Der dritte Platz beim Türkei GP am vergangenen Wochenende kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sebastian Vettels Formel-1-Saison 2020 mehr als durchwachsen läuft. Schon vor der Saison gab Ferrari die Trennung von Vettel bekannt und verpflichtete umgehend Carlos Sainz als Nachfolger.

Seit Saisonbeginn ist daher der Wurm drinnen. "Ja, es ist nicht mehr die große Liebesbeziehung", gesteht Sebastian Vettel nun in einem Interview mit der Wochenzeitung 'Die Zeit'. Der vierfache Formel-1-Weltmeister wird sogar noch deutlicher, spricht vom Verhältnis mit dem Team, "das ein wenig eingefroren ist." Vettel konstatiert: "Dieses Jahr ist schwierig für mich."

Selbst nach dem Podium in Istanbul liegt Vettel in der Weltmeisterschaft nur auf Rang 13. So schlecht war er - zumindest was die Zahlen angeht - noch nie in seiner gesamten Formel-1-Karriere. Sogar in seiner ersten vollen Saison mit Toro Rosso schaffte er mit Rang acht den Sprung in die Top-10. Und auch im Seuchen-Jahr 2014, seinem letzten bei Red Bull, wurde er immerhin Fünfter.

Zahlen, die belegen, wie schwierig sich der 33-Jährige im Jahr 2020 tut. Der direkte Vergleich mit Teamkollege Charles Leclerc schmerzt zusätzlich. Zwar kann auch der Monegasse keine Bäume mit dem SF1000 ausreißen, aber Leclerc führte Vettel sportlich phasenweise vor. Er hat fast dreimal so viele Punkte auf dem Konto und liegt auf Rang fünf in der WM.

"Seit bekannt ist, dass sich unsere Wege trennen, ist die Situation schon anders", verrät Vettel. "Ich bin nicht mehr so involviert wie früher. Damit will ich jetzt nicht sagen, dass ich meine Zeit absitze. Aber entscheidend ist jetzt wirklich nur, was unmittelbar vor mir liegt; alles, was darüber hinausgeht, darf mich nicht mehr interessieren, es bringt mir nichts und Ferrari auch nicht."

Vettel: Erfolg ist ein großer Motivator

Phasenweise schien Vettel aber nicht nur die Pace, sondern auch der Biss abhanden gekommen zu sein. "Ich hatte in meiner Karriere das Glück, dass ich beim Start sehr häufig vorne stand. Das waren Rennen, in denen ich wirklich etwas bewegen konnte. Im Moment ist das anders. Erfolg ist schon ein großer Motivator, und in diesem Jahr gibt es einfach keine Aussicht auf wirklichen Erfolg", gesteht der Heppenheimer.

"Ich habe trotzdem den Ehrgeiz, das Beste daraus zu machen, auch aus Respekt gegenüber dem Team", stellt Vettel klar. "Wenn wir nicht gut genug sind, ist ja die Arbeit, die von allen Seiten hineingesteckt wird, trotzdem mindestens die gleiche wie im Erfolgsfall. Aber ich gebe zu: Wenn das, wofür man in der Vergangenheit gekämpft hat, nicht mehr in Reichweite ist, ist es schon eine andere Situation."

Wenn am 13. Dezember in Abu Dhabi das letzte Rennen der Formel-1-Saison 2020 ausgetragen wird, endet die einstige Traumehe zwischen Vettel und Ferrari. Zwar blieb der deutsch-italienischen Kombination der WM-Titel verwehrt, mit 14 Rennsiegen rangiert Vettel in dieser Wertung aber auf Rang drei der ewigen Ferrari-Historie. Nur Michael Schumacher und Niki Lauda siegten öfter in Rot.

Ferrari & Vettel: Erfolgreich gescheitert

Trotzdem zieht Vettel ein hartes Schlussfazit: "Wir als Team haben in den vergangenen Jahren extrem viel probiert, aber unter dem Strich sind wir, wenn man es ganz hart formuliert, gescheitert - weil wir eben nicht gewonnen haben. Ich glaube, dass ich meinen Anteil daran hatte und habe. Deshalb freue ich mich auch darauf, dass im nächsten Jahr etwas Neues beginnt."

Sebastian Vettel wechselt 2021 von Ferrari zu Aston Martin, Foto: LAT Images
Sebastian Vettel wechselt 2021 von Ferrari zu Aston Martin, Foto: LAT Images

Etwas Neues. Aston Martin. Wenn 2021 aus Racing Point Aston Martin wird, wird Vettel zum Team hinzustoßen. Aus dem einstigen Jordan-Rennstall soll mit den Millionen von Investor Lawrence Stroll, dem Titelpartner Aston Martin, der technischen Hilfe von Mercedes, einer Budgetobergrenze und einem neuen Technischen Reglement 2022 ein Spitzenteam werden.

"Ich glaube, dass das neue Projekt sehr viele Chancen bietet", meint Vettel, der sich aber keine Illusionen macht: "Dass das nicht von heute auf morgen passieren wird, ist klar. Aber ich glaube an eine ganz andere Grundstimmung, eine andere Zielsetzung, um das Team nach vorne zu bringen. Mit der Erfahrung, die ich habe, und eben mit dem, was ich hinter dem Lenkrad bewegen kann."

Lange Zeit galt Ferrari als Vettels letzte Station in der Formel 1. Doch nun will es der Heppenheimer noch einmal wissen. Eine Vertragslaufzeit wurde bei der Bekanntgabe von Sebastian Vettel bei Aston Martin nicht genannt. Ein kurzes Intermezzo soll es aber nicht werden: "Ich bin jetzt 33, mit 40 möchte ich nicht mehr fahren. Also alles so zwischen drei und sieben Jahren könnte realistisch sein."