Neue Perspektive auf eine für viele Formel-1-Zuschauer überraschend schwache Vorstellung Max Verstappens beim Großen Preis der Türkei 2020: Wie der Niederländer einer großen Zeitung in seiner niederländischen Heimat verriet, soll hinter seiner unerwartet schwachen Performance im Rennen in Istanbul - schlechter Start, Dreher, nur Platz sechs im Endergebnis - vor allem eine falsche Einstellung an seinem Red Bull RB16 gesteckt haben.

Verstappen, trotz seiner noch immer jungen Jahre längst berüchtigt als Meister derart unwirtlicher Bedingungen wie am gesamten Wochenende in der Türkei, bestätigte dieses Prädikat in den Trainings noch mit Bravour. Sämtliche Bestzeiten sicherte sich der 23-Jährige in den Trainings, gewann auch Q1 und Q2 des Qualifyings, einzig im Q3 geriet Verstappen durch einen in seinen Augen taktischen Fehler in Sachen Reifenwahl ins Hintertreffen, musste sich knapp dem Racing Point von Lance Stroll geschlagen geben.

Max Verstappen erlebt Türkei-Horror

Deshalb startete der Niederländer für viele Experten als klarer Favorit ins Rennen am Bosporus - erst recht, als es sich vor dem Start noch einmal so richtig eingeregnet hatte. Es kam anders. Schon am Start verlor Verstappen an Boden, blieb gefühlt in der Startbox stehen. Kein Grip, noch dazu Anti-Stall-Modus, gab der Red-Bull-Pilot nach dem Rennen zu Protokoll. Die Folge: Im ersten Stint steckte Verstappen hinter Sebastian Vettel fest, verlor Zeit auf die vorne wegfliegenden Racing Point.

Durch einen erfolgreichen Overcut gegen den Ferrari hatte sich Verstappen der roten Hürde entledigt, holte rasant auf Sergio Perez auf. Fast schon direkt im Getriebe des Mexikaners angekommen, leitete Verstappen daraufhin seinen Untergang selbst ein. In Kurve elf, dem Rechtsknick der langen Vollgaspassage im letzten Sektor, verlor der Niederländer beim Überholversuch das Heck seines RB16, drehte sich weg, zerstörte damit den gerade erst aufgezogenen Reifensatz, musste wieder an die Box und ruinierte so alle Chancen auf den Sieg.

Formel-1-Experten: Verstappen hat zu viel riskiert

Vor allem für diesen Fehler, später drehte sich Verstappen erneut, steckte der WM-Dritte Kritik zahlreicher Experten ein. Zu ungeduldig, ein Rückfall in alte Muster, hieß es. An der Stelle müsse man es im Regen eben nicht probieren, sagte etwa Sky-Deutschland-Experte Ralf Schumacher. „Max hat zu viele Fehler gemacht und hat zu viele Risiken in Kauf genommen“, sagte Schumachers Pendant bei RTL, Timo Glock. F1-Chefkritiker Jacques Villeneuve ergänze bei Sky Italia: „Ich sage seit zwei Jahren, dass Verstappen ruhig geworden ist, erwachsen wurde und wie ein Champion fährt, aber dieser Sonntag sah wieder aus wie seine Debütsaison.“

Formel-1-Sportchef Ross Brawn führte die Performance Verstappens - und anderer Youngster - schlicht auf mangelnde Erfahrung zurück. „Es war eine echte Herausforderung, einzuschätzen, wie die Reifen sich verhalten würden, wie sie sich entwickeln würden und vorherzusehen, wie es den Reifen in zehn oder zwanzig Runden ergehen würde - und da kam die Erfahrung ins Spiel“, schrieb der Brite in seiner obligatorischen F1-Kolumne zum Rennen.

Verstappen: Frontflügel auf einer Seite völlig falsch

Verstappen lässt sieht all das anders. Gut, eine Glanzleistung habe er zwar nicht gezeigt, gestand der Niederländer im Gespräch mit ‚De Telegraaf‘. „Zunächst möchte ich betonen, dass das nicht mein bestes Rennen war“, sagte Verstappen der Zeitung. Allerdings habe er unter erschwerten Voraussetzungen gelitten, verteidigte sich der Red-Bull-Fahrer.

Verstappen: „Alles lief schief. Mein Frontflügel stellte sich als völlig falsch eingestellt heraus. Auf der einen Seite hatte ich sieben Grad zu wenig! Das ist wirklich viel. Normalerweise passt du es nur um einen Grad an oder so. Was sollst du dann als Fahrer ausrichten? Dann funktioniert fast nichts.“ Red Bull bestätigte diese Aussagen laut F1.com.

Verstappen: Nicht übereifrig, konnte so nichts ausrichten

Übermotiviert sei er im Duell mit Perez auch nicht gewesen. „Ich wollte ihn nicht einmal überholen. Es lag nicht daran, dass ich zu eifrig war - ich konnte da nichts anderes machen“, sagte Verstappen. „Ich habe einfach versucht, dranzubleiben, aber plötzlich bin ich von der Strecke untersteuert. Da war es fertig. Danach bin ich in einem Zug gefahren. Der Zustand des Asphalts war auch lächerlich, und mit diesem Frontflügel-Setup kannst du da als Fahrer nicht mehr viel ausrichten.“

In direkter Folge der falschen, vor allem asymmetrischen Einstellung habe sein Bolide die Reifen schlicht viel zu sehr rangenommen.

Stroll: Auch Racing-Point mit Frontflügel-Erklärung

Eine ähnliche Erklärung, wie sie am Montag nach dem Rennen auch Racing Point im Hinblick auf Lance Stroll geliefert hatte. Der plötzliche Einbruch des Kanadiers zur Rennmitte soll auf einen Schaden an der Unterseite des Frontflügels zurückzuführen gewesen sein, ließ das Team wissen. Das habe den Luftfluss gestört und zu einem signifikanten Verlust an Abtrieb auf der Vorderachse geführt. So soll Stroll zu einem Opfer von schnellem Graining seiner Intermediate-Reifen geworden sein.