Für Sebastian Vettel hat die Formel-1-Saison 2020 nach dem verkündeten Aus bei Ferrari Ende dieses Jahres auch sportlich mit schlechten Nachrichten begonnen. Auf eine schwache Vorstellung beim Österreich GP und nur einem WM-Punkt trotz neun Ausfällen folgte das Aus durch einen Abschuss durch Charles Leclerc beim Steiermark GP.

Ausgerechnet durch den Teamkollegen, der Vettel letztlich auch mit Blick auf seine Zukunft bei Ferrari abgeschossen hatte. So sieht es etwa Sky-Experte Ralf Schumacher. „Er ist nett und kann trotzdem die Ellenbogen ausfahren“, schreibt der ehemalige F1-Pilot in seiner aktuellen Kolumne für den Sender. „Im Team hat er Sebastian politisch so schon gleich kaltgestellt. Schon im letzten Jahr. In kürzester Zeit. Für sein junges Alter ist er schon erstaunlich weit.“

Ralf Schumacher: Ferrari verbrennt Vettels Potential

Für Vettel sei das äußerst unangenehm gelaufen. „Das hat ja schon im letzten Jahr begonnen. Binotto [Mattia; Ferrari-Teamchef] hatte sich früh komplett auf Charles festgelegt. Geradezu fixiert auf ihn! Das war eine bittere Pille für den vierfachen Weltmeister“, ergänzt Schumacher. Das zeuge von schlechten Management-Qualitäten Binottos, so Schumacher.

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„Man hat einen Vertrag mit Sebastian. Man gibt extrem viel Geld für ihn aus! Und dann geht man so ungeschickt mit ihm um!? So verbrennt man Potential“, erklärt der Sky-Experte. Für Schumacher wirkt sich das offenbar auch auf die aktuelle Leistung Vettels aus. So verteidigte zuvor schon Ross Brawn, ehemaliger Technikdirektor der Scuderia zur großen Zeit Michael Schumachers, den Deutschen in seiner Kolumne für die Formel 1.

Schumacher: Vettel-Verhätnis zu Ferrari kaputt

Für Schumacher steht jedenfalls fest: „Ich möchte momentan nicht in der Situation von Sebastian sein. Das Verhältnis zu Ferrari ist sowas von kaputt!“

Sebastian Vettel selbst will davon nichts wissen. Als Motorsport-Magazin.com vor dem zweiten Rennen in Spielberg vorsichtig bei dem vierfachen Weltmeister nachfragte, ob bei Ferrari jetzt nicht eine merkwürdige Stimmung herrsche, da das Team ihn vor die Tür setze, widersprach Vettel klar: „Ich denke nicht, dass es ein merkwürdiges Gefühl ist.“

Sebastian Vettel will würdigen Abschluss mit Ferrari

Vettel weiter: „Ich kenne das Team natürlich sehr gut und arbeite mit den Jungs. Ich spüre, dass sie alle hinter mir stehen, um diesen Abschnitt würdig zu beenden. Wir hatten großartige Zeiten, auch schwierige Zeiten, aber wir wollen jetzt alle sicherstellen, dass wir das Maximum aus dieser Saison machen.“

Herausfordernd werde das - allerdings mehr wegen der sportlich prekären Lage wegen des bis dato völlig enttäuschenden SF1000 - jedoch sicherlich. „Aber ich versuche natürlich zu tun, was ich kann“, versprach Vettel vollen Einsatz für Ferrari bis zum Schluss. Kein vorzeitiges Aus, wie manch einer in der Szene bereits spekulierte. „Und ich bin sicher, dass das Team dasselbe versucht“, ergänzte Vettel.

Ungleichbehandlung bei Ferrari? Räikkönen widerspricht

Damit zielte der Deutsche auf eine mögliche Ungleichbehandlung im Team. Zugunsten des hoch gelobten Leclercs, zulasten des scheidenden Vettels. Ein Thema, das bei Ferrari seit jeher auf großes Interesse stößt. Etwa zur Zeit Kimi Räikkönens bei den Roten. Der Finne widerspricht solchen Theorien klar.

Anders behandelt worden sei auch er nie. „Absolut nicht“, sagte Räikkönen am vergangenen Donnerstag. Das gelte mit Sicherheit auch jetzt für Vettel. „Ich bin sicher, dass sie exakt gleichbehandelt werden, beide. Es liegt ja in ihrem Interesse, mit beiden Autos das bestmögliche Ergebnis zu bekommen, deshalb sehe ich den Punkt nicht, warum sie etwas anderes tun sollten“, erklärte der bis heute letzte Ferrari-Weltmeister.

Kimi Räikkönen zweifelt: Beziehung nicht so schlecht

Auch Räikkönen will von einem zerrütteten Verhältnis bei Ferrari nichts wissen - oder zumindest nicht unwissend einfach mal darüber spekulieren. „Ich habe letztes Wochenende kurz mit ihm gesprochen als wir uns gesehen haben. Das war vor dem Start, mehr weiß ich auch nicht“, sagte Räikkönen am Donnerstag vor dem zweiten Rennen in Spielberg über einen kurzen Plausch mit seinem ‚Buddy’ als Ferrari-Zeiten.

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„Ich weiß nicht, was sich da abspielt, das sind nicht meine Angelegenheiten. Ich finde es unfair, zu bewerten, ob jemand schlecht behandelt wird oder nicht, weil ich einfach nicht weiß, was da vor sich geht“, ergänzte Räikkönen.

Gerhard Berger: Vettel & Ferrari-Unruhe passte einfach nicht

Zumindest eine persönliche Einschätzung ließ sich der durch Ferrari schon zweifach vor die Tür gesetzte Finne dann doch entlocken. „Ich bezweifle, dass sie eine derart schlechte Beziehung haben wie die Leute es darstellen. Natürlich entwickelt es sich manchmal in diese Richtung, dass du ein Team verlässt, oder entscheidest, zu gehen, wie herum auch immer. Wir werden sehen, wie seine Zukunft aussieht“, sagte der eine Wahlschweizer über den anderen.

Ein anderer Vertrauter Vettels, Gerhard Berger, sieht zumindest ein schwieriges Umfeld und dauerhafte politische Unruhen bei Ferrari. Genau das habe letztlich dazu geführt, dass Vettel und die Scuderia nie so recht zusammenfanden und zuletzt gar auseinanderdrifteten. „In so einem Umfeld funktioniert Seb nicht. Ich kennen den Seb, der braucht Pflege, Massage - dann geht der auch in Höchstleistung“, sagte Berger am Montag bei ServusTV.

„Wenn man dann auch noch einen Leclerc ins Team kriegt, dessen Manager der Nicolas Todt ist und der sich Ruckzuck in die Herzen der Italiener befördert, dann ist das nicht gut für den Seb“, ergänzte Berger. Bei Ferrari zum Erfolg zu kommen, sei eben unfassbar schwierig. Das habe er in seinen sechs Jahren bei der Scuderia nicht nur selbst erfahren, das gelte grundsätzlich.

Berger: „In diesen ganzen Jahren sind bis auf Ausnahmen wie Kimi nur zwei konstant gut gefahren: Nur Niki Lauda, der mit seinem ganzen können das Team so gemanagt und gesteuert hat, dass es ein Siegerteam geworden ist. Und der anderen war Michael Schumacher, der hat aber gleich einmal die halbe Mannschaft von Benetton mitgenommen und sich zusammen mit Jean Todt aufgestellt. Der hat noch viel mehr im Hintergrund gearbeitet als ein Seb oder auch als ich. Und nur so kommt man bei Ferrari zum Erfolg.“