Das Formel-1-Comeback in Istanbul hatten sich die meisten Piloten anders vorgestellt. Weil die Strecke unmittelbar zuvor neu asphaltiert wurde, war das Grip-Niveau so niedrig, dass von den prognostizierten Rundenrekorden keine Spur war.

Am besten meisterte die schwierigen Verhältnisse Red Bull. Max Verstappen fuhr in beiden Sessions Bestzeit, im 1. Freien Training konnte sich sogar Teamkollege Alexander Albon direkt dahinter einsortieren.

Im 2. Freien Training lag der Thailänder eine Sekunde zurück, allerdings fuhr er seine schnellste Runde etwas früher in der Session, als die Strecke noch weniger Grip hatte. "Die Strecke hat sich unheimlich verbessert", verteidigt Dr. Helmut Marko.

"Aber auch im 2. Freien Training war der Grip noch sehr niedrig. Das ist sehr schade", wirft Max Verstappen ein. Der Niederländer kann aber noch am besten damit leben: "Insgesamt war es ein ziemlich positiver Tag, das Auto hat gut funktioniert und ich bin glücklich damit."

Marko feiert Verstappen nach Türkei-Trainings

"Das 1. Training war für mich außergewöhnlich. Es waren für alle die gleichen Bedingungen und niemand hat die Reifen auf die richtige Temperatur bekommen. Sie haben einen Eiertanz aufgeführt und den hat Verstappen am besten gemeistert", lobt Marko seinen Schützling.

In Portimao, als das Griplevel ähnlich schlecht war, hatte Verstappen noch größere Probleme mit den Bedingungen. "Weil er die Strecke zuvor noch mit seinem Porsche gefahren ist und ganz andere Erwartungen hatte. Durch die Neuasphaltierung konnte er die Strecke nicht wiedererkennen", erklärt Marko. "Deshalb war er dort das ganze Wochenende nicht gut drauf. Das war psychologisch, weil er mit irrsinnigen Erwartungen angekommen war."

In der Türkei gibt es ebenfalls ein neues Asphaltband, allerdings hat Verstappen im Vorfeld keinen Ausflug mit dem privaten Porsche unternommen. "Dort ist es für alle gleich", meint Marko. Und Red Bull scheint beim Setup auch noch am wenigstens danebengelegen zu haben, denn mit so wenig Grip hatte niemand gerechnet.

Red Bull schlägt Mercedes in der Highspeed-Kurve

Auf Valtteri Bottas im besseren der beiden Mercedes hatte Verstappen am Nachmittag knapp sechs Zehntelsekunden Vorsprung. Hamilton war sogar noch einmal fast drei Zehntel langsamer. Kurios: Red Bull gewinnt die Zeit auf Mercedes in der langgezogenen Kurve acht.

Eigentlich gingen alle davon aus, dass Kurve acht leicht mit Vollgas durchfahren werden kann. Der neue Asphalt macht das unmöglich. Diese Entwicklung kommt Red Bull entgegen. Denn bei Vollgas wäre der Motor-Nachteil größer als auf einer Geraden, weil die Kurvenfahrt zusätzlich Reibung erzeugt. Ein Fahrwiderstand, der vom Motor überwunden werden muss.

Red Bull mahnt vor Mercedes-Konter

Allerdings fürchtet Red Bulls Motorsportberater Dr. Marko: "Leider hatte Mercedes fast ausschließlich in Kurve acht Probleme. Wenn es nur eine Kurve ist, lässt es sich meistens beheben." Dazu kommt, dass Mercedes auch mit den neuen Motor-Regeln im Qualifying etwas Zeit gewinnt.

"Drei Zehntel vom Motor müssen wir noch abziehen - aber das würde uns noch immer reichen", rechnet Marko vor. Voraussetzung, Mercedes bekommt das Problem in Kurve acht nicht in den Griff. Und Voraussetzung, die Strecke entwickelt sich nicht drastisch. "Ich glaube nicht, dass sich das Griplevel drastisch erhöhen wird. Außerdem ist morgen Vormittag Regen vorhergesagt."

Auch Max Verstappen fabrizierte im Türkei-Training einen Dreher, Foto: LAT Images
Auch Max Verstappen fabrizierte im Türkei-Training einen Dreher, Foto: LAT Images

"Schlechter als im 1. Training kann es nicht werden", meint Verstappen. "Da war es noch viel schlechter als in Portimao." Von der Reinigungsaktion direkt vor Trainingsbeginn hält der 23-Jährige nicht viel: "Lasst uns das nicht mehr machen!" Der Versuch, Bitumen mit Wasserdruck aus dem Asphalt zu lösen, endete mit einer feuchten Fahrbahn.

Die Longruns sahen Red-Bull-untypisch auf den ersten Blick nicht besonders stark aus. "Das lag aber am Verkehr", erklärt Marko. "Wenn man den Verkehr rausrechnet, war Verstappen auch da vorne."