Der Schock sitzt tief: Honda wird die Formel 1 Ende 2021 als Motorenhersteller verlassen. Es ist ein Schock für alle Beteiligten. Eine Entscheidung, die für die Formel 1 existenzielle Folgen haben kann. Gerade erst war die Königsklasse des Motorsports im Aufschwung: Budgetobergrenze, neues Technisches Reglement, Concorde Agreement. Die Weichen für die Zukunft sind eigentlich gestellt.

Und dann platzte die große Honda-Bombe, Tokyo zieht den Stecker aus der Formel 1. Für die Serie ist das fast der Super-GAU: Im schlimmsten Fall verliert die Königsklasse des Motorsports nicht nur einen von vier Motorenhersteller, sondern vor allem zwei Teams.

Seit 2018 fährt AlphaTauri mit Honda-Motoren, seit 2019 auch Red Bull. Auch wenn der einstige Dauerweltmeister ab und an ein PS-Defizit auf Klassenprimus Mercedes beklagt, im Grunde ist man in Milton Keynes und vor allem in Fuschl mit der aktuellen Konstellation zufrieden.

Red Bull ist erstmals Werksteam, bekommt das V6-Aggregat im Heck maßgeschneidert für die eigene Newey-Konstruktion. Dazu gibt es noch ein paar Sponsoren-Millionen, statt Leasinggebühren im zweistelligen Millionenbereich. Red Bull kann mit dem Status-quo gut leben.

Nicht immer war die Stimmung bei Red Bull und Renault so gut, Foto: Renault
Nicht immer war die Stimmung bei Red Bull und Renault so gut, Foto: Renault

Der Weg dorthin war aber steinig: 2015 trennte man sich bereits vom damaligen Motorenpartner Renault, um sich schließlich mangels Alternativen wieder zusammenraufen zu müssen. Red Bull musste bitten und betteln, um überhaupt einen Motor zu bekommen. In eine solche Situation wollte man sich nie wieder begeben.

Das Honda-Aus bringt die Österreicher aber zwangsläufig wieder in eine solche Position. Zurück zu Renault? Sicherlich nicht die Wunschvorstellung von Dr. Helmut Marko und Co. Klappt die Mercedes-Ehe im zweiten Anlauf? Fraglich, zumal Mercedes beim aktuellen Status nicht einmal beide Red-Bull-Rennställe beliefern dürfte. Ferrari? Schwer vorstellbar.

Red Bull kokettiert mit Formel-1-Ausstieg

Deshalb betonte Dr. Helmut Marko zuletzt stets die Option im neuen Concorde Agreement, am Ende jeder Saison aussteigen zu können. "Der Honda-Deal ist etwas Entscheidendes", sagte er dazu im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Als das Honda-Aus besiegelt war, hörte sich das schon etwas anders an. "Wir werden mit unseren Teams daran arbeiten, die konkurrenzfähigste Power Unit Lösung für 2022 und danach zu finden. Wir haben uns dem Sport verschrieben und unsere Teams haben beide das aktuelle Concorde Agreement der Formel 1 unterzeichnet", so Marko.

Immerhin: Wenn Red Bull weitermachen will, einen Motor bekommen sie auf jeden Fall. Inzwischen ist in Anhang 6 des Sportlichen Reglements geregelt, dass Motorhersteller unter gewissen Voraussetzungen ein Team beliefern müssen. Die Voraussetzungen wurden genau definiert und mit einer Formel untermauert:

T = (11-A)/(B-C)

A ist dabei die Zahl der Teams, die einen Vertrag mit einem neuen Motorhersteller haben
B ist dabei die Anzahl der insgesamt involvierten Motorhersteller
C ist dabei die Zahl von neuen Motorherstellern

Was in der Theorie kompliziert klingt, ist in der Praxis einfach: Ein neuer Motorhersteller ist für 2022 derzeit nicht absehbar. Somit wären A und C gleich 0. B würde dann von vier auf drei sinken. Für T ergibt sich damit ein Wert von 3,67. Das Reglement schreibt - egal wie die Dezimalstellen aussehen - immer ein Aufrunden vor. Somit wäre der Wert von T gleich vier.

Aber was ist T? T ist die Zahl der Teams, die ein Motorhersteller mindestens beliefern muss, wenn die FIA danach verlangt. Mercedes hätte für 2022 mit dem Werksteam, Racing Point, Williams und McLaren bereits vier Teams. Ferrari beliefert - nach aktuellem Stand - neben dem eigenen Team noch Alfa Romeo und Haas. Renault hat nur das Werksteam.

