Die Formel 1 reist von Imola direkt zum nächsten Comeback der Saison 2020. Nach neun Jahren Pause wird der Zirkus erstmals wieder in Istanbul für den Türkei-GP Station machen, ein weiterer Ausnahme-GP der Ausnahme-Saison 2020.

Für den achten Türkei-GP der F1-Geschichte macht man sich große Hoffnungen, was das Racing angeht. Die Strecke in Istanbul ist bei den Fahrern beliebt, und soll ausreichend Überhol-Möglichkeiten bieten. Ungewissheit schwingt aber nach Umbauten mit, besonders neuer Asphalt gibt zu denken.

Formel 1 in Istanbul: Herausforderung wie in Portimao?

Als die Formel 1 2011 zuletzt in der Türkei gastierte, war es eine reifenmordende Angelegenheit. Sebastian Vettel fuhr mit einer Vierstopp-Strategie zum Sieg, insgesamt gab es über 80 Boxenstopps und 79 Überholmanöver. Pirelli stuft die Strecke auch 2020 weiterhin als höchst anspruchsvoll ein, besonders aufgrund der Highspeed-Linkskurve "Turn 8". Namenlos, aber beliebt, berühmt und berüchtigt - weil sie jenseits der 250-km/h-Marke durchfahren wird und fast voll geht, aber ewig lang ist und gleich drei Scheitelpunkte aufweist.

Die Fahrer rechnen damit, dass die Kurve mit den 2020er-Autos inzwischen voll geht. Pirelli, im Gedenken an die Belastung der Reifen, teilte den Teams wenig überraschend die härtesten Reifenmischungen zu, jeder wird mit sieben Sätzen C3, drei Sätzen C2 und drei Sätzen C1 auskommen müssen.

Aber die Rahmenbedingungen könnten Pirelli und die Teams vor eine große Herausforderung stellen. Denn das November-Wetter ist auch in Istanbul nicht sommerlich. Am Samstag und Sonntag sind Wolken angesagt, maximal 14 Grad Lufttemperatur und möglicher Regen. Hinzu kommt ein neuer Asphalt. Ein sehr glatter Asphalt, so die ersten Beurteilungen. Obendrauf fährt kein Rahmenprogramm die Strecke sauber. Die Formel 1 könnte sich daher in einer ähnlichen Situation wie zuletzt beim Portugal-GP wiederfinden.

Die Formel 1 beim letzten Türkei-Auftritt 2011, Foto: Red Bull
Die Formel 1 beim letzten Türkei-Auftritt 2011, Foto: Red Bull

Solche Bedingungen machen es schwierig, die Reifen ins gewünschte Temperaturfenster zu bekommen. In Portugal kämpften viele darum, überhaupt Grip zu finden, das droht in Istanbul wieder. Dass die Formel 1 vor Ewigkeiten schon einmal hier war, wird wegen diesen vollkommen neuen Umständen keine Hilfe sein. "Im Grunde genommen können wir es als eine für uns neue Rennstrecke betrachten", meint Pirellis Sportchef Mario Isola.

Formel 1: Showdown im Kampf um Team-WM-P3

Ein so schwer vorhersehbares Wochenende macht das Formel-1-Mittelfeld nervös. Renault (135 Punkte), McLaren (134), Racing Point (134) und Ferrari (103) befinden sich in einem gigantischen Kampf um den dritten Platz in der Team-WM, hier geht es um Preisgeld-Millionen. Um den prestigeträchtigen vierten Platz in der Fahrer-WM schlagen sich mit Daniel Ricciardo, Charles Leclerc, Sergio Perez, Lando Norris, Carlos Sainz, Alex Albon, Pierre Gasly und Lance Stroll noch mehr.

38 Punkte trennen diese Gruppen an Fahrern, und es gibt hier schnelle Wenden. Die Autos bewegen sich auf einem ähnlichen Level und die Upgrade-Runden haben fast alle Teams inzwischen abgeschlossen. Renault ist mit zwei Podien in drei Rennen das Team der Stunde. Upgrades gibt es keine mehr, und sie wollen das Auto fast verstanden haben. Nur in High-Downforce-Spezifikation haben sie Probleme, das Setup perfekt zu treffen.

