Ein neues Franchise-System greift ab der Saison 2021 in der Formel 1. In den neuen, ab dem kommenden Jahr gültigen F1-Verträgen zwischen den zehn aktuellen Teams, der FIA und dem kommerziellem Rechteinhaber Liberty Media - noch immer besser bekannt als ‚Concorde Agreement’ - wurde definiert, dass ab sofort jeder Neueinsteiger in die Königsklasse 200 Millionen US-Dollar Antrittsgebühr zahlen muss.

Die Kosten, um einen neuen Rennstall auf die Beine zu stellen, sind also immens hoch. In den 200 Millionen sind Kosten wie für Personal, Infrastruktur oder Fahrzeugentwicklung nicht inkludiert, sie sichern einzig und allein das Recht auf einen Platz in der Startaufstellung. Die Ausgaben für die eigentliche Formierung eines Formel-1-Teams kommen also erst noch hinzu.

Formel 1 soll nicht verwässern

Eine hohe Hürde für Formel-1-Einstiege. Hintergrund: Die Formel 1 soll nicht verwässern, will fragwürdige und unterfinanzierte Neueinsteiger verhindern. Deshalb werden die 200 Millionen auch als „Anti-Verwässerungs-Gebühr“ bezeichnet.

Allerdings geht es nicht nur um das Image der Formel 1 und die Qualität potenzieller Neueinsteiger, sondern auch eine finanzielle Absicherung bestehender Teams. Bei einem Neueinstieg würde die Formel 1 die eingenommenen 200 Millionen US-Dollar anteilig an die bestehenden zehn Teams weitergeben - als Kompensation dafür, dass mit einem neuen Team auch die Ausschüttung der Preisgelder für jedes bestehende Team geringer, sprich verwässern würde.

Formel-1-Teams loben neues Franchise-System

„Die Anti-Verwässerungs-Zahlung ist im weiteren Sinn etwas, das ich für wichtig für den Sport halte“, sagte im Rahmen des Russland GP Cyril Abiteboul. „Das macht den Zugang zur Formel 1 für jedes Team, das über die zehn hinausgeht, etwas schwieriger. Das halte ich für richtig. Es ist wie die Premier League des Motorsports, wie die NBA. Es muss dieses Franchise-System geben und mit der Budgetgrenze und diesem Mechanismus gelangen wir dahin.“

Damit schloss sich der Renault-Teamchef der Meinung anderer Teams an. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und McLaren-CEO Zak Brown hatten sich bereits bei Bekanntwerden dieser neuen Mechanik Mitte September ähnlich geäußert.

Renault 2021 ohne Partner: Einstiegshürde erschwert Suche

McLaren ist gleichzeitig der Grund, warum Renaults Standpunkt überraschen mag. Immerhin verlieren die Franzosen das Team aus Woking nach 2020 als Motorenkunden und stehen ab 2021 ganz allein. Acht Autos werden ab der kommenden Saison mit Mercedes-Power fahren, sechs mit Ferrari-Antrieb, vier mit Honda - und zwei mit Renault, nur die Werksboliden also. Ein möglicher Nachteil, sammelt Renault so etwa sehr viel weniger Daten auf der Strecke als die Konkurrenz. Noch dazu geht der Trend in der Formel 1 ohnehin zunehmend in Richtung immer engerer Kooperationen. Ob nun mit Red Bull und AlphaTauri, Ferrari und Haas oder Mercedes und Racing Point. Nur Renault ist außen vor.

Die hohe, neue Einstiegshürde hilft da nicht gerade, diesen Status Quo zu ändern. „Es ist eine wichtige Zutat, aber es beschränkt vielleicht unsere Möglichkeiten, ein Partnerteam zu finden“, bestätigte Abiteboul. Neue Kunden im bestehenden Grid erscheinen derzeit nämlich unwahrscheinlich. „Unser Vertrag mit Ferrari ist noch aktiv, wir müssen ihn dieses Jahr nicht erneuern. Der Vertrag läuft noch bis Ende nächsten Jahres, also haben wir genug Zeit, um zu überlegen, wie wir dann weitermachen“, sagte in Sotschi Haas-Teamchef Günther Steiner auf Nachfragen, ob sich Haas angesichts der 2020 in Sachen Performance stark zurückgefallenen Power Units aus Maranello nach einem neuen Partner umschaue.

