Nie wurde der tiefe Fall der Scuderia Ferrari in der Formel-1-Saison 2020 so deutlich wie am vergangenen Wochenende in Spa-Francorchamps. Noch im Vorjahr hatte Charles Leclerc beim Belgien GP erst die Pole Position erzielt, dann das Rennen gewonnen. Zwölf Monate später schieden beide Ferrari im Qualifying vorzeitig aus - ohne besondere Umstände, sondern fair und gerecht geschlagen.

Im Rennen bestätigte sich das Bild, verschärfte sich eher noch. An ein Top-10-Ergebnis war für Sebastian Vettel und Charles Leclerc nicht im Ansatz zu denken, sogar von einem eigenen Motorenkunden ließ sich Ferrari vorführen. Kimi Räikkönen sah die Zielflagge im Alfa Romeo vor beiden Werksboliden aus Maranello.

Horner stichelt gegen Ferrari: Jeder kann seine Schlüsse ziehen

Das zeugt von Defiziten auch beim Chassis des SF1000, nicht nur beim Motor. Das 2020 auffällig schlechte Abschneiden aller Teams mit Ferrari-Antrieb - nicht nur in Spa, sondern schon zuvor - hat dennoch längst mehr als deutlich illustriert, dass Ferrari nach der FIA-Affäre rund um den Vorjahresmotor abrüsten musste. Dass die neuen Vorgaben die Scuderia in Sachen Power Unit zurückgeworfen haben, gab Ferrari bereits selbst zu.

Formel 1: Ferrari gibt Motor-Trickserei zu!: (09:11 Min.)

Im Lager der Konkurrenz hat sich trotz der resultierenden Krise der Roten mit Blick auf die nie veröffentlichten Inhalte einer Einigung zwischen FIA und Ferrari im Winter nichts geändert. „Die ganze Sache hat einen ziemlich faden Beigeschmack hinterlassen“, sagte Red Bulls Teamchef Christian Horner nach dem Rennen in Spa. „Aus Ferraris aktueller Performance kann jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.“

Red Bull: Hätten 2019 mehr gewonnen

Dem Briten stößt das Thema gerade wegen der eingebrochenen Performance Ferraris umso saurer auf. Sein Punkt: Hätte Ferrari die fragwürdigen Motoren des Vorjahres nie eingesetzt, hätte Red Bull bessere Zeiten durchlebt. Horner: „Im vergangenen Jahr gab es Rennen, bei denen es gute Argumente gibt, dass wir sie gewonnen hätten, wären sie mit einem Motor gefahren, der in Sachen Leistung jetzt ziemlich anders aussieht als das, was sie im vergangenen Jahr hatten.“

Für Horner steht fest: Mit rechten Dingen ging es in Sachen Ferrari-Motor nicht zu, wie zwischen den Zeilen klar herauszulesen ist. „Für sie ist es natürlich sehr hart, aber ich denke, ihr Fokus lag in den vergangenen Jahren auf den falschen Bereichen“, sagte Horner. „Deshalb scheinen sie jetzt etwas damit zu kämpfen, was auch immer diese Vereinbarung beinhaltete.“

Wolff stimmt Horner zu: Mercedes hätte nicht leiden müssen

Eine sehr ähnliche Meinung kommt aus dem Mercedes-Lager. Direkt auf die Aussagen Horners angesprochen, reagierte Toto Wolff am Sonntagabend in Spa mit versuchter Diplomatie. „Ferrari ist eine ikonische Marke, fantastische Leute bauen diese Autos. Es ist schwer zu sagen, weil ich da nicht noch mehr Öl hineingießen will“, sagte der Motorsportchef der Weltmeister auf Nachfragen, ob auch bei ihm ein saurer Nachgeschmack mit Blick auf 2019 bleibe.

Wolff weiter: „Aber wir mussten uns im vergangenen Jahr und im Jahr davor wirklich so sehr strecken, dass wir gelitten haben. Wir haben ein paar Leute verloren. Wir haben ein paar Leute verloren im Hinblick darauf, dass sie am Ende ihrer Gesundheit waren. Deshalb würde ich mich Christians Anmerkung womöglich anschließen.“

Hamilton stichelt: Ferrari hatte ‚Extra-Power’

Ähnlich hatte Wolff es bereits vor einigen Wochen formuliert. Den 2020 großen Schritt auf Seiten Mercedes in Sachen Motor erklärte Wolff damit, Ferrari habe Mercedes zu einer rasanten Entwicklung angestachelt. „Es brauchte uns fast zum Burnout, so zu entwickeln und innovativ zu sein, um auf der Strecke konkurrenzfähig zu sein“, sagte Wolff kurz nach dem Saisonstart.

Neben den Teamchefs stichelte in Spa auch Lewis Hamilton gegen Ferrari. Die Spitze streute der Weltmeister unauffällig in seinen Rundumschlag gegen zu viel Langeweile in der Formel 1 ein. „Ich würde es lieben, ein echtes Rennen zu haben. Ich hatte hier in der Vergangenheit Rennen, die etwas enger waren, als ich versucht habe, dem Ferrari hinterherzukommen und vor ihnen zu bleiben“, erinnerte Hamilton. „Aber sie konnten überholen, weil sie all diese Extra-Power hatten ...“