Könnte Red Bull keinen Partner finden, springt die FIA ein. Dann wird der Hersteller verpflichtet, der aktuell am wenigsten Teams beliefert. Das wäre in diesem Fall Renault. Für Red Bull und AlphaTauri würde es so zur erneuten Zwangsehe mit den Franzosen kommen.

Mit Renault hat Red Bull nicht die besten Erfahrungen, Foto: Sutton
Mit Renault hat Red Bull nicht die besten Erfahrungen, Foto: Sutton

Definitiv kein ideales Szenario, zumal Red Bull für die Triebwerke aus Viry auch noch 15 Millionen Euro bezahlen müsste - je Team. Das bestehende System dürfte für die Bullen keine zufriedenstellende Lösung bieten.

Gibt es Alternativen? Ein neuer Hersteller ist nur bedingt in Sicht. Volkswagen-Boss Herbert Diess flirtete zuletzt zwar öffentlich mit der Formel 1, ein Einstieg 2022 käme aber zu früh. Auch wenn der Konzern einen Hochleistungs-Effizienz-Motor bereits im Porsche-Regal stehen hätte: Ob das Aggregat 2022 einsatzbereit und auf dem Niveau der Konkurrenz wäre? Fraglich.

Hondas Formel-1-Motor noch nicht tot

Die Regeln kommen Red Bull etwas entgegen. Die Motoren werden sukzessive eingefroren. Für 2021 ist nur eine Ausbaustufe im Vergleich zu 2020 erlaubt. Honda hat versprochen, in der kommenden Saison noch einen neuen Motor zu bringen. Somit muss Red Bull zumindest 2021 nicht fürchten. Während der Saison darf ohnehin niemand Upgrades bringen, wenn neue Teile bereits zu Saisonbeginn eingesetzt werden.

Auch in den darauffolgenden Jahren ist die Entwicklung der Motoren eingeschränkt. Von Saison zu Saison sind sukzessive weniger Updates erlaubt. 2025, in der letzten Saison des Motorenreglements, sind die Triebwerke sogar komplett eingefroren und müssen auf dem 2024er Stand eingesetzt werden.

Wird der Honda-Motor von einem anderen Hersteller weiterentwickelt?, Foto: Honda
Wird der Honda-Motor von einem anderen Hersteller weiterentwickelt?, Foto: Honda

Möglicherweise könnte eine dritte Partei den 2021er Honda-Motor übernehmen, neu benennen und weiterentwickeln. Die Forschungs- und Entwicklungszentrale im japanischen Sakura dürfte keine Alternative sein, der Einsatzstandort Milton Keynes hingegen schon. Ein Konzern könnte seinen Namen auf den Motor pinseln. Ross Brawn machte das schon 2008 so, als er den Rennstall von Honda übernahm. Andy Cowell, Mercedes' scheidender Motorenboss, könnte eine interessante Personalie in dieser Konstellation werden.

Verlässt Max Verstappen Red Bull?

Red Bulls Situation ist nicht gut, aber sie ist nicht aussichtslos. Allerdings könnte eine weitere Baustellte hinzukommen: Max Verstappen. Der Niederländer hat noch vor der Formel-1-Saison 2020 bis einschließlich 2023 bei den Bullen verlängert - aber mit Ausstiegsklausel.

"Im Prinzip ist es ein fixer Vertrag, wo bei normalem Verlauf eigentlich alles geregelt ist", sagte Dr. Helmut Marko im Winter zu Motorsport-Magazin.com. Im Prinzip heißt aber, dass es eine Klausel gibt. "Wir haben einen Vertrag mit Honda bis 2021. Ein Formel-1-Auto ohne Motor ist schwierig. Letztlich hatten wir immer einen aber letztlich ist auch klar, dass wir einen konkurrenzfähigen Motor brauchen", erklärte Marko.

2021 ist Verstappen noch fest an Red Bull gebunden. 2022 könnte er aufgrund des Honda-Ausstiegs das Team wohl verlassen. Damit ist nicht nur für Spekulationen auf Motorenseite gesorgt, sondern auch auf dem Fahrermarkt.

Honda-Schock! Steigt auch Red Bull aus der Formel 1 aus? (16:16 Min.)