Mit Platz sieben beim Spanien GP in Barcelona erlebte Sebastian Vettel zum Abschluss des zweiten Tripleheaders der Formel-1-Saison 2020 so etwas wie eine kleine Auferstehung. Das Ergebnis klingt nicht berauschend. Nicht für Ferrari, genauso wenig für einen viermaligen Weltmeister. Dennoch exerzierte Vettel ein tadelloses Rennen und fuhr damit das Resultat ein, das dem aktuell mäßigen Leistungsvermögen der Scuderia entspricht.

Zuvor hatte der Deutsche alles andere als gut ausgesehen. Einzig beim Ungarn GP gelang es Vettel bislang, Teamkollege Charles Leclerc in den Schatten zu stellen. Selbst in Spanien war der Monegasse der schnellere Ferrari-Fahrer. Einzig ein technischer Defekt sorgte dafür, dass nicht Leclerc, sondern Vettel die Kohlen für die Scuderia aus dem Feuer holte.

Daniel Ricciardo: Vettel sollte Formel 1 zu 100 Prozent erhalten bleiben

Vettel zog sich dennoch besser aus der Affäre als zuletzt. Anders als in Siverstone war der Rückstand auf Leclerc nicht astronomisch groß, auch Erklärungsnot für einen neuerlichen Dreher blieb diesmal aus. Damit erfüllte Vettel zumindest schon einmal einen Teil dessen, was langjährige Weggefährten ihm trotz der gegenwärtigen Krise weiter zutrauen.

„Ich erwarte, dass er zurückschlägt. Das tue ich mit Sicherheit“, sagte Vettels ehemaliger Teamkollege bei Red Bull Racing, Daniel Ricciardo, vor dem Spanien GP. „Ich habe es genossen, nicht nur sein Teamkollege, sondern auch sein Konkurrent gewesen zu sein. Ich habe es gleich von Anfang an gesagt als die Ferrari-News verkündet wurden: Wenn er weitermachen will und glaubt, dass er es weiter auf dem Top-Level machen kann, dann hat er über die vergangenen zehn Jahre hinweg gezeigt, dass er zu hundert Prozent dem Sport erhalten bleiben sollte.“

Ricciardo: Ein Sebastian Vettel wirft nicht einfach hin

Vettel als Charakter tue der Formel 1 gut, so der Australier. „Wenn man eine Sache über Seb sagen kann, dann ist er sehr - es ist vielleicht nicht das richtige Wort - leidenschaftlich für den Sport. Er liebt ihn“, sagte Ricciardo. Deshalb werde Vettel auch nicht vorzeitig hinschmeißen, wie manch ein Beobachter bereits fürchtet oder gar erwartet. Ricciardo: „Ich denke nicht, dass er der Typ ist, der ein Stück Papier zerknüllt und es in den Müll schmeißt und einfach einen auf ‚Ach, ja, wie auch immer’ macht.“

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Das bezieht Ricciardo nicht nur auf Vettels Karriere insgesamt, sondern auch noch die letzten Rennen mit Ferrari. „Er ist jemand, der alles analysiert, um einen Weg zu finden, es zu verbessern oder eine Antwort auf eine Frage zu finden. Ich denke nicht, dass er der Typ ist, der von einem Problem einfach davonläuft. Dafür kümmert es ihn zu sehr, ob es nun die bloße Liebe für diesen Sport ist oder sein eigener Stolz“, sagte Ricciardo und scherzte: „Deutsche Effizienz, nehme ich an!“

Lewis Hamilton adelt Vettels Hingabe

Lewis Hamilton adelt diese Charakterzüge seines WM-Rivalen von 2017 und 2018 ebenfalls. „Die Art, wie er pusht, die Art, wie er weiter versucht dem Team zu helfen, zeigt einfach seinen großartigen Charakter und seine Hingabe für Racing“, lobte der sechsfache den vierfachen Formel-1-Weltmeister vor dem Spanien GP. „Ich hoffe, dass sich ihm in Zukunft etwas wirklich Positives eröffnet.“

Die gegenwärtige Situation Vettel erfüllt den Mercedes-Piloten mit Mitgefühl. „Ich habe das schwierige Rennen, das er hatte [Silverstone II], gesehen und alles, was ich tun kann, ist, mich in die Position, in der er sich befindet, hineinzufühlen und zu versuchen, es nachzuvollziehen“, sagte Hamilton.

Hamilton fühlt mit: Ferrari-Abfuhr kein tolles Gefühl

Die feststehende Trennung von Ferrari mache das nicht leichter. Hamilton: „Es kann niemals ein tolles Gefühl sein, wenn man dir sagt, dass man dich nicht mehr will, du aber noch mit dem Team weitermachst, besonders, weil du alles gibt’s, wenn du zu einem Team stößt, in einem Team bist - dann widmest du dich dem mit deinem ganzen Herz.“ Für einen wie Vettel gelte das ganz besonders.

Von Ferrari-Seite scheint dieses Engagement für Vettel erkaltet, spätestens seit der wenig rühmlichen Art der Trennung. Längst mehren sich Stimmen, die den Support für Vettel innerhalb des Teams bereits länger schwinden sehen. Kimi Räikkönen, durch viele Jahre mit Ferrari-Kosmos vertraut, zweifelt. Der Finne sieht eine andere Partei verantwortlich dafür, dass die Zeiten bei Ferrari schneller härter wirken als überall anders.

Kimi Räikkönen: Italienische Presse, nicht Ferrari das Problem

„Ich habe es nie anders als in jedem anderen Team empfunden“, sagte Vettels ehemaliger Teamkollege über Ferrari. Es gehe mehr um die berühmte italienische Sportpresse. Räikkönen: „Wenn du die ganzen Zeitungen liest, dann fühlst du dich vielleicht etwas schlechter, aber ich habe solche Dinge nie angesehen. Manchmal hast du eben eine schlechte Zeit und dann können die Italiener in den Medien sehr hart mit dir sein. Aber so ist es dann eben. Die ganzen Medien sind sehr schnell dabei, Dinge zu schreiben, wenn du nicht gut abschneidest, aber wenn du gut abschneidest, sind sie gleich am nächsten Tag plötzlich wieder dein bester Freund. So läuft es in diesem Geschäft eben.“

Vettel, so Räikkönen, könne jetzt nur noch das Beste aus der Situation machen. „Ich bin sicher, dass er nicht sehr glücklich damit ist, wie die Dinge laufen, aber so ist es jetzt eben“, sagte Räikkönen. „Ich sehe es nicht so, dass es [bei Ferrari] anders ist als irgendwo sonst. Ferrari ist Ferrari und die Leute schauen sich diese Dinge an, besonders die Italiener, aber ich bezweifle, dass sich das darauf auswirkt, wie er seinen Job oder irgendetwas anderes macht.“

Kimi: Vettel muss nur Weg finden, es herumzureißen

Aufgegeben hat der Finne Vettel nicht nur deshalb nicht. „Er war lang genug Teil dieses Sports, um zu wissen, dass es manchmal so läuft. Er muss einfach einen Weg finden, es herumzureißen“, sagte Räikkönen.