Dollar aufbrummten. McLaren und Montoya hilft dies aber nichts mehr...

Zwischenfall II - Schumacher vs. Sato

Schumacher hatte dem Japaner einiges zu sagen., Foto: Sutton
Schumacher hatte dem Japaner einiges zu sagen., Foto: Sutton

Ebenfalls vor den drei Rennstewards endete die Kollision zwischen Michael Schumacher und Takuma Sato. Nachdem das Rennen in Runde 14 nach der Safety-Car Phase wieder freigegeben war, krachte der Japaner in der La Source ins rote Heck des Deutschen. Für die Stewards eine klare Sache: Sato wird beim nächsten Rennen 10 Startplätze nach hinten versetzt.

"Der Unfall mit Michael geschah in der ersten Kurve nach dem Re-Start", erinnert sich der Japaner. "Es war sehr schwierig mit kalten Reifen und Bremsen das Auto abzubremsen. Deshalb berührte ich leider sein Heck", so die Kurzfassung von Satos Schilderung.

Sein Teamboss Nick Fry nahm ihn in einer etwas ausführlicheren Fassung dennoch in Schutz. "Er war hinter einem Jordan und hatte Michael vor sich. Beide gingen innen vorbei, traten vor der Kurve auf die Bremse und seine Räder blockierten. Deswegen traf er Michael. Es war einfach nur Pech."

Michael Schumacher erlebte die gleiche Szene allerdings etwas anders: "Jeder Unfall ist unnötig. Aber dieser scheint noch unnötiger als sonst gewesen zu sein", ärgerte sich der Deutsche maßlos. Allein die Tatsache, dass er sofort nach dem Unfall aus seinem Cockpit sprang und auf Sato einredete, der noch auf der Strecke im Auto saß, spricht Bände über die tiefe Frustration des Champions.

"Ich habe nur den Aufprall gespürt und gemerkt, dass mir jemand hinten rein gefahren ist. Weil Takuma Sato eine kaputte Nase hatte, war mir schnell klar, dass er es gewesen sein musste", lautete die Schilderung des Kerpeners, der dann noch einmal nachsetzte: "Wir haben schon öfter Harakiri-Aktionen von ihm erlebt, heute war wieder mal eine. Wir haben in der Vergangenheit schon mit ihm gesprochen, ich weiß nicht, welche Therapie jetzt noch hilft."

So verabschiedete sich Schumacher aus seinem Wohnzimmer., Foto: Sutton
So verabschiedete sich Schumacher aus seinem Wohnzimmer., Foto: Sutton

Für Nick Fry ist diese Kritik allerdings zu hart. "Sicherlich hat Takuma einen Fehler gemacht, aber das passiert eben einmal." Demnach beruft sich Fry darauf, dass am Sonntag "viele Fahrer" Fehler gemacht hätten. "Und Michael hat seinen Teil dazu beigetragen. Also ist es nicht sehr fair so etwas über Taku zu sagen."

Was Schumacher dem Japaner in der Hitze des Gefechts tatsächlich ins Cockpit rief, kurz bevor er ihm das Visier zuschlug, wollte er hingegen nicht öffentlich wiederholen. "Es schauen schließlich auch Kinder zu."

Die Teamanalyse

Renault An einem vom Regen und dem Wetter beherrschten Rennwochenende konnte Renault zu keiner Zeit den Speed von McLaren mitgehen. Zwar schienen sie unter trockenen Bedingungen näher dran zu sein, doch hatte Fernando Alonso zu keiner Zeit eine Chance auf den Sieg. Allerdings war dies auch nicht die Zielsetzung des Spaniers. Schließlich betonte Flavio Briatore schon vor einigen Wochen: "Wir fahren nicht um Einzelsiege, wir fahren um den Titel." Und diesen könnte Renault bald in zweifacher Ausführung in der Vitrine stehen haben. Für Giancarlo Fisichella endete das Rennen derweil unglücklich. Bis zu seinem Abflug war der Römer einer der Aktivposten im Mittelfeld und auf gutem Wege noch auf das Podium zu fahren.

