Mercedes auf eins und zwei. Die Formel 1 ist gelangweilt von der Mercedes-Dominanz, die 2020 erdrückender ist als die Jahre zuvor. Doch während die Silberpfeile die Entwicklung für die aktuelle Saison schon aufgegeben haben, legt Red Bull noch Briketts nach. Beim Portugal GP kam Max Verstappen der Pole Position so nah wie die ganze Saison noch nicht.

Red Bull robbt sich heran: Schon am Nürburgring kam Verstappen näher ran als je zuvor in 2020, in Portimao konnte er noch eine Schippe drauflegen: 0,252 Sekunden fehlten ihm auf Lewis Hamilton und Startplatz eins. Genau anderthalb Zehntelsekunden auf Valtteri Bottas und Startplatz zwei. So geht Verstappen heute Mal wieder von Platz drei aus ins Rennen (Start heute um 14:10 Uhr).

Wenn Red Bull im Qualifying schon nah dran ist, dann erst recht im Rennen. So lautet seit Jahren ein ungeschriebenes Gesetz. Aber hat diese Binsenweisheit auch nach der Technischen Direktive rund um die Motormodi ihre Richtigkeit? Hat Red Bull im Qualifying gewonnen und dafür im Rennen verloren?

Mercedes kann schon in Portugal Weltmeister werden

"Ich denke nicht, dass sich da so viel verändert hat, um ehrlich zu sein", meint Max Verstappen. "Du kannst deutlich sehen, dass es uns nicht viel näher herangebracht oder weiter zurückgeworfen hat." Hamilton stimmt zu: "Es hat sich diesbezüglich nichts geändert. Sie hatten nur letzten Rennen ein gutes Upgrade, deshalb sind sie im Qualifying näher dran. Ich musste schon am Nürburgring ernsthaft Gas geben, damit Max nicht in meine DRS-Zone kam."

Allein das macht Hoffnung auf ein spannendes Rennen. Aber es gibt noch mehr Faktoren, die den vorzeitigen Gewinn der Konstrukteursweltmeisterschaft von Mercedes verhindern könnten. Die Silberpfeile müssten dafür 40 Punkte mehr holen als Red Bull. Doch Verstappen könnte schon verhindern, dass Mercedes überhaupt mehr als 40 Zähler holt.

Keine Longrun-Daten für den Portugal GP 2020

Longrun-Daten gibt es nicht. Ein Reifentest von Pirelli und zwei rote Flaggen verhinderten das Sammeln relevanter Daten. Im 3. Freien Training war nicht genügend Zeit, die Longruns vom Freitag komplett nachzuholen. Der ein oder andere fuhr noch einen kurzen Dauerlauf, vergleichbare Daten gibt es aber nicht.

Das macht die unterschiedliche Reifenwahl am Start umso interessanter: Während sich Lewis Hamilton und Valtteri Bottas auf den Medium-Pneus für Q3 qualifizierten, wählte Red Bull bei Verstappen den Soft-Compound.

"Die große Unbekannte sind morgen die Longruns. Wir haben uns dafür entschieden, mit beiden Autos auf den Medium-Reifen zu starten. Dadurch sind wir bei der Strategie ein bisschen flexibel. Außerdem fanden wir den weichen Reifen auf dem Longrun heute Vormittag recht anfällig", erklärt Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin.

Formel 1, Portugal: Vettel erwartet Murks-Rennen (12:14 Min.)

Teamchef Toto Wolff sieht es eher pessimistisch: "Verstappen startet auf den Soft-Reifen und hat noch einen frischen Medium-Reifensatz für das Rennen. Dadurch hat er einige andere Strategiemöglichkeiten."

Pirelli rechnet mit einer klaren Einstopp-Strategie. Die Italiener wählten für den ersten Portugal GP in Portimao die härtesten Reifen aus dem Regal. Entsprechend sollen auch die Softs halten. Die schnellste Strategie ist laut Pirelli ein Start auf Medium und dann gegen Runde 32 ein Wechsel auf Hard. Nicht viel langsamer soll aber ein Start auf Soft und ein Wechsel auf Hard in Runde 18 sein.

Red Bull muss Chance am Start nutzen: Topspeed schwach

Der Start auf Soft könnte sich aber für Verstappen auszahlen: Das Aufwärmen der Reifen ist auf dem kniffligen Asphalt des Algarve Circuits besonder schwer. Mercedes hat mit DAS einen kleinen Vorteil, doch Hamilton fuhr seine Pole-Zeit wohlgemerkt im zweiten Versuch. Dazu kommt der Vorteil der Soft-Reifen direkt am Start. Mercedes muss den Start und die ersten Runden fürchten.

FahrerAutoMotorkm/h
SainzMcLarenRenault330,0
GiovinazziAlfa RomeoFerrari329,6
RussellWilliamsMercedes327,2
PerezRacing PointMercedes327,0
HamiltonMercedesMercedes327,0
NorrisMcLarenRenault327,0
RicciardoRenaultRenault326,4
OconRenaultRenault326,3
StrollRacing PointMercedes326,0
BottasMercedesMercedes325,5
VettelFerrariFerrari325,0
RaikkonenAlfa RomeoFerrari324,6
MagnussenHaasFerrari324,5
KvyatAlphaTauriHonda323,9
LatifiWilliamsMercedes323,2
GaslyAlphaTauriHonda323,0
GrosjeanHaasFerrari322,6
AlbonRed BullHonda319,1
LeclercFerrariFerrari317,5
VerstappenRed BullHonda317,3

Danach wird es für Red Bull schwierig. Mercedes baute den F1 W11 über Nacht etwas um und setzte auf mehr Abtrieb. "Das hat uns bei der Balance und dem Grip geholfen, dafür aber ein wenig an Topspeed auf der Geraden gekostet", so Shovlin. Die schlechte Nachricht für Red Bull: Mercedes war auf den Geraden noch immer deutlich schneller. Verstappen war sogar am langsamsten an der Messstelle. Überholen dürfte in Portugal ohnehin schwer werden, mit diesem Topspeed fast unmöglich.

Aber: Red Bull darf auch auf das Wetter hoffen. Die Meteorologen sagen kühlere Temperaturen voraus. Das dürfte Mercedes beim Warmup der Medium-Reifen das Leben zusätzlich erschweren. Und: Es gibt sogar ein geringes Regenrisiko. Allerdings sagen die Prognosen, dass die Schauer erst kurz nach dem Rennen kommen. Der Wind macht die Vorhersagen an der Algarve aber etwas ungenau.