Ein Formel-1-Rennen in Mugello? Vor sechs Monaten noch nicht einmal ansatzweise auf dem Radar der Motorsport-Welt. Doch diese Welt stand seither auf dem Kopf, und plötzlich fand sich auch Mugello im Kalender wieder.

Voraussichtlich wird das Rennen auf Ferraris Hausstrecke, bei dem die Scuderia ihren 1000. GP feierte, ein Einzelfall bleiben. Die F1-Fahrer freut das nicht, sie konnten dem Old-School-Kurs mit den flüssigen Kurven, dem hohen Anspruch und den kompromisslosen Auslaufzonen viel abgewinnen. So soll für sie eine Formel-1-Strecke sein.

Formel-1-Fahrer mit Liebeserklärungen an Mugello

"Es ist verrückt", sagt Lewis Hamilton. "Ich weiß nicht, ob die Leute es im TV sehen, aber du fährst durch die Kurven sechs, sieben, acht, neun mit so 170, 180 Meilen [270-290 km/h, Anm.], und die G-Kräfte, die wir da haben, sind einfach Wahnsinn. Es wird einfach mehr und mehr, wenn du durch acht und dann durch neun fährst."

"Wir halten von Kurve sechs bis hoch zu Kurve neun den Atem an", meint Daniel Ricciardo. "Wahrscheinlich bis zum Anbremsen für Kurve zehn. Es ist so schnell, und du hängst gerade so drin, es ist am Limit hier. Eine Runde im Qualifying und du gibst alles. Als ich über die Linie bin, machte ich: 'Puuuuuh, gut'. Es war schon ein bisschen anspruchsvoll."

Formel 1 in Mugello zu gefährlich? Fahrer winken ab

Wenngleich nach dem Wochenende Fragen bezüglich der Sicherheit auftauchten. Die Strecke hat kaum Asphalt-Auslauf, alles hinter den Kerbs sind entweder Kiesbetten oder Gras. Lando Norris wurde am Freitag das erste Opfer, er rutschte nur leicht von der Strecke und verlor sofort die Kontrolle, gefolgt von einem Crash in eine Betonwand.

Sogar Norris rang sich danach aber zu einer pro-Kiesbett-Äußerung durch. Hamilton meint dazu nach dem Rennen: "Ich denke nicht, dass es zu gefährlich ist. Ich denke, es ist eine Old-School-Strecke mit Auslaufzonen, mit Schotter. Ich hoffe, sie ändern das nicht, und ich würde liebend gerne zurückkommen."

Formel 1 will nach Mugello mehr Kiesbetten

Durch die Bank waren die Piloten gegenüber den Kiesbetten, die keine Fehler verzeihen, in Mugello positiv eingestellt. "Es ist großartig, die Kiesbetten wieder zu sehen", meint McLaren-Pilot Carlos Sainz. "Das gibt der FIA vielleicht ein bisschen Selbstvertrauen, dass diese Arten von Bereichen funktionieren, um die Track Limits zu schützen." Diese sind 2020 immer ein heißes Thema - und in Mugello hieß es zum ersten Mal: Kies und Gras sind die Track Limits. Keine Messschleifen und gestrichene Rundenzeiten.

Wer in Mugello zu weit raus fährt, wirbelt Staub auf, Foto: LAT Images
Wer in Mugello zu weit raus fährt, wirbelt Staub auf, Foto: LAT Images

FIA-Rennleiter Michael Masi bremst jedoch ein bisschen: "Nein, wir können sie nicht überall haben. Es gibt keine Patentlösung, das haben wir oft gesagt. Wir müssen die richtigen Lösungen für jede Strecke finden. Daran werden wir weiter arbeiten, das haben wir auch mit den Fahrern diskutiert."

Was kann die Formel 1 von Mugello lernen?

Etwas überraschend ermöglichte Mugello am Sonntag auch ein gutes Rennen. "Ich glaube wir hatten alle Angst, dass wir es im Qualifying lieben würden, aber mit dem Hinterherfahren im Rennen hassen", sagt Daniel Ricciardo. Langgezogene Kurven-Kombinationen produzieren normalerweise zu viel verwirbelte Luft und sind desaströs für die filigrane F1-Aerodynamik.

"Aber es hat ein viel besseres Rennen abgeliefert als erwartet. Es war eines der besseren Rennen des Jahres, nicht einmal ansatzweise langweilig", merkt Ricciardo an. Carlos Sainz hat eine mögliche Erklärung: "Wenn du dir die F2- und F3-Rennen anschaust, siehst du, dass die Autos sehr unterschiedliche Linien in den sehr langen Kurven nehmen."

"Das passiert nur wegen der Überhöhung", weist Sainz auf das Profil der Kurven hin. Sie fallen von außen nach innen zum Scheitelpunkt hin leicht ab. "So kannst du etwas höher oder tiefer durch die Kurven fahren und hast gleich viel Grip innen und außen. Und das generiert tatsächlich ziemlich gutes Racing in F3 und F2."

Kurven sind in Mugello nicht flach, Foto: LAT Images
Kurven sind in Mugello nicht flach, Foto: LAT Images

"Ich weiß nicht, warum die Formel 1 in ihrer neuen Strecken-Philosophie von überhöhten Kurven weg ist", fragt sich Sainz. Auf vielen Neubauten wie Sotschi oder Abu Dhabi gibt es stattdessen nur Kurven nach dem "Off-Camber"-Prinzip - diese fallen vom Scheitelpunkt nach außen hin ab. Seit Jahren wird bemängelt, dass diese Kurven nicht nur unangenehm zu fahren sind, sondern auch fade Rennen erzeugen.

Normale überhöhte Kurven binden den Fahrer im Gegenzug nicht an eine einzelne Rennlinie. "Das erlaubt es dir, dich aerodynamisch versetzt zum Auto vor dir zu positionieren", erklärt Sainz. "Das ist viel besser für die Show und das Racing. Hier können wir etwas lernen. Ich glaube nicht, dass es in der Formel 1 viel ändern wird, weil es hier immer schwer ist hinterherzufahren. Aber die Überhöhung hilft auf jeden Fall."