Kimi Räikkönen fuhr einen sicheren Sieg ein., Foto: Sutton
Kimi Räikkönen fuhr einen sicheren Sieg ein., Foto: Sutton

McLaren Wenn es nicht die eigene Technik ist, dann sorgen die Konkurrenten dafür, dass McLaren ja keinen Doppelsieg einfahren kann. Nachdem in der Türkei Tiago Monteiro ins Heck von Juan Pablo Montoya rauschte, war es diesmal Antonio Pizzonia der den Kolumbianer abschoss. Die starke Kritik die er sich nach dem Vorfall in Istanbul anhören musste, wiesen seine Teambosse diesmal von Anfang an zurück. Pizzonia sei Schuld gewesen. Viel wichtiger als die Schuldfrage ist jedoch: Wann werden die Silbernen endlich dazu in der Lage sein ihr überlegenes Potenzial in entsprechende Ergebnisse umzusetzen? Nur jeweils einen respektive diesmal zwei WM-Punkte auf Renault aufzuholen, wird im Kampf um die Konstrukteurs-Krone nicht ausreichen. Der Fahrertitel erscheint ohnehin schon in viel zu weiter Ferne.

Ferrari Aus einem erneut enttäuschenden Wochenende, konnte Ferrari mit Barrichellos fünftem Platz noch das Beste machen. Die entscheidende Erkenntnis des Belgien-Wochenendes war jedoch eine Aussage von Michael Schumacher: "Wir waren auch im Nassen nicht gut genug." Damit erübrigt sich auch die große Hoffnung auf Regen. Teamboss Jean Todt hadert sogar damit, dass die Roten mittlerweile selbst das Glück verlassen habe. In Wirklichkeit konnte der Beweis für das Ende der Regenreifen-Überlegenheit von Bridgestone in den Ardennen nicht erbracht werden. Schließlich war nie jemand mit den wahren Bridgestone-Glanzstücken auf der Strecke unterwegs gewesen: Anstelle der Monsun-Regenreifen kamen bei allen nur die Intermediates zum Einsatz. Und auf diesem Gebiet hatte Michelin schon im letzten Jahr aufgeholt. Nichtsdestotrotz warne die Roten bei allen an diesem Wochenende vorherrschenden Bedingungen viel zu langsam.

Toyota bewies kein gutes Händchen., Foto: Sutton
Toyota bewies kein gutes Händchen., Foto: Sutton

Toyota Für wenige Runden sah es so aus, als ob Toyota an diesem nassen Tag in Spa-Francorchamps seinen großen Tag erleben könnte. Ralf Schumacher jagte nach der Safety-Car Phase Kimi Räikkönen vor sich her und Jarno Trulli hatte zu Beginn das Potenzial für einen Podestplatz offenbart. Am Ende sollte es aber wieder einmal anders kommen als es sich die Weiß-Roten gewünscht hatten. Zwei Fehlentscheidungen bei den verfrühten Reifenwechseln auf Rillen-Pneus warfen beide Fahrer mit zusätzlichen Stopps weit zurück. Am Ende konnte Toyota froh sein den Rückstand auf Ferrari in Grenzen gehalten zu haben. Es wäre andersherum aber auch leicht möglich gewesen an diesem Sonntag an den Roten vorbeizuziehen. Teamboss Tsutomu Tomita nahm es positiv: "Immerhin haben wir gelernt wie man im Regen taktiert."

Williams Wie alle Teams - außer McLaren und Renault - hatte auch BMW-Williams mit verfrühten Wechseln auf Trockenreifen zu kämpfen. Am Ende zahlten sich zwei weitere Boxenstopps für beide Piloten aber beinahe noch einmal richtig aus. Jedenfalls dann wenn Pizzonia nicht in das Heck von Montoyas McLaren geknallt wäre. So konnte nur Mark Webber in den Schlussrunden Plätze gutmachen und Rang vier okkupieren. Der wahre Leistungsstand der Weiß-Blauen lässt sich nach diesem Wochenende allerdings nicht einschätzen. Der Fahrradunfall von Nick Heidfeld nimmt derweil den Gerüchteköchen das Salz aus der heißen Suppe: Pizzonia wird auch bei seinem Heimspiel in Brasilien an den Start gehen. Nach seinem Unfall allerdings um 8.000 Dollar erleichtert. Er wird es aber verschmerzen können.

Button musste für Rang drei kämpfen., Foto: Sutton
Button musste für Rang drei kämpfen., Foto: Sutton

B·A·R Wieder kam nur ein British American Racer ins Ziel. Und wieder einmal war es Takuma Sato, der in einen fragwürdigen Zwischenfall verwickelt war. Noch schlimmer wiegt jedoch die Tatsache, dass der Japaner in Brasilien 10 Startplätze verlieren wird. Jenson Button konnte sich hingegen über einen unerwarteten und unauffällig eingefahrenen Podestplatz freuen. Die Achterbahnfahrt in der Leistungskurve der Weißen geht also munter weiter. Vorhersagen für den Rest der Saison sind deshalb kaum machbar. In Interlagos kann genauso gut wieder ein Tief folgen.

