Ferrari steckt nach den ersten Rennen der Formel-1-Saison 2020 in der Krise. Dass das neue Auto, der SF1000, eine Enttäuschung werden würde, zeichnete sich schon nach den Testfahrten ab. Doch drei Rennen später musste Teamchef Mattia Binotto zugeben, dass die Scuderia sogar noch hinter den ohnehin nicht hoch gesetzten Erwartungen zurückgeblieben war.

Nach Ungarn sprach Binotto erstmals die Notwendigkeit von radikalen Änderungen im Teammanagement an - und zwei Tage später kommt jetzt die Bestätigung aus Maranello. Ferrari "hat die Technik-Abteilung neu strukturiert, um sie effektiver zu machen und einen ganzheitlicheren Fokus auf Performance-Entwicklung sicherzustellen."

Zu diesem Zweck wurde die Kommandostruktur um Mattia Binotto neugestaltet - Binotto selbst hatte ja nach seinem Aufstieg zum Teamchef Anfang 2019 keinen neuen Technischen Direktor benannt. Das wird sich zwar jetzt auch nicht explizit ändern, aber Enrico Cardile, bis jetzt Chef der Aerodynamik-Abteilung, wird als Leiter einer neuen "Performance-Entwicklungsabteilung" eingesetzt.

Binotto: Verantwortungen mussten klar definiert werden

"Wie wir vor ein paar Tagen angedeutet haben, nehmen wir Änderungen auf der technischen Seite der Organisation vor, um das Design und die Entwicklung auf Seiten der Fahrzeug-Performance zu beschleunigen", versucht Binotto den neuen Posten in der Presseaussendung zu erklären.

"Eine Richtungsänderung war nötig, um Verantwortungen und Arbeitsprozesse klar zu definieren, während wir das Vertrauen des Unternehmens in seinen Techniker-Pool unterstreichen", so Binotto weiter. Die neue Kommandostruktur soll "fokussierter und einfacher" sein, schreibt Ferrari in ihrer Presseaussendung.

Außerdem kündigt Binotto an: "Die Abteilung von Enrico Cardile wird auf die Erfahrung von Rory Byrne und auf etablierte Ingenieure wie David Sanchez bauen können. Sie wird ein Eckstein der Auto-Entwicklung sein."

Ferrari: Keine großen Entlassungen

Cardile kam vor einigen Jahren aus dem Straßenwagen- und GT-Bereich ins F1-Team. Byrne war einst Chefdesigner im Ferrari-Erfolgsteam von Jean Todt und Ross Brawn, mit dem Michael Schumacher fünf Weltmeistertitel errang. In den letzten Jahren war er als Berater für Ferrari tätig. David Sanchez nimmt seit 2016 eine leitende Position in der Aerodynamik-Abteilung der Scuderia ein, zuvor verbrachte er unter anderem Zeit bei McLaren.

Ferrari enttäuschte 2020 bis jetzt, Foto: LAT Images
Ferrari enttäuschte 2020 bis jetzt, Foto: LAT Images

Personell neu ist also nichts, alle Genannten waren bereits zuvor in Maranello beschäftigt. Die anderen Posten bleiben gänzlich unangetastet. Laurent Mekies bleibt Sportdirektor, Enrico Gualtieri Motorenchef, und der 2019 nach einem kurzen Alfa-Intermezzo zurückgekehrte Simone Resta führt weiterhin die Chassis-Abteilung. Binotto hatte schon nach Ungarn auch klargestellt, dass Entlassungen in seinen Augen keine Lösung seien.

"Wir glauben, dass das Ferrari-Personal sich auf dem höchsten Level befindet, und wir haben hier keine Gründe, auf unseren Hauptkontrahenten neidisch zu sein", sagt Binotto. "Aber wir mussten eine deutliche Veränderung machen, die Grenze der Verantwortung der Abteilungsleiter höher setzen."

Binotto glaubt weiter daran, dass er mit seinem Team zurück auf die Siegerstraße finden wird: "Wir haben es mehrmals gesagt, aber es lohnt sich, es zu wiederholen: Wir haben begonnen, die Basis für einen Prozess aufzubauen, die zu einem neuen und andauernden Siegeskreislauf führen sollte."

"Es wird Zeit brauchen, und wir werden Rückschläge erleiden, wie den, den wir gerade durchmachen, was Ergebnisse und Performance angeht", so Binotto. "Allerdings müssen wir auf diese Mängel mit Stärke und Entschlossenheit reagieren, um sobald als möglich wieder zurück an die Spitze des Sportes zu kommen. Das wollen wir alle, und das erwarten unsere Fans weltweit von uns."