Formel 1, Danner: Vettel mit Aston Martin nur im Mittelfeld? (17:23 Min.)

„Vettels Zeit ist vorüber. So sehr, dass seine Ergebnisse in diesem Jahr zeigen, dass Ferrari die richtige Wahl getroffen haben dürfte, seinen Vertrag nicht zu verlängern.“ Mit dieser Aussage in einem Interview mit ‚Globo’ sorgte der ehemalige Ferrari-Pilot Felipe Massa kürzlich für mächtig Wirbel in der deutschen Formel-1-Szene. Nicht nur in den Kommentarspalten bei Facebook, Disqus & Co ging es heiß her, auch die Expertenwelt diskutierte und diskutiert die Einschätzung des Brasilianers eifrig.

Während in den Sozialen Medien noch teilweise Wortmeldungen auftauchen, die Massa ganz oder zumindest in Teilen zustimmen, regt sich unter den Experten klarer Widerspruch. Besonders deutlich wird Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. „Felipe Massa ist bei demselben Manager wie Leclerc. Ich würde mal sagen, der Felipe soll mal ganz schön den Mund halten, ehrlich gesagt. Einer wie er sollte so über Vettel nicht urteilen. Er soll sich vorher überlegen was er meint und dann weiter“, poltert Danner Video-Interview auf Nachfrage zu den Äußerungen des Formel-1-Vize-Weltmeisters von 2008.

Danner: Einer wie Massa sollte nicht so über Vettel urteilen

„Für mich ist Sebastian nach wie vor ein Mann, der absolut um den Rennsieg fahren kann“, widerspricht Danner. „Natürlich hat er in Leclerc seinen Meister gefunden, der mit allem jugendlichen Elan und seinem wirklich überüberdurchschnittlichen Talent ... Der Mann ist ein Ausnahmetalent, das habe ich immer gesagt. So etwas kommt nicht alle Tage in die Formel 1. Trotz allem ist Sebastian natürlich auch ein Ausnahmetalent, die sollten schon ein bisschen mehr auf Augenhöhe fahren.“

Ohne direkten Massa-Bezug, dafür mit einer genau gegenteiligen Meinung zu jener des Brasilianers wartet Sky-Experte Ralf Schumacher auf. „Ich bin mir sicher: Seine Zeit ist noch nicht vorbei. Er will und wird es allen nochmal zeigen“, sagt Schumacher in seiner aktuellen Kolumne für den Sender über Vettel.

Schumacher widerspricht Massa: Vettels Zeit nicht vorbei

Damit sind sich die Experten auch mit Vettels ehemaligem Red-Bull-Teamchef einig. „Ich denke nicht, dass wir gerade den wahren Sebastian Vettel sehen“, sagte kürzlich Christian Horner. Warum? Weil bei Ferrari gerade nichts mehr stimmt, ob nun Umfeld oder Auto. „Eins ist klar: Sebastian braucht von der Gesamtattitüde des Autos her ein Auto, was ungefähr das Gegenteil von dem macht, was dieses Auto macht. Das hat mit der Hinterachse beim Einlenken zu tun. Das kennen wir jetzt“, erinnert Danner.

Schumacher stimmt zu. „Eine halbe Sekunde langsamer als sein Teamkollege im Qualifying. Klar, das schmerzt. Aber so ist es in der Formel 1: Wenn nicht alles zusammenpasst, sind solche Abstände möglich“, verteidigt der 180-malige GP-Starter seinen Landsmann.

Ferrari SF1000 pro Leclerc UND generell schlecht

Schumacher weiter: „Generell muss man sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen Ferrari und Sebastian nicht mehr funktioniert. Alle Verbesserungen bzw. Weiterentwicklungen der Scuderia sind auf Leclercs Stärken und Schwächen abgestimmt. Er ist der Mann der Zukunft. Das ist das große Problem für Sebastian: Er braucht ein anderes Auto als Leclerc. Alles was Charles hilft, hilft Sebastian nicht. So ist auch der große Zeitabstand von einer halben Sekunde beim Qualifying zu erklären.“

Formel 1 2021: Kann Vettel mit Aston Martin gewinnen? (10:34 Min.)