Red Bull Es war nur eine Frage der Zeit, dass wussten selbst die Red Bull Chefs: Nach 16 Saisonläufen sind die roten Bullen ihren sechsten WM-Rang in der Teamwertung los. Dabei hätten Christian Klien und David Coulthard in einem solch chaotischen Rennen durchaus Chancen auf Punkte gehabt. Aber das gesamte Wochenende verlief in Spa nicht rund. Da passt es gut ins Bild, dass ausgerechnet hier, beim zweiten High-Speed-Rennen in Folge, der erste Motorschaden eines Cosworth-Aggregats vorkam. Dennoch verlassen die Dunkelblauen Belgien mit einer positiven Nachricht: Ab 1. November gehört ihnen das Minardi Team als eine Art Nachwuchsteam.

Nur Villeneuve holte Punkte für Sauber, Foto: Sutton
Nur Villeneuve holte Punkte für Sauber, Foto: Sutton

Sauber Wie so viele andere haderte nach dem Rennen auch Felipe Massa mit einer Fehlentscheidung: Der Brasilianer wechselte zu früh auf Trockenreifen und ruinierte sich damit eigenen Aussagen zu Folge die Chance auf einen Podestplatz. Dank Jacques Villeneuves sechstem Rang konnten die Schweizer immerhin einige Punkte mit nach Hause nehmen. Die zehn Punkte Rückstand auf Red Bull dürften dennoch nur noch schwer wettzumachen sein.

Jordan Nach den elf WM-Zählern vom Mini Grand Prix der USA gesellte sich in Spa ein weiterer WM-Punkte auf dem gelben Konto hinzu. Gerechnet hat mit einem solchen Erfolg noch nicht einmal das Team selbst. Aber dank einer starken Fahrt und des leicht chaotischen Rennverlaufs konnte sich Tiago Monteiro, nach seinem dritten Rang von Indianapolis, seinen ersten "echten WM-Zähler" sichern. Aber auch diesmal gilt: Sehr viel mehr wird es 2005 nicht mehr geben.

Bei Minardi lief am Sonntag nichts nach Plan., Foto: Sutton
Bei Minardi lief am Sonntag nichts nach Plan., Foto: Sutton

Minardi Noch drei Rennen, dann ist das Überlebenstraining des Minardi Teams vorbei. Mit Red Bull übernimmt dann ein neuer Chef das Ruder des die längste Zeit finanziell angeschlagenen Rennstalls aus Faenza. Der Versuch sich am Wochenende des Teamverkaufs mit einem Knall zu verabschieden, scheiterte allerdings kläglich. Vielleicht mussten Paul Stoddart zu viel Energie in die Verhandlungen mit Dietrich Mateschitz stecken, aber die strategischen Entscheidungen von Spa gingen alle fürchterlich nach hinten los. Angefangen vom Boxengassenstart mit Regenreifen bis hin zum vorzeitigen Wechsel auf Rillenreifen: Bei Minardi ging an diesem Sonntag gar nichts auf.

Der WM-Ausblick: Matchball Nummer 2

Der erste Matchball wurde von Kimi Räikkönen in den belgischen Ardennen abgeschmettert. Dennoch verlässt der Zweite des Grand Prix den Schauplatz glücklicher als der Sieger.

"Fernando fuhr genau jenes Ergebnis ein, das er im Kampf um den Fahrertitel benötigte", untermauerte Flavio Briatore diese Aussage. "Für Kimi Räikkönen wird es jetzt ganz schwierig, wenn er Alonso noch einholen will." Bei nur noch 30 zu vergebenden Punkten, müsste Alonso mindestens zwei Nullrunden schreiben, damit der Finne doch noch eine Chance auf den Titel bekommt.

"In der Konstrukteurs-Wertung geht es deutlich spannender zu", weist Briatore auf den zweiten Kriegsschauplatz zwischen Gelb-Blau und Silber hin. "Wir werden bis zum letzten Grand Prix weiterkämpfen." So lange McLaren sich aber auch weiterhin selbst schlägt und die möglichen Doppelsiege nicht bis ins Ziel retten kann, werden die sechs Punkte Vorsprung noch bis nach Shanghai reichen.