Lewis Hamilton ist zum siebten Mal Formel-1-Weltmeister, Mercedes zum siebten Mal, sogar in Folge, Konstrukteursweltmeister. In Imola und Istanbul fielen die wichtigsten Entscheidungen der F1-Saison 2020. Abgezeichnet hatten sich die Ergebnisse in beiden Fällen schon länger. Drei Grands Prix, zwei in Bahrain und das Saisonfinale in Abu Dhabi, stehen im Formel-1-Kalender allerdings noch bevor. Es geht um nichts mehr? Weit gefehlt! Welche Entscheidungen jetzt noch ausstehen.

Bottas vs. Verstappen: Wer wird Formel-1-Vize-Weltmeister?

Es erinnert an die Vorsaison. Hamilton hat den WM-Titel erneut klar vorzeitig für sich entschieden, diesmal sogar trotz eines um vier Rennen kürzeren Kalenders, Valtteri Bottas muss den Blick nach seiner schon länger erstickten WM-Chance in den Rückspiegel richten. Drei Rennen vor Saisonende liegt der Finne in der WM-Wertung 27 Punkte vor Max Verstappen. Das aufzuholen, ist bei 78 noch ausstehenden WM-Zählern realistisch. Bahrain und Abu Dhabi dürften dem Mercedes-Paket allerdings besser liegen als dem Red Bull RB16.

Formel-1-Fahrerwertung: Wer wird Best of the Rest?

Hinter den Top-3 tobt ein noch weitaus engerer Kampf um den Titel des Best of the Rest, des ersten Verfolgers der Mercedes- und Red-Bull-Fahrer. Halt. Des einen Red-Bull-Fahrers - Verstappens Teamkollege Alexander Albon rangiert in der Fahrerwertung alles andere als klar vor dem Mittelfeld, mischt hier nicht einmal ganz vorne mit. Bis dato 70 WM-Punkte für den Thai-Briten reichen vor dem abschließenden Tripleheader nur zum neunten WM-Rang.

Das ist gerade einmal genug, um überhaupt noch halbwegs realistisch auf P4 hoffen zu dürfen. Dort hat sich Sergio Perez mit exakt 100 Punkten breitgemacht. Charles Leclerc mit 97 Punkten und Daniel Ricciardo mit deren 96 rangieren nahezu auf Augenhöhe und dürfen sich dank steigender Formkurven bei Ferrari und Renault Chancen ausrechnen. Ebenfalls mit besseren Aussichten als Albon gehen die McLaren-Fahrer Carlos Sainz (75) und Lando Norris (74) ins Saisonfinale.

Pierre Gasly (63) sind allenfalls Außenseiterchancen einzuräumen, etwa durch ein zweites Sieg-Wunder wie in Monza.

Formel-1-Teamwertung: Wer wird Best of the Rest?

Mindestens genauso spannend ist der Kampf um den inoffiziellen Titel des Best of the Rest in der Teamwertung. Anders als in den Vorjahren geht es 2020 um einen Platz mehr. Ferrari fährt dieses Jahr nicht in der überlegenen ersten Liga mit Mercedes und Red Bull. Die Scuderia kann sich glücklich schätzen, durch das beste Saisonergebnis zuletzt in Istanbul überhaupt in den Kampf um den dritten Platz eingreifen zu können. Zuvor hatte man sich eher sorgen müssen, vor AlphaTauri, jetzt beruhigende 41 Punkte zurück, zu bleiben.

Mit 130 Punkten liegt Ferrari vor dem Schlusssprint der Saison allerdings weiter mit der schlechtesten Ausgangslage auf P6. 24 Zähler fehlen den Roten damit auf den ersehnten dritten Platz. Den bekleidet mit 154 Punkten aktuell Racing Point. Mit 149 Zählern ganz dicht dahinter lauert McLaren, Renault fiel durch nur einen mageren Zähler beim Türkei GP etwas zurück (136).

McLaren, Alfa, Haas & Williams: Wer gewinnt die engsten Teamduelle?

Nicht nur zwischen Fahrern und Teams, sondern auch teamintern stehen noch mindestens vier Entscheidungen aus. Bei so vielen Rennställen geht es derart eng zu, dass es ein Platztausch in der Fahrer-WM nicht unrealistisch erscheint. Zunächst handelt es sich dabei um McLaren. Mit 75:74 zwischen Sainz und Norris steht es in Woking Spitz auf Knopf. Jeder Big Point entscheidet.

Um Big Points geht es in den drei anderen Teamduellen nicht, allerdings sind diese mindestens genauso eng. Grund dafür ist vor allem, dass Alfa Romeo, Haas und Williams ohnehin maximal um glückliche Punktankünfte am Ende der Top-10 kämpfen. Bei Haas führt Romain Grosjean dank eines neunten Platzes auf dem Nürburgring mit zwei Punkten gegen Kevin Magnussen. Der Däne erzielte einzig für P10 in Ungarn einen WM-Zähler.

Nach Punkten unentschieden steht es bei Alfa-Sauber. Kimi Räikkönen und Antonio Giovinazzi gehen mit jeweils vier Punkten in die letzten drei Rennen. Der Iceman hat formal die Nase vorne, erzielte er seine Ausbeute durch zwei neunte Plätze, Giovinazzi durch nur einen neunten und zwei zehnte Plätze. Bei Williams geht es, ganz ohne Punkte, einzig und allein um die besseren Ergebnisse. Aktuell führt Nicholas Latifi dank drei elften Plätzen gegen George Russell, der nur in Mugello P11 erreichte.

