Mercedes versetzte die Formel 1 in den Trainings zum ersten Rennen 2020 in Österreich in Angst und Schrecken. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas enteilten der Konkurrenz in beiden Sessions gnadenlos. Von der nun allerorts gefürchteten, erdrückenden Dominanz wollen die Weltmeister aber nichts wissen. Fahrer und Teamchef Toto Wolff stapeln vor dem Qualifying am Samstag tief.

"Es sieht auf jeden Fall gut aus. Aber man sollte nie zu viel in das Training hineininterpretieren. Die anderen Teams hatten vielleicht den Motor nicht aufgedreht oder mehr Benzin an Bord", übt sich Hamilton nach zwei Bestzeiten zum Start in die neue Saison in der großen Kunst des Understatements.

Der Brite hatte auf dem Soft-Reifen in beiden Sessions klar die Bestzeit markiert. Obwohl er auf seiner schnellsten Runde im FP2 Verkehr hatte und in Kurve vier den Scheitelpunkt verpasste, landete er mit zwei Zehnteln noch deutlich vor Bottas. Der Rest des Feldes, angeführt von Sergio Perez im Racing Point, lag über eine halbe Sekunde zurück.

Von den einstigen Erzrivalen war am Freitag weit und breit nichts zu sehen. Sebastian Vettel platzierte den schnellsten Ferrari am Nachmittag auf Platz acht, Max Verstappen fuhr im Red Bull lediglich auf die achte Position. Doch Bottas fürchtet wie Hamilton ein böses Erwachen.

Bottas sieht Bedrohung für Mercedes: Teams haben mehr Performance

"Wir sehen eine Bedrohung. Es ist Freitag und nur das Training. Ich denke, jedes Team hat noch mehr Performance. Die Rundenzeiten werden sicher wegen der Streckenentwicklung fallen, aber auch weil Teams und Fahrer noch mehr können", ist der Finne überzeugt. Toto Wolff fürchtet im Gespräch mit dem ORF aber nicht nur die Konkurrenz.

"Es war wirklich ein guter Tag, ohne Probleme. Aber da stellt man sich die Frage: Generalprobe gut, wie wird dann die Aufführung. Deswegen bleiben wir lieber konservativ", so der Österreicher, der neben unvorhersehbaren Ereignissen vor allem Red Bull auf dem Zettel hat: "Ich gehe schon davon aus, dass der Honda noch viel Potential hat und dass die mit dem Setup noch in die richtige Richtung gehen werden."

Hamilton merkt keinen Unterschied: Testfahrten schon vergessen

In die richtige Richtung ging in den vergangenen Monaten offenbar auch sein Team. Der Mercedes F1 W11 war nach den Wintertestfahrten in Barcelona der klare Favorit. Für Spielberg wurde der Bolide nicht nur umlackiert, sondern auch weiterentwickelt. "Es fühlt sich anders an, aber nicht sehr anders", so Bottas.

Während Hamilton wie ein Uhrwerk unterwegs war, schien Bottas nebst einem Getriebeproblem gegen Ende des zweiten Trainings auch mit der Balance noch leichte Schwierigkeiten zu haben. Er sieht hier noch Verbesserungspotential: "Es geht darum, die Balance in schnellen und langsamen Kurven hinzubekommen. Manchmal fühlt es sich in den schnellen gut an, manchmal in den langsamen, aber nie beides in einer Runde."

Hamilton traute sich anders als Bottas kein Urteil zu den Weiterentwicklungen am Auto zu."Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es im Februar war. Das ist so lange her", so der sechsmalige Weltmeister. "Aber positiv ist, dass sich das Auto heute gut angefühlt hat. Es fühlt sich gegenüber dem letzten Jahr definitiv so an, als ob wir es verbessert hätten."

Mercedes für DAS unter Beschuss von Red Bull

Das sieht auch die Konkurrenz so. Red Bull sah sich durch den Auftritt des verbesserten Mercedes dazu veranlasst, noch am Freitagabend Protest gegen den Einsatz des DAS-Systems einzulegen, welches schon bei den Wintertestfahrten für Aufsehen gesorgt hatte. Wolff versteht die erneute Aufregung nicht.

"Ich glaube, es ist wirklich eine gute Innovation. Aber ich denke nicht, dass es so viel bringt wie alle glauben. Performance ist im Rennsport generell eine Zusammensetzung vieler Faktoren und nicht nur eine Sache", so der Österreicher. "DAS hilft sicher mit der Reifentemperatur, aber wenn es rausgenommen wird haben wir einen massiven Gewichtsvorteil, denn es wiegt viel und das an einer ungünstigen Stelle."