Am Ende des Steiermark GP standen die Plätze sechs und sieben für die beiden Racing-Point-Piloten Sergio Perez und Lance Stroll. Ein ordentliches Resultat für ein Mittelfeldteam, aber nicht mehr. Doch bei genauerer Betrachtung waren die pinken Boliden so schnell, dass Renault nun Protest einlegte.

Der Protest ist eine Geschichte für sich und soll an dieser Stelle nicht näher behandelt werden. Dafür aber die schiere Performance des RP20, wie der Formel-1-Bolide der Saison 2020 von Racing Point ganz profan heißt.

Am ersten Rennwochenende, beim Österreich GP, waren die pinken Flitzer ordentlich, wenn auch nicht übermäßig schnell unterwegs. Sergio Perez hätte auf dem Podium laden können, allerdings nur aufgrund zahlreicher Ausfälle. Eine Woche später, auf gleicher Strecke, explodierte die Pace plötzlich.

Perez mit Trainingsbestzeit

Perez sorgte im 1. Freien Training mit Bestzeit für Aufsehen. Im 2. Freien Training war es erneut der Mexikaner, der auch die Top-Teams nicht schlecht Staunen ließ: Zwei Zehntel Rückstand auf Max Verstappens Bestzeit, Rang drei in der Endabrechnung.

"Weil die Möglichkeit bestand, dass das Ergebnis von FP2 die Startaufstellung ist, sind wir das Training angegangen wie eine Qualifying-Session", gestand Teamchef Otmar Szafnauer und fügte an: "Vielleicht nicht ganz, auf manche Motormodi haben wir verzichtet, aber es war schon ziemlich nah dran."

"Wenn die anderen Teams das gleiche gemacht haben - und ich weiß nicht, ob sie das gemacht haben -, dann war unsere Pace am Freitag im zweiten Training unsere echte Pace in Relation zu den anderen", so Szafnauer weiter. "Und wenn nicht, dann ist es nicht weit weg von dem, was wir am Freitag gesehen haben."

Platz drei hinter Mercedes und Red Bull, zwei Zehntel Rückstand - eine Ansage von Racing Point. Doch ist das schon das Ende der Fahnenstange? Im Rennen schien zwischenzeitlich die wahre Pace des 'pinken Mercedes', wie der RP20 im Volksmund genannt wird, hervorzublitzen.

Regen-Qualifying täuscht über wahre Performance hinweg

Nachdem die FP2-Zeiten letztlich irrelevant waren, weil die Qualifikation unter nassen Bedingungen stattfinden konnte, mussten Perez und Stroll von weit hinten ins Rennen gehen. Im Regen hatten die Ingenieure Probleme, das richtige Setup zu finden.

Stroll startete von P12, Perez von P17. Die erste Rennhälfte waren beide damit beschäftigt, durchs Feld zu pflügen. Die wahre Pace wurde dabei vom Verkehr verschleiert. Erst im zweiten Stint, als beide von Soft auf Medium gewechselt waren, wurde die wahre Performance offensichtlich.

Nachdem Perez in Runde 48 an Daniel Ricciardo vorbeigegangen war, ging die Post ab. Der Mexikaner hatte ein Ziel vor Augen: Fünf Sekunden vor ihm fuhr Alexander Albon im zweiten Red Bull auf Rang vier.

Wie schnell Perez auf den Red-Bull-Piloten aufholte, war sagenhaft. Doch Albon ist nicht der richtige Maßstab. Der Thai-Brite lag zu diesem Zeitpunkt 40 Sekunden hinter seinem Teamkollegen. Verstappen diente zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Maßstab, weil er sich einen Frontflügelschaden zugezogen und seine Reifen hart rangenommen hatte.

Als Bezugsgröße eigenen sich dafür die Rundenzeiten von Valtteri Bottas. Der Mercedes-Pilot kam nur wenige Runden vor Perez zum Boxenstopp und holte sich ebenfalls die Medium-Pneus. Und auch der Finne hatte ein Ziel vor Augen: Verstappen. Perez und Bottas fuhren zu diesem Zeitpunkt auf ähnlichen Reifen mit ähnlichem Ziel.

Das Ergebnis ist beeindruckend: Im Fernduell fuhr Perez über knapp 20 Runden die schnelleren Zeiten. Rund zwei Zehntelsekunden pro Runde fuhr Perez im Schnitt schneller, holte so also vier Sekunden auf Bottas auf.

Selbst Lando Norris, der seinerseits ebenfalls zu einem phänomenalen und vielbeachteten Schlusssprint ansetzte, konnte nicht mit Perez mithalten. Der McLaren-Pilot verlor im selben Zeitraum rund fünf Sekunden.

Weil Hamilton zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr alles geben musste und Verstappen nicht mehr konnte, fällt der Vergleich leider flach. Der direkte Vergleich mit Bottas zeigt aber, dass Racing Point mehr als nur Best of the Rest ist.

Wenn es läuft, ist Racing Point eine eigene Liga hinter den Top-Teams - wenn nicht sogar eine Gefahr für den ein oder anderen Mercedes oder Red Bull. Der Red Bull Ring war nur ein erster Gradmesser. Die schnellen Kurven im letzten Sektor schmeckten dem RP20 besonders gut, die langsamen Ecken in den ersten beiden Sektoren weniger.

"Einige Strecken könnten uns noch besser liegen als der Red Bull Ring und wir können noch näher dran sein", meint auch Szafnauer. Silverstone zum Beispiel dürfe dem Racing Point auf den Leib geschneidert sein. Der Hungaroring könnte das andere Extrem sein.

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