Holt Williams noch einen Punkt?

Der Brite braucht somit mindestens zwei elfte Plätze aus drei Rennen, um an Latifi vorbeizuziehen - vorausgesetzt, der Kanadier legt gleichzeitig nicht mit zwölften Plätzen nach. Dann bräuchte Russell gleich dreimal P11 - oder schlicht diesen verflixten WM-Punkt holen. Anders als 2019 - Robert Kubica erzielte im Chaos von Hockenheim glücklich den einzigen Williams-Zähler des Jahres - fährt das Traditionsteam 2020 trotz deutlichen Aufschwungs ohne jedes Top-10-Ergebnis.

Für Russell persönlich bedeutet das: 35 - und damit alle - Siege im Quali-Duell gegen seine Teamkollegen in der Formel 1, aber auch 35 Rennen ohne Punkte. Schon Platz drei in der ewigen F1-Statistik. Beendet Russell den Fluch noch dieses Jahr?

Hält Alfa-Sauber P8?

In Istanbul pilotierten Kimi Räikkönen und Antonio Giovinazzi Alfa Romeo im Qualifying in die beste Ausgangslage des Jahres. Beide starteten aus den Top-10, verpassten dann allerdings die Punkteränge. Halb so wild, hieß es. Immerhin habe auch die Konkurrenz nicht gepunktet. Damit waren Haas und Williams gemeint. Fünf Punkte fehlen Haas (3), acht Williams (0) auf Alfa-Sauber (8). Das wirkt angesichts der geringen Aussichten aller drei Team beruhigend, nur ein echtes Chaos-Rennen könnte alles drehen.

Egalisiert Hamilton den nächsten Schumi-Rekord?

Nicht um eine Entscheidung, aber um einen weiteren Formel-1-Rekord geht es für Lewis Hamilton. Gewinnt der Brite auch die letzten drei Saisonrennen, würde Hamilton auf insgesamt 13 Saisonsiege kommen. Damit würde er den nächsten Rekord Michael Schumachers, aus der Saison 2004, egalisieren. Zuvor war das bereits Sebastian Vettel anno 2013 gelungen. Die Siegquote des Briten wäre allerdings besser, gibt es 2020 nur 17 Rennen. 2004 waren es 18, 2013 19. Hamiltons persönliche Bestleistung liegt bei elf Siegen. So oft gewann der Brite gleich dreimal (2014, 2018, 2019).

Behält Hamilton mit Jubiläum seine weiße Weste?

Einen weiteren Rekord kann Lewis Hamilton 2020 weiter ausbauen und zu einem Jubiläum führen: Beendet der Weltmeister die letzten drei Grands Prix in den Punkten, wäre Hamilton das 50 Mal in Folge gelungen. Zuletzt verpasste Hamilton in Österreich 2018 durch einen technischen Defekt die Punkte, direkt zuvor hatte er mit 33 Ankünften in den Punkten in Serie bereits einen neuen Rekord aufgestellt (zuvor Kimi Räikkönen mit 27). Gleichzeitig kann Hamilton so als einziger Fahrer des Jahres bei einer 100-Prozent-Quote der maximal möglichen Runden und Kilometer bleiben.

Kampf um letzte Formel-1-Cockpits für 2021

Zuletzt geht es einzig und allein um Empfehlungsschreiben. Fünf Cockpits sind für 2021 noch zu haben. Beide bei Haas, je eines bei Red Bull, AlphaTauri und Mercedes. Hamilton muss sich kaum empfehlen, hier geht es einzig und allein um die genauen Vertragsdetails (Gehalt eines jetzt siebenmaligen Weltmeisters ...). Bei allen anderen Plätzen gilt das dafür umso mehr.

Bei Red Bull sollte Alexander Albon in den letzten Rennen dringend Argumente sammeln, will er seinen Platz behalten. Seinem Konkurrenten Sergio Perez gelingt das immerhin regelmäßig, genauso galt das für Nico Hülkenberg bei dessen Auftritten als Ersatzfahrer. Daniil Kvyat kann sein Cockpit bei AlphaTauri unterdessen wohl nur noch durch regelrecht außerirdische Leistungen retten. Der Russe soll 2021 durch Formel-2-Fahrer Yuki Tsunodo ersetzt werden.

Der Japaner muss sich allerdings auch noch empfehlen - in Form von Superlizenzpunkten in den letzten beiden F2-Rennen des Jahres in Bahrain. Sportliche Argumente vorgelegt werden müssen in der Formel 2 allerdings auch - vonseiten der Ferrari-Junioren. Mick Schumacher, Robert Shwartzman und Callum Ilott streiten noch um einen F1-Platz bei Ferrari-Kunde Haas. F2-Leader Schumacher gilt derzeit als Favorit, gleich zwei Ferrari-Junioren als unwahrscheinlich. Das zweite Cockpit ist Gerüchten zufolge für Nikita Mazepin vorgesehen. Hier geht es eher um Argumente monetärer Natur.