Der Jubiläums GP der Formel 1 heute in Silverstone wird wohl den nächsten Mercedes-Sieg bringen. Oder doch nicht? Mit Valtteri Bottas auf Pole und Lewis Hamilton auf Startplatz zwei schreit alles nach einer weiteren dominanten Vorstellung der schwarzen Silberpfeile.

Nur Toto Wolff warnt: "Max hinter uns wird auf den harten Reifen starten und auf eine alternative Strategie setzen. Letztendlich wird das Rennen nicht nur dadurch beeinflusst, wer am schnellsten ist, sondern auch davon, wer am cleversten mit seinen Reifen umgeht."

Erstes Formel-1-Podium für Hülkenberg?

Während die beiden Mercedes in Reihe eins mit den Medium-Pneus starten werden, geht Verstappen als einziger Pilot in den Top-10 mit den harten Gummis ins Rennen. Ein Vorteil? Der Red-Bull-Pilot hat aber auch noch Nico Hülkenberg vor sich.

Formel 1: Hülkenberg hängt Vettel ab! Was ist bei Seb los?: (12:44 Min.)

Der Sensations-Comebacker schielt heute in Silverstone auf sein erstes Formel-1-Podium, das ihm in den bisherigen 177 GP-Starts nicht vergönnt war. Wie stehen seine Chancen? Kann Verstappen mit den harten Reifen auch auf die Mercedes schielen? Motorsport-Magazin.com macht den Favoriten-Check zum Jubiläums GP in Silverstone.

Erneut ist Mercedes der Konkurrenz um eine Sekunde davongefahren. Dabei hat der F1 W11 auch die deutlich höheren Temperaturen ganz gut weggesteckt. Zwar verlor Pole-Setter Bottas fast eine Sekunde auf den Streckenrekord von Hamilton, den der Weltmeister vergangene Woche aufgestellt hatte, aber durch die wärmeren Bedingungen und den gedrehten Wind musste das gesamte Feld deutlich federn lassen.

Aber Mercedes wohl ein wenig mehr als die Konkurrenz. Verstappen erwischte einen schwachen letzten Versuch. "Sonst wären wir wohl auf sieben Zehntel rangekommen, was ganz gut ist, wenn man bedenkt, dass Mercedes schon auf den Geraden sehr viel gewinnt", so Verstappen.

Im Renntrimm wird der Abstand naturgemäß kleiner. "Mercedes hat definitiv einen Qualifying-Modus und der fehlt ihnen im Rennen", erklärt Verstappen. Dazu kommt der Rennstart auf Hard. Ist Verstappen also wirklich ein ernsthafter Konkurrent?

"Wir wollten mit beiden Fahrern auf den Medium-Reifen starten und hatten am Vormittag darüber gesprochen, dass wir diese Vorgehensweise auch dann nicht ändern wollten, wenn andere im Q2 mit den Hard-Reifen fahren würden", erklärt Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin.

Red-Bull-Poker auf harten Reifen

In der Theorie ist der Medium-Reifen noch immer die beste Wahl für den Start-Stint. Verstappen machte, was Red Bull immer macht, wenn Mercedes uneinholbar vorne ist: Mit dem Mut der Verzweiflung etwas anderes machen.

Zwischen den Mercedes-Piloten sind Vorhersagen unmöglich: Schon am ersten Silverstone-Wochenende zeigte Bottas, dass er durchaus mit Hamilton mithalten kann. Das gesamte Rennen über hing er ihm im Heck, weshalb sein Reifen letztendlich auch früher einging.

Gewinnt der Mercedes-Pilot den Jubiläums GP der Formel 1, der den Start für sich entscheidet? Man könnte es fast meinen. "Die weicheren Mischungen werden für mehr Strategie-Möglichkeiten sorgen", wirft Shovlin ein. Ein Einstopp-Rennen wird Silverstone II definitiv nicht. Die Reifenschäden vor einer Woche und die weicheren Mischungen an diesem Wochenende machen eine Einstopp-Strategie unmöglich.

Genau diese Tatsache könnte Nico Hülkenberg helfen. Der Racing Point zeigte sich im bisherigen Saisonverlauf nicht gerade als überragendes Rennauto. Die Stärke lag eher über eine Runde. Bei zwei Stopps spielt der Reifenverschleiß aber keine ganz so große Rolle mehr.

Hülkenberg ist außerdem guter Dinge: "Die Longruns gestern waren ziemlich gut. Ich habe mich im Auto wohl gefühlt, besser als letzte Woche Das Team hat ein paar gute Dinge gefunden und hat bei der Rennpace einige Verbesserungen gemacht, das sollte helfen."

Eine Verbesserung betrifft aber nicht nur die Longruns. Teamkollege Lance Stroll qualifizierte sich für das erste Silverstone-Rennen auf Rang sechs und war damit die pinke Speerspitze. Nun startet Hülkenberg aus der zweiten Startreihe.