Istanbul ist aber eine Kompromiss-Strecke, Renaults Chancen stehen daher gut. Racing Point spielt in der gleichen Liga, nur haben sie nach wie vor eine Tendenz zu Fehlern, was die Rennstrategie angeht. Außerdem steckt mit Lance Stroll einer ihrer Fahrer in einem Formtief, gepaart mit einer Pechsträhne.

McLaren war in den letzten Rennen zurückgefallen. Das Team baut auf ihr letztes großes Aero-Upgrade, aber die Fahrer brauchten mehrere Wochenenden, um damit warm zu werden. Auch in Imola fehlte Norris und Sainz das letzte Zehntel auf die Top-fünf. Allerdings tastet man sich langsam an die Limits des letzten Upgrades heran. Dessen Potential sehen sie als erwiesen an, und machen daher damit weiter.

Ferrari und AlphaTauri bleiben die Fragezeichen der Gruppe. Zumindest Charles Leclerc und Pierre Gasly sind Punktekandidaten. Beide Teams scheinen mit den letzten Upgrades den Schritt in die Hauptgruppe geschafft zu haben. Nur Sebastian Vettel findet in den letzten Ferrari-Rennen keine Antworten auf seine fehlende Performance.

Hamilton vor Schumacher-Titelrekord, Albon vor F1-Exit?

So eng der Kampf im Mittelfeld ist, so entschieden erscheint er an der Spitze. Mercedes hat die Team-WM bereits im Sack, Lewis Hamilton kann in der Türkei vier Rennen vor Schluss den siebten WM-Titel klarmachen und sich auf das Level von Michael Schumacher heben. Bottas' Chancen, ihn abzufangen, sind nur mehr theoretisch. Auch wenn der Finne zumindest Kampfgeist zeigte und in Imola auf einer Höhe mit Hamilton agierte, nur um die Siegchance durch Pech zu verlieren.

Red Bulls Chancen, um den Sieg zu kämpfen, bewegen sich auf dem gleichen Niveau wie in den letzten Wochen. Max Verstappen bleibt der Mitläufer, der auf Sonntagsglück hofft, und sonst sein übliches Podium einsackt.

Seinem Teamkollegen Alex Albon gilt die große Aufmerksamkeit. Die vom Management angegebenen Wochen, in denen er Leistung zeigen muss, laufen schnell ab. Nürburgring, Portimao, Imola - drei schlechte Auftritte dürften Albon inzwischen an den äußersten Rand des Abgrundes gedrängt haben.

Die Strecke in Istanbul

Einig sind sich alle Fahrer bei der Vorfreude auf das Türkei-Comeback. Der Istanbul Park Circuit gilt als eine der besten Schöpfungen des Architekten Hermann Tilke, nicht nur wegen der angesprochenen Kurve acht. Die Strecke hat mehrere Bergauf-Bergab-Passagen, und ein enges Kurvengeschlängel im ersten Sektor ist technisch anspruchsvoll.

Der Istanbul Park Circuit bietet Höhenunterschiede, Foto: Pirelli
Der Istanbul Park Circuit bietet Höhenunterschiede, Foto: Pirelli

Zwei DRS-Zonen gibt es, einmal auf der langen Geraden im hinteren Streckenteil, einmal auf Start-Ziel. Beide münden in enge Kurven, die sich zum Ausbremsen eignen. Das verspricht Überholmanöver. Einst war die Strecke als wellig verschrien, doch durch den neuen Asphalt sollte dieses Problem hinfällig sein.

Der Zeitplan zum Türkei-GP

Formel 1 am Vormittag heißt es für die mitteleuropäischen Fans. Aufgrund der Zeitverschiebung starten die Freitagstrainings um 09:00 Uhr und 13:00 Uhr, das Qualifying startet ebenfalls um 13:00 Uhr und das Rennen beginnt schon um 11:10 Uhr am Sonntagvormittag. Nach dem Zweitages-Experiment von Imola kehrt aber wieder der Standard-Dreitagesplan zurück.