Mercedes hatte am rutschigen Formel-1-Freitag in der Türkei im Kampf um die Bestzeit nichts zu melden. In beiden Trainings waren Lewis Hamilton und Valtteri Bottas jeweils weit abgeschlagen. Die Weltmeister kämpfen auf dem neuen Asphalt des Istanbul Park Circuit mit den Reifen. Querfahren im F1-Auto zaubert Bottas trotzdem ein Lächeln ins Gesicht. Hamilton hingegen verflucht die kürzliche Modernisierung der Rennstrecke.

"Das ist große Scheiße", flucht Hamilton nach den ersten beiden Sessions in Istanbul. Der Brite beendete die Trainings auf den Positionen 15 und vier. Der 2005 eröffnete Kurs fand aufgrund der Coronavirus-Situation als Notnagel den Weg zurück in den Formel-1-Kalender und wurde unmittelbar vor der Rückkehr der Königsklasse neu asphaltiert. Die Folge: kein Grip und jede Menge Frust.

"Ehrlich gesagt war das heute ein Desaster. Ich verstehe es nicht, das ist so eine fantastische Rennstrecke und sie geben Millionen aus, um die Oberfläche zu erneuern. Wir waren lange nicht hier, aber sie hätten hier auch einfach saubermachen können, anstatt all das Geld zu verschwenden", schimpft Hamilton. Im FP1 war die Bestzeit von Max Verstappen mit 1:35.077 Minuten ganze elf Sekunden langsamer als der Streckenrekord von Juan Pablo Montoya aus dem Jahr 2005.

Istanbul eine Eisbahn, Bottas genießt Rutschpartie

"Die Strecke hier ist jetzt schlimmer als Portimao, wo wir auch den neuen Asphalt hatten und die Reifen gar nicht gearbeitet haben. Dort draußen ist es wie eine Eisbahn. Die Runde hier macht lange nicht so viel Spaß, wie es in Istanbul sonst der Fall ist", so Hamilton weiter. Der Teamkollege konnte dem Eiertanz hingegen einen gewissen Spaßfaktor abgewinnen.

"Das hatte mit dem normalen Fahrstil den wir in der Formel 1 haben nicht mehr viel zu tun, aber ich hatte Spaß beim Herumspielen. Das war ein Genuss", so der Rallye-affine Finne, der im zweiten Training mit drei Zehntelsekunden Vorsprung auf Hamilton die drittschnellste Rundenzeit markierte. "Es ist wichtig, bei diesen Bedingungen genug Temperatur in die Reifen zu bekommen, dann hast du gegenüber den anderen Fahrern einen Vorteil", erklärt er.

Keine Setup-Erkenntnisse: Hamilton nur mit Reifen beschäftigt

Das Arbeitsfenster der Reifen war letztendlich alles, womit sich Mercedes am Trainingstag beschäftigte. Daran, die Stärken des F1 W11 ins Spiel zu bringen, war für Hamilton nicht zu denken. "Ich habe den ganzen Tag über nicht eine einzige Sache am Auto geändert, denn wenn der Reifen nicht richtig arbeitet weißt du nicht, woher die Balanceprobleme kommen", sagt er.

Die Runde zusammenzubekommen war für Hamilton reines Glücksspiel: "Es war überall wie auf einer nassen Stelle, wenn du auf dem Slick beschleunigst und es plötzlich ausbricht. Diese Reifen arbeiten nur in einem bestimmten Fenster. Wenn du 10 oder 20 Grad darunter bist, arbeiten sie nicht, bist du 20 darüber arbeiten sie auch nicht. Aus irgendeinem Grund ist die Oberfläche hier so glatt. Ältere Rennstrecken haben einen offeneren Asphalt, der den Reifen mehr rannimmt."

Bei fünf Sekunden Differenz von der ersten bis zur letzten Position waren die Rundenzeiten für den sechsfachen Champion alles andere als aussagekräftig. "Man sieht, wie es bei anderen auf einmal funktioniert. Von einer auf die andere Runde findest du eine Sekunde, weil der Reifen in ein paar Kurven auf einmal arbeitet", so Hamilton. "Red Bull macht das sehr gut und wir müssen jetzt herausfinden, was wir ändern können."

Bottas sieht für Rennen wertlosen Freitag

Eines hatten trotz der großen Unterschiede wohl alle Teams gemeinsam. Der Soft-Reifen, in diesem Fall Pirellis C3-Mischung, funktionierte als einziger zumindest halbwegs. "Der hat sich nicht so schlecht angefühlt. Beim Aufwärmen hatten wir etwas Graining an der Vorderachse, aber er hat trotzdem den besten Grip geboten", gibt Bottas zu Protokoll.

Hamilton hingegen hätte angesichts dieser Zustände lieber gesehen, dass Pirelli den weichsten Compound C5 mitbringt. "Es hätte sicher geholfen, denn Hard ist unbrauchbar und Medium geht gerade so. Der Soft ist schon besser, aber wenn wir noch weicher gegangen wären, wäre es vielleicht besser", sagt er. Dass die Strecke noch besser wird und den Reifenmischungen entgegenkommt, glaubt er nicht: "Ich sehe nicht, dass sich das noch ändert."

Damit wären die Daten vom Freitag immerhin für einen Grand Prix bei diesem Grip-Level brauchbar. Bottas hingegen glaubt nicht, dass sich auf Basis der in den Trainings gefahrenen Runden schon etwas für den Sonntag erarbeiten lässt: "Ich denke, die Strecke wird sich über das Wochenende noch sehr entwickeln und wir können im dritten Training und im Qualifying noch viel lernen. Im Moment ist es sehr schwierig, schon eine Strategie für das Rennen zu entscheiden."