Formel 1, Silverstone-Training: Longruns auf Medium-Reifen (C3)

Fahrer Ø RundenzeitRückstandReifenalter
Valtteri Bottas1:31.22715 Runden
Max Verstappen1:31.461+ 0.23412 Runden
Lewis Hamilton1:31.589+ 0.36216 Runden
Sebastian Vettel1:32.160+ 0.93313 Runden
Nico Hülkenberg1:32.278+ 1.05118 Runden
Daniil Kvyat1:32.424+ 1.19718 Runden
Alexander Albon1:32.513+ 1.28613 Runden
Pierre Gasly1:32.550+ 1.32314 Runden
Lance Stroll1:32.556+ 1.32912 Runden
Charles Leclerc1:32.903+ 1.67619 Runden
Nicholas Latifi1:32.976+ 1.74921 Runden
George Russell1:33.130+ 1.90324 Runden
Antonio Giovinazzi1:33.130+ 1.90313 Runden
Romain Grosjean1:33.558+ 2.33120 Runden
Kimi Räikkönen1:33.567+ 2.3409 Runden
Kevin Magnussen1:33.786+ 2.55919 Runden

Neuer Flügel für Hulk

Racing Point fährt an diesem Wochenende mit einem neuen Heckflügel, der weniger Luftwiderstand generiert. Zuletzt war der RP20 noch mit der Ungarn-Spezifikation unterwegs. Die neue Low-Downforce-Variante passt aber deutlich besser zum extrem schnellen Silverstone Circuit.

Oben: Der alte Heckflügel von Racing Point; Unten: Der neue Flügel, Foto: LAT Images
Oben: Der alte Heckflügel von Racing Point; Unten: Der neue Flügel, Foto: LAT Images

Der Vergleich der Geschwindigkeitswerte hinkt enorm, weil sich der Wind komplett drehte. Nur an einer Messstelle sind die Werte vergleichbar, weil der Wind hier immer von der Seite blies. Wurde Hülkenberg vor einer Woche am Ende von Sektor eins noch mit 313,4 km/h gemessen, hatte er diesmal 318,9 Sachen auf dem Tacho stehen. Ein Sprung von Rang zwölf in der Wertung auf Platz eins.

Die bessere Endgeschwindigkeit bringt nicht nur offenbar bessere Pace, sondern hilft Hülkenberg auch beim Verteidigen auf den Geraden. Ferrari trimmte das Auto von Charles Leclerc letzte Woche ebenfalls extrem. Der Monegasse befürchtete deshalb Probleme im Rennen mit dem Reifenverschleiß - die aber nicht eintraten. Leclerc wurde bekanntlich mit einer guten Portion Glück Dritter.

Aber eine volle Renndistanz hat Hülkenberg noch nicht mit dem RP20 bestritten. Vor einer Woche schaffte er es noch nicht einmal in die Startaufstellung. Kennt er die Reifen überhaupt? "Die sind meine kleinste Sorge, weil sie sehr ähnlich sind zu den letzten Jahren", so der Hulk. "Da weiß ich, was ich zu erwarten habe. Aber alles andere wird neu für mich, das wird aufregend und etwas schwieriger für mich."

Reicht der neue Flügel, um Verstappen hinter sich zu halten? "Ich würde gerne ja sagen, aber es wird angesichts der ganzen Umstände sehr schwierig", so Hülkenberg. Für Verstappen stellt sich die Frage gar nicht. Gewohnt selbstbewusst meint der Niederländer: "Es geht nur darum, wie ich vorbei komme. Danach wird es ein einsames Rennen für mich."

Die Rennsimulationen geben Verstappen recht. Der Niederländer war im 2. Training im Dauerlauf nur zwei Zehntel langsamer als Valtteri Bottas im Mercedes. Nico Hülkenberg fehlte bereits eine ganze Sekunde. Realistisch betrachtet sind die Chancen auf das erste Formel-1-Podium in der Karriere von Nico Hülkenberg verschwindend gering - zumindest aus eigener Kraft.

Gibt es außer Red Bull noch ernsthafte Konkurrenten für den Hulk, oder würde ihm ein Ausfall an der Spitze für das so langersehnte Podium reichen? Hinter Verstappen startet mit Daniel Ricciardo der beste Renault. Die Franzosen fuhren vor einer Woche in Silverstone ihr bislang zweitbestes Ergebnis seit dem werksseitigem Formel-1-Comeback ein.

Renault-Renaissance dank Ricciardo

Im Rennen war der Renault deutlich konkurrenzfähiger als im Qualifying. Ricciardo verbesserte sich von Rang acht auf Platz vier. Dem Australier fehlte nur eine Sekunde auf den Podiumsplatz von Charles Leclerc. Allerdings nutzte Renault bereits einen Satz der harten Reifen am Freitag. Als einziges Team gehen die Franzosen deshalb mit lediglich einem Satz der harten Pneus ins Rennen.

Laut Pirelli macht das keinen großen Unterschied. Eine Zweistopp-Strategie soll es ohnehin bei allen werden. Ob dann zweimal Medium und einmal Hard gefahren wird oder umgekehrt, soll bei der finalen Rennzeit egal sein. Hülkenberg muss sich also durchaus umsehen.

Formel 1 in Silverstone: Rennstrategien

Laut Pirelli die schnellste Strategie: 15 Runden auf Medium, dann erneut 15 Runden auf Medium-Reifen und am Ende 22 Runden auf Hard.
Ein vergleichbar schnelle Strategie: 12 Runden auf Medium, dann zwei Stints zu je 20 Runden auf Hard
Alternative Strategie: Die ersten beiden Stints mit je 23 Runden auf Hard, dann den letzten Stint von sechs Runden auf Soft.
Weitere alternative Strategie: Den ersten Stint von 19 Runden auf den Medium-Reifen, dann 25 Runden auf Hard und die letzten acht Runden auf dem Soft-Reifen.

Formel 1: Hülkenberg hängt Vettel ab! Was ist bei Seb los?: (12:44 Min.)