Rein mit fahrerischer Leistung sei ein derartiger Unterschied nicht zu erklären, glaubt auch Danner. Damit nicht genug. Noch dazu sei mit dem Ferrari SF1000 aktuell schlicht kaum zu glänzen. „Das sieht man auch daran, wie oft sich Leclerc dreht und rausfliegt. Ich mein’ hallo, Parabolica - das war mal ein richtig fetter Unfall. In Mugello hat er sich gedreht - an derselben Stelle, mit demselben Auto, mit derselben Problematik wie Vettel“, erinnert Danner. „[Oder die] zweite Lesmo in Monza. Beide Ferrari sind rausgeflogen. Der eine hat sich gedreht, der andere ist in den Kies gefahren. Es ist nicht so, dass die Problematik des Autos spurlos an Leclerc vorübergeht.“

Schumacher sicher: Vettel-Stärke kehrt bei Aston Martin zurück

Genau deshalb sehen nicht wenige Vettel inzwischen als größten Gewinner der Zurückweisung durch Ferrari für 2021. Mit Aston Martin, heute noch Racing Point, dürfte der Heppenheimer sogar über ein stärkeres Paket verfügen als Leclerc bei Ferrari. Aus Spargründen wegen der Coronakrise ist die Entwicklung der Boliden für die neue Saison zu großen Teilen untersagt.

Allein deshalb ist Schumacher sicher, 2021 einen ganz anderen Vettel zu erleben. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Sebastian bei Racing Point in alter Stärke erleben werden. Viele Gründe sprechen dafür. Das Auto kommt ihm deutlich besser entgegen. Es ist von der Performance generell schneller als der Ferrari, darüber hinaus viel einfacher zu fahren“, sagt Schumacher. „Außerdem kommt die Balance Sebastian deutlich entgegen.“

Webber: Vettel liebt das englische Umfeld

Hinzu komme eine angenehmere Atmosphäre. „Sie wollten ihn unbedingt. Sie haben große finanzielle Mittel für ihn eingesetzt. Das ist natürlich ein gutes Gefühl, gewollt zu werden, gerade in seiner jetzigen Situation“, sagt Schumacher. „Ein kleines kompaktes Team mit allen Möglichkeiten. Mit Unterstützung von Mercedes. Dazu gepaart mit dem für ihn so wichtigen Wohlfühlfaktor. Das wird für ihn von Anfang an eine Atmosphäre sein, die ihm gefällt. Vergleichbar mit Red Bull früher. Und da ist er ja immerhin viermal Weltmeister geworden.“

An der Seite eines gewissen Mark Webber. Der Australier ist noch aus diesen Zeiten sicher: Der englische Ansatz wird Vettel helfen. „Ein neues Umfeld wird brillant für ihn sein. Er liebt das englische Umfeld", sagt der Australier dem britischen Fernsehsender Channel 4. Aston Martin habe alles richtig gemacht. Webber: „Die Verpflichtung von Seb ist ein echter Geniestreich.“ Nico Hülkenberg, Sergio Perez oder Lance Stroll seien auch gute Fahrer. „Aber sie haben nicht die Qualität eines Vettel, wenn es um den all-umfassenden Ansatz geht, ein professioneller Formel-1-Fahrer zu sein."

Danner: Vettel für Aston Gewinn ohne Risiko

Ähnlich sieht es Danner bei Motorsport-Magazin.com. „Wenn man die beiden fahrerisch vergleicht, wenn man den Vettel als Auslaufmodell bezeichnet, wie es der Massa getan hat, dann ist er immer noch allemal so gut wie der Sergio Perez“, sagt Danner. Eine Marketing-Entscheidung in mehrfacher Hinsicht sei es zwar auch gewesen, allerdings nicht zulasten der sportlichen Aussichten, so der MSM-Experte.

Danner: „Erstens macht er fahrerisch sicher keinen Fehler, weil Sebastian hat’s drauf. Zweites hat er einen vierfachen Weltmeister, der für Aston Martin natürlich einen ganz anderen Wert darstellt als ein Perez, Hülkenberg oder sonst jemand. Und dann hat der seinen Sohn neben jemandem positioniert, bei dem es etwas bedeutet, wenn der Filius schneller fährt. Wenn der schneller fährt als der Hülkenberg oder der Perez, dann ist das in der Weltöffentlichkeit nicht wahrzunehmen. Aber wenn der schneller fährt als der Vettel, dann hat das etwas zu bedeuten.“

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