Fährt Romain Grosjean in der kommenden Saison noch in der Formel 1? 2020 ist nicht das erste Jahr, in dem sich diese Frage zur Saisonmitte stellt. Diesmal vielleicht mehr denn je. Der Franzose gilt nicht nur wegen seiner eigenen Leistungen weiter als Wackelkandidat, noch dazu drängen sich die Anwärter für sein Cockpit beim Haas F1 Team geradezu auf.

Mit Sergio Perez und Nico Hülkenberg befinden sich zwei Piloten der Extraklasse auf dem Markt, in der Formel 2 empfehlen sich mit Mick Schumacher, Callum Ilott (fährt am Nürburgring statt Grosjean das FP1) und Robert Shwartzman gleich drei Junioren des Haas-Motorenlieferanten und -Partners Ferrari für höhere Aufgaben.

Formel-1-Aus? Grosjean sichtet Optionen

Das bleibt auch Grosjean nicht verborgen. „Es gibt in der Formel 1 nicht mehr viele freie Plätze und es gibt viele Kandidaten“, sagte der Franzose am Donnerstag vor dem Russland GP. Deshalb schaut sich Grosjean inzwischen auch außerhalb der Königsklasse nach Alternativen um. Interessante Optionen gebe es, so der Haas-Fahrer. „Mit den Hypercars bei den 24 Stunden von Le Mans und die WEC könnten in Zukunft ganz schön sein“, sagte Grosjean. Damit nicht genug. „Die Formel E ist definitiv eine Option“, ergänzte der Franzose.

Mick Schumacher: Doppelter Formel-1-Einsatz!: (11:12 Min.)

Allerdings sei die Formel 1 eben die Formel 1. Heißt: Die Königsklasse trägt nicht umsonst diesen Namen. Ein F1-Cockpit würde Grosjean also vorziehen. Umso erstaunlicher, dass der 174-malige GP-Starter - mitten in der im Hinblick auf die Fahrerwahl für 2021 immer heißeren Phase - nur einen Tag später nicht unbedingt beste Werbung für eine erneute Verlängerung seines Vertrags bei Haas machte. Im Training zum Russland GP ätzte Grosjean jedenfalls mehrfach über das Fahrverhalten des VF-20 - via Boxenfunk, live im TV zu hören.

Grosjean flucht Frust am Funk heraus

„Ich habe keine Worte. So einfach ist das“, raunte der Franzose nach einem Dreher im ersten Training. „Sagt mir, was das war und helft mir bitte. Fucking Hell! [..] Ich weiß nicht, was hier abgeht. Bitte checkt alles.“ Nicht unbedingt das, was ein Team an Außenwirkung gebrauchen kann. Erst recht nicht, wenn dahinter ein Maschinenbauer steht, der die Qualität seiner Produkte vermarkten möchte.

Das war längst nicht alles. Im dritten Training ätzte Grosjean weiter. „Arrrgghhh! Mit diesem Auto kann ich nichts ausrichten, Jungs. Es gibt nichts, das ich tun kann“, funkte der Franzose. Grosjeans Renningenieur versuchte, die Wogen mit Empathie noch zu glätten. Man habe die Balance am Ende der Runde in der Telemetrie gesehen, hieß es. Das regte Grosjean erst richtig auf.

Steiner witzelt: Macht meinen Job leichter

„Es ist nicht nur das Ende der Runde. Es ist von der ersten Kurve bis zur letzten Kurve“, polterte der 34-Jährige, gefolgt von einer Schimpftirade: „Es tut mir leid, dass ich anfange, etwas sauer zu sein, aber ich bin verdammt angepisst. Ich bin eine Sekunde von der Pace weg und crashe fast jede Kurve, weil es keine Balance gibt.“ Auch im Rennen am Sonntag ging es in ähnlichem Ton weiter. Grosjean landete auf Platz 17, fünf Ränge hinter Teamkollege Kevin Magnussen.

Teamchef Günther Steiner reagierte auf Grosjeans verbale Eskapaden zwar mit Humor, aber mit darin mitschwingender Verstimmung. „Was mit Romain passiert ist, wurde sehr gut übertragen“, sagte Steiner nach dem Russland GP. „Er hat mit den Zuschauern gesprochen, also muss ich das nicht mehr über euch Jungs [die Medien] in der Presse machen! Er hat sehr gut übermittelt, was er über das Auto denkt - gut für ihn.“

Vielleicht hilft es auch bei der Fahrerwahl ...

Steiner weiter: „Ich nehme an, er will sicherstellen, dass ihr es auch wisst! Er ist da euch gegenüber einfach wohlwollend, damit ihr es live bekommt und ich weniger arbeiten muss. Da will er nett zu mir sein und mir weniger Arbeit verschaffen. Deshalb sendet er es live und ich muss weniger arbeiten. Vielleicht hilft es auch bei der Fahrerwahl, wenn er versucht, mir zu helfen ...“

Einen konkreten Vorwurf machte Steiner dem Franzosen allerdings nicht. Ändern müsse Grosjean seine Aussagen am Funk nicht. „Es ist nach einer Weile einfach nur altes Zeug, denn wir wissen ja, was nicht stimmt“, sagte der Südtiroler, letztlich mehr gelangweilt als verärgert.

Tatsächlich hat sich Steiner selbst dem Schicksal Haas in der Formel-1-Saison 2020 bereits seit Wochen ergeben. Updates brachte das Team nie - und wird es auch nie bringen. Grund dafür sind Spaßmaßnahmen und lange Zeit unklare Budgets wegen der Corona-Krise.

Deshalb gibt sich der Teamchef letzten Endes nachsichtig mit Grosjeans öffentlichem Frust. Steiner: „Ich bin immer sehr ehrlich, was passiert und dass wir nicht zufrieden sind und nicht versuchen, irgendetwas zu verbergen. Es [die Funksprüche] ist einfach nur eine Art, die Dinge zu tun und wenn er das für das Richtige hält, dann sollte er es machen.