Verfügt Sebastian Vettel bei Ferrari über das gleiche Material wie sein 2020 deutlich stärkerer Teamkollege Charles Leclerc? Diese Frage zählte in den vergangenen Wochen zu den beliebtesten Themen in der Formel 1. Ausgelöst hatte die Thematik der viermalige Formel-1-Weltmeister selbst. Nach dem Großen Preis von Portugal sorgte Vettel mit einer Aussage im TV-Interview mit RTL für internationale Schlagzeilen.

Vettel in Portimao: „Das andere Auto ist deutlich schneller. Dort, wo ich die Zeit verliere, beiße ich mir schon das ganze Jahr die Zähne aus. Nur irgendein Idiot kommt vielleicht nie dahin. Ob ich vielleicht ein kompletter Idiot bin? Das wage ich zu bezweifeln. Irgendwann sollte man ja mal Glück haben und die Kurve auch treffen, ich treffe sie nie. Und wenn, dann nur annähernd mit sehr viel Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite sieht das viel leichter aus.“

Ralf Schumacher: Ferrari braucht auch Vettels Punkte

Nur wenig später ruderte der Heppenheimer in Ferraris digitalem Call für Printmedien auf konkrete Nachfrage von Motorsport-Magazin.com direkt zurück. „Ich muss davon ausgehen, dass wir dasselbe Auto haben“, sagte Vettel. Eine Formulierung, die Interpretationsspielraum lässt. Gleichzeitig gab sich Vettel allerdings auch in späteren Äußerungen weiter vorsichtig.

Formel 1 2020: Vettel deutet Benachteiligung durch Ferrari an! (13:54 Min.)

Ganz anders Ralf Schumacher. Zwar geht der ehemalige Formel-1-Pilot und heutige TV-Experte bei Sky nicht von einer klaren Benachteiligung aus, allerdings kritisiert Schumacher die Scuderia durchaus für ihren Umgang mit Sebastian Vettel. „Es ist nicht zielführend, einen Fahrer zu benachteiligen, weil man von beiden Autos die Punkte braucht. Das kann keiner beweisen“, sagte Schumacher am Sonntagabend im ‚SPORT1 AvD Motorsport Magazin‘.

Schumacher: Vettel 2019 in manchen Rennen andere Klasse

Aber: „Fakt ist, man ist von Beginn an mit Vettel nicht gut umgegangen. Der erste große Bruch war letztes Jahr schon in Monza, nachdem sich das Team in der Windschatten-Affäre hinter Leclerc gestellt hat. Man hat sich damals schon in diese Richtung konzentriert und das Auto immer mehr in Richtung Leclerc entwickelt.“

Auch deshalb sieht der 180-fache GP-Starter Vettel im teaminternen Ferrari-Duell mit Leclerc in der Formel-1-Saison 2020 so eklatant im Hintertreffen. „Im letzten Jahr gab es Rennen, wo Vettel eine ganz andere Klasse war. Ich möchte nur an Kanada erinnern oder den Red Bull Ring. In Spielberg hatte er in diesem Jahr gar keine Chance. Das darf man nicht außer acht lassen. Beide sind sehr unterschiedlich vom Fahrstil her“, sagte Schumacher.

Schumacher: Ferrari hat Vettel außen vorgelassen

Allerdings dürfe man auch den Anteil Leclercs an diesem teaminternen Ungleichgewicht nicht vernachlässigen. Schumacher: „Was man Charles schon lassen muss, vielleicht wegen seines Managements oder weil er jünger ist: Er stellt sich gut auf die Situation ein. Wenn er Fehler macht, steht er dazu. Er ist in der Lage, das Ferrari-Team hinter sich zu bringen.“

Eine direkte Benachteiligung Vettels unterstellt Schumacher Ferrari damit dennoch nicht, allerdings werde sein Landsmann durchaus etwas vernachlässigt. „Das Team hat sich wirklich auf einen Fahrer konzentriert und Vettel etwas außen vorgelassen“, sagte Schumacher. Nach der Entscheidung durch Ferrari, den vierfachen F1-Weltmeister nach 2020 vor die Tür zu setzen, sei das nur noch mehr der Fall gewesen.

Wegen Wechsel: Vettel nicht mehr eingebunden?

„Ab einem bestimmten Punkt kriegt Vettel die Weiterentwicklung nicht mehr mit. Dem Sebastian wird nur noch gesagt, was er unbedingt wissen muss“, erklärte Schumacher. Soll heißen: Ferrari will verhindern, dass Vettel womöglich neue Erkenntnisse zu seinem nächstjährigen Rennstall Aston Martin mitnimmt.

Formel 1, Imola Q&A: Warum patzt Ferrari immer bei Vettel? (14:58 Min.)

Für Ferrari wiederum sei das gegenwärtig alles andere als förderlich, meint Schumacher. „Vettel hat dem Team schon oft per Funk gesagt, was sie besser machen können und auch Recht behalten. Daher ist es schon wichtig für Ferrari, so einen erfahrenen Mann zu haben“, sagte Schumacher. Anders als Ferrari habe Aston Martin genau das erkannt.

Schumacher: Anders als Ferrari schätzt Aston Vettels Erfahrung

„Es ist für Sebastian der richtige Schritt. Es ist eine kleine kompakte Truppe, die ihn unbedingt haben will und seine Erfahrung schätzt“, sagte Schumacher. „Das Team muss noch viel lernen. Die haben ein super Paket entwickelt und das Auto hat deutlich mehr Potenzial als es das manchmal zeigt. Aber sie machen noch viele Fehler.“