Ob in der Formel-1-Saison 2021 aufgrund der Corona-Situation ein Großer Preis der USA ausgetragen werden kann, ist derzeit noch unklar. Geplant ist das Rennen in Austin im November. 2005 wurde der Große Preis der USA bereits am 19. Juni ausgetragen, doch damals wäre es möglicherweise besser gewesen, wenn überhaupt kein Rennen stattgefunden hätte. Denn der Start des GPs sorgte für den wohl größten Skandal der jüngeren Formel-1-Geschichte.

Formel 1 heute vor 16 Jahren: Der Schandfleck von Indianapolis

Selten erhitzte ein Formel-1-Rennen die Gemüter wie der USA GP 2005. Das Rennen mit nur sechs Autos von Ferrari, Jordan und Minardi ging als größter Skandal der Neuzeit in die Geschichte des Sports ein. Das für diesen Ausgang verantwortliche Politikum nahm bereits am Trainingsfreitag seinen Lauf, als Toyota-Pilot Ralf Schumacher in der Steilkurve von Indianapolis verunfallte.

Es war der zweite schwere Unfall des Kerpeners an dieser Stelle innerhalb von nur zwölf Monaten. Im Vorjahr war er im Rennen mit seinem BMW-Williams abgeflogen, nachdem Trümmerteile einen Reifenschaden verursacht hatten. Seinem Unfall ein Jahr später lag hingegen eine Fehlkonstruktion der Michelin-Reifen zugrunde, welche im Training bei mehreren Autos zu Reifenschäden geführt hatte.

Während Schumacher nach seinem Unfall keine Startfreigabe von FIA-Arzt Gary Hartstein erhielt und sich auf den Weg nach Hause machte, untersuchten die Ingenieure von Michelin die Reifenschäden. Die Schlussfolgerung: der Reifen hält maximal zehn Runden. Da das Regelwerk für 2005 den Reifenwechsel während des Rennens untersagte, war die Durchführung des Events für die sieben Michelin-Kunden BAR, McLaren, Red Bull, Renault, Sauber, Toyota und Williams unter diesen Umständen nicht realisierbar.

Ralf Schumacher erhielt nach seinem schweren Unfall im Training keine Freigabe für das Rennen, Foto: Sutton
Ralf Schumacher erhielt nach seinem schweren Unfall im Training keine Freigabe für das Rennen, Foto: Sutton

Michelin versuchte daraufhin zwei Lösungsansätze. Der erste bestand darin, in der Nacht zum Samstag eine andere Reifenmischung einzufliegen, welche der Barcelona-Konfiguration entsprach. Da die Sicherheit dieses Reifen allerdings auch nicht garantiert werden konnte und die FIA im Einsatz einer nicht für das Rennen homologierten Mischung einen Regelbruch sah, hatte diese Lösung wenig Aussicht auf Erfolg.

Aus diesem Grund schlug Michelin zur Reduktion der Geschwindigkeiten in der Steilkurve eine temporäre Schikane vor. FIA-Rennleiter Charlie Whiting lehnte jedoch auch diesen Vorschlag ab, da er ihn als unfair gegenüber den Bridgestone-Teams einstufte. Seine Lösung des Problems sah entweder einen für die Gewährleistung der Sicherheit gestatteten Boxenstopp alle zehn Runden oder alternativ ein durch Michelin für deren Kunden festgelegtes Tempolimit in Turn 13 vor.

Das Qualifying ging trotz der hitzigen Diskussionen wie gewohnt über die Bühne und bescherte Toyota durch Jarno Trulli die erste Pole Position der Teamgeschichte. Ohne zu einer Lösung gelangt zu sein, kamen am Sonntagmorgen Offizielle und Teamchefs für eine letzte Krisenbesprechung zusammen. Alle, bis auf Ferrari-Teamchef Jean Todt, den Bernie Ecclestone zu überzeugen versuchte.