Ferrari-Motoren zu schlecht? Haas bleibt loyal

Das scheint allerdings auch für die Jahre ab 2022 kaum der Fall. Loyalität geht vor beim US-Team. Haas ist nicht nur Motorenkunde Ferraris, sondern auch technischer Partner, bezieht alle Teile, die das Reglement erlaubt, direkt von den Roten. „Sie waren entscheidend dafür, uns hierher zu bekommen und sie haben da einen guten Job gemacht“, erinnerte Steiner an Ferraris Starthilfe beim Einstieg Haas’ in die Formel 1.

Steiner weiter: „Jetzt sind sie ein wenig in Schwierigkeiten. Es werden hoffentlich kurzzeitige Schwierigkeiten sein, aus denen sie herausfinden. Ferrari ist immer zurückgekommen. Es ist nicht sehr ethisch, bei der ersten Gelegenheit abzuspringen, wenn dir ein Hindernis in den Weg kommt, denn ohne sie wären wir nicht hier.“

Noch dazu könne ein Wechsel im ohnehin dezentral organisierten Haas-Team zu logistischen Problemen führen. „Dann müssten wir alles nach England verlagern und das wäre auch nicht umsonst“, sagte Steiner über einen potenziellen Wechsel zu Renault, der über reines Liefern von Motoren hinausginge. „Deshalb ist es für uns momentan die beste Lösung, hart mit Ferrari an der Zukunft zu arbeiten und uns nicht ablenken zu lassen. Aber wenn ein Hersteller auftaucht und es [eine Power Unit] uns kostenlos anbietet, hören wir gerne zu“, scherzte der Haas-Teamchef.

Neuauflage Williams-Renault?

Ein weiteres potenziell interessantes Partner-Team für Renault: Williams. Ursprünglich Mercedes’-Motorpartner Nummer eins - zu Beginn der Hybrid-Ära auch sehr erfolgreich -, intensivierten sich zuletzt mehr die Beziehungen der Silberpfeile mit Racing Point. Die Rückkehr der klangvollen Allianz McLaren-Mercedes kommt ab 2021 hinzu. Wäre es für Williams da nicht besser, bei Renault als einziger Partner ungeteilte Aufmerksamkeit zu erfahren? Noch dazu würde auch das zu einer Neuauflage einer alten Erfolgsgeschichte führen.

Gesprochen habe man mit den neuen Teambesitzern Dorilton Capital darüber aber nicht, negiert Interims-Teamchef Simon Roberts. „Sie sind sich den Vor- und Nachteilen von Partnerschaften zwischen Teams bewusst. Aber wir sind mit Mercedes sehr eng“, bekräftigte Roberts bei den Kollegen von ‚racefans.net’. Ob der Vertrag verlängert werde, sei offen [läuft ohnehin langfristig, bis 2025] - und ganz einfach einer von vielen strategischen Aspekten, die Williams unter den neuen Eigentümern aktuell analysiert. Roberts: „Es gibt keine finale Entscheidung.“

Neuer Williams-Eigner ambitioniert: Wollen kein B-Team

In einem Punkt besteht allerdings Klarheit: „Wenn es um Visionen und Ambitionen geht, dann will Dorilton nicht, dass wir ein B-Team werden.“

Schlechte Nachrichten also für Renault. Oder auch nicht. „Ehrlich gesagt suchen wir auch nicht aktiv [nach einem Partner]", sagte Abiteboul in Russland, gestand allerdings auch: "Wir denken, dass es eine gute Ergänzung wäre - jetzt, da wir einen langfristigen Plan und ein langfristiges Bekenntnis zum Sport haben. Wir sind offen für alle Möglichkeiten.“

Renault stellt Bedeutung von B-Teams in Frage

„Aber es ist nicht so, dass wir aktiv danach suchen. Einfach, weil wir in viele Kunden-Arrangements involviert waren [etwa mit Red Bull] und es noch immer nicht so klar ist, dass es dir etwas bringt, was du wirklich brauchst, um deine sportlichen Ziele zu erreichen“, bekräftigte der Franzose seine in diesem Punkt nicht zum ersten Mal geäußerte Meinung.