Ferrari ist es in der Formel-1-Saison 2020 tatsächlich gelungen, die desaströse erste Hybrid-Saison in der Königsklasse noch einmal zu unterbieten. Vor sechs Jahren blieb das Team aus Maranello zwar genauso sieglos und kam nicht über mehr als die bis dato erneuten zwei Podestplatzierungen hinaus, hangelte sich im WM-Endstand allerdings noch auf den vierten Gesamtrang. Dafür bräuchte es gegenwärtig ein gewisses Wunder.

Vier Rennen vor Saisonende rangiert die Scuderia (103 Punkte) im WM-Stand gerade einmal auf dem sechsten Rang und spürt mit einem Vorsprung von 14 Punkten auf AlphaTauri (89) sogar mehr den Atem eines Verfolgers im Nacken, als die besser Klassierten unter Druck zu setzen. Renault (135), McLaren und Racing Point (beide 134) sind realistisch kaum noch abzufangen.

Ferrari zufrieden mit Updates, Motor-Defizit bleibt

Dank sukzessiver Upgrades für den Ferrari-SF1000 zeichnete sich über die vergangenen Rennen hinweg immerhin ein leichter Aufwärtstrend ab, zumindest bei Charles Leclerc. Auf nur fünf Punkte ausgerechnet aus dem Tripleheader Spa-Monza-Mugello (4 Leclerc, 1 Vettel), also inklusive zweier Ferrari-Heimrennen in Italien, folgten zuletzt 37 Zähler binnen vier Rennen (36 Leclerc, 1 Vettel).

Die mutmaßlich größte Baustelle Ferraris anno 2020 jedoch blieb eine andere. Die Power Unit ist - nach der wenig ruhmreichen wie transparenten Einigung mit der FIA in Sachen Legalität im Winter - in dieser Saison alles andere als der Wunder-Motor des Vorjahres. Das zeigen auch die Kundenteams. Alfa Romeo und Haas fahren mit Ferrari-Motoren 2020 ebenfalls hinterher.

Ferrari-Teamchef gibt zu: Haben 2020 nicht den besten Motor

Dass die Power Unit aus Maranello sich 2020 vor der Konkurrenz verstecken muss, daraus macht selbst das gerade auf diesem Gebiet historisch so stolze Ferrari [„Aerodynamik ist für Leute, die keine Motoren bauen können“ - Enzo Ferrari] keinen Hehl mehr. „Gegenwärtig haben wir nicht den besten Motor, das stimmt“, bestätigte Teamchef Mattia Binotto erst zuletzt in Imola.

Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wie der Italiener versicherte, läuft die Entwicklung für 2021 nicht nur auf Hochtouren, sondern lieferte bereits positive Ergebnisse. „Ich denke, dass wir nächstes Jahr qua Reglement eine komplett neue Power Unit haben dürfen. Bei Ferrari haben wir sehr viel investiert, die Power Unit für 2021 und für 2022 noch mehr weiterzuentwickeln“, sagte Binotto in Imola. Anders als das zum Großteil eingefrorene Chassis darf Motoren-seitig für 2021 komplett frei entwickelt werden.

Mattia Binotto: Ferrari-Motor für 2021 vielversprechend

Angesichts des aktuellen Rückstands eine für Ferrari existenzielle Freiheit, die sich offenbar bereits auszahlt. Binotto: „Der Motor läuft gegenwärtig auf dem Prüfstand und ich denke, dass das Feedback sehr vielversprechend ist, sowohl in Sachen Performance als auch Zuverlässigkeit.“ Aber der kommenden Saison halten in der Formel 1 durch Sparmaßnahmen allerdings zeitliche Obergrenzen für die Motorenprüfstände Einzug, ähnlich der seit Jahren wirkenden Beschränkung der Zeit im Windkanal.

Ferrari muss also auch hier etwas lernen, wofür die Scuderia nicht gerade bekannt ist: Effizienz. Binotto nimmt das als sportliche Herausforderung. „Wir haben Prüfstand-Begrenzungen [für 2021] und es ist jetzt an uns, effizient darin zu sein, wie wir all unsere Tests auf dem Prüfstand planen und kreativ darin zu sein, wie wir an die Tests herangehen“, sagte Binotto. „Aber ich denke, dass wir selbst mit ein paar Beschränkungen des Betriebs auf dem Prüfstand noch Raum für Verbesserung haben und ich denke, dass ich sehr zufrieden mit den Ergebnissen bin, die ich heute auf dem Prüfstand sehe“, betonte der Italiener erneut.

Binotto: Mehr Fabrik, weniger Strecke

Für die Zukunft plant Binotto unterdessen, seine Präsenztage in der Fabrik zu erhöhen. „Du musst deine Aufgaben zwischen dem Geschehen an der Strecke und in der Fabrik balancieren. Die Fabrik ist wichtig, dort entwickeln wir die Autos und bereiten sie vor“, erklärte Binotto in Imola. Schon das Saisonfinale 2020 könnte der Ferrari-Teamchef deshalb nicht immer an der Strecke verbringen.

„Ich werde nicht bei allen Rennen vor Ort sein“, sagte Binotto zunächst angesichts des für 2021 geplanten Rekord-Kalenders mit 23 Formel-1-Rennen. „Schon 2020 überlege ich, ob ich ein paar der letzten Rennen der Saison auslasse, angefangen mit der Türkei“, ergänzte Binotto. „Nächstes Jahr wird das noch mehr der Fall sein. Wenn du für ein ganzes Team verantwortlich bist, dann ist ganz sicher das Rennwochenende wichtig, aber das Management und Team als Ganzes wird eben wichtiger und wichtiger. Deshalb müssen wir Anpassungen vornehmen, wenn es mehr Rennen werden“

Mit noch mehr Rennen will Ferrari deshalb auf eine Art Rotationsprinzip beim Personal an der Strecke setzen. „Die Anzahl von Rennen zu erhöhen, macht es härter und härter für Logistik, Ingenieure und Mechaniker“, sagte Binotto. „Wir planen für alle Leute, bei denen es möglich ist, einen Personalwechsel. Das ist der beste Weg, um sicherzustellen, dass wir mit dem richtigen Level von Effizienz, Konzentration und Fokus gehen.“ Einen ähnlichen Ansatz kündigte zuletzt Toto Wolff auch für Mercedes an. Ein gewisser harter Kern sei allerdings unabdingbar - für alle Events.