Bernie Ecclestone versuchte vergeblich zwischen FIA, Ferrari und der Gegenseite zu vermitteln, Foto: Sutton
Bernie Ecclestone versuchte vergeblich zwischen FIA, Ferrari und der Gegenseite zu vermitteln, Foto: Sutton

Minardi-Teamchef Paul Stoddart und Jordan-Teamchef Colin Kolles zeigten sich solidarisch. Sie lehnten die Vorschläge der FIA ab und sprachen sich zum Wohle des Sports für die von Michelin angedachte Schikane aus. Todt hingegen hatte kein Mitleid mit den Michelin-Teams, war damit aber nicht allein.

FIA-Präsident Max Mosley sprach sich ebenfalls gegen die Schikane aus. Er drohte dem Rennen den Status als Lauf zur Formel-1-Weltmeisterschaft zu entziehen, sollte die Streckenführung in irgendeiner Weise geändert werden. Die Debatte ging sogar soweit, dass Teile des Michelin-Lagers zur Durchführung des Events ein nicht zur WM zählendes Rennen ohne Ferrari in den Raum stellten.

Weder dieses wilde Vorhaben noch irgendeine andere Lösung ließen sich bis zum Rennstart umsetzen. Um 14:00 Uhr Ortszeit standen zunächst wie an einem ganz normalen Rennsonntag alle 20 Autos im Grid. Die verhärteten Fronten veranlassten die Michelin-Kunden allerdings, ihren Fahrern die Teilnahme am Rennen zu untersagen. Nach der Einführungsrunde bogen 14 Autos unter den Pfiffen des Publikums wieder in die Boxengasse ab.

Die Fans protestierten gegen das Skandal-Rennen, Foto: Sutton
Die Fans protestierten gegen das Skandal-Rennen, Foto: Sutton

Die Fans machten ihrem Unmut Luft, indem sie Bierdosen und andere Gegenstände auf die Strecke warfen. Ein Großteil der rund 100.000 Zuschauer verließ innerhalb der ersten Runden die Plätze, während die Motorsport-Welt ungläubig dem absurden Bild auf der Rennstrecke folgte und hitzig über die Situation diskutierte.

Ralf Schumacher sah sich veranlasst, zum Telefon zu greifen und sich zu den RTL-Kommentatoren Heiko Waßer und Christian Danner durchstellen zu lassen, um ihnen in einem rund zehnminütigen Gespräch während der Übertragung den Kopf zu waschen. Der Toyota-Pilot sprach sich entschieden gegen die Wortwahl Waßers und Danners aus, die das Rennen wie viele andere auch als Farce bezeichneten.

Inmitten des Aufruhrs fuhr Michael Schumacher vor Rubens Barrichello den einzigen Ferrari-Sieg der Saison ein. Tiago Monteiro bescherte Jordan ein skurriles Podest, gefolgt von Teamkollege Narain Karthikeyan und den beiden Minardi-Piloten Chrstijan Albers und Patrick Friesacher.

Was sonst noch geschah:

Vor fünf Jahren: Als Grand Prix von Europa feierte Baku 2016 seine F1-Premiere und lieferte eines dieser Rennen, an das sich wohl bis auf Sergio Perez heute niemand mehr erinnert. Die 51 Runden auf dem Stadtkurs in der Hauptstadt Aserbaidschans lieferten wenig Action und dafür jede Menge Gejammer über Reifen. Nachdem Hamilton im Qualifying gecrasht war und im Rennen an der Bedienung seines Mercedes verzweifelte, fuhr Teamkollege Nico Rosberg vor Sebastian Vettel einen ungefährdeten Sieg ein. Perez eroberte im Force India von Startplatz sieben aus ein sensationelles Podium.

Vor 33 Jahren: Der letzte Auftritt der Formel 1 in den Straßen Detroits zeigte das 1988 übliche Bild. Das McLaren-Honda-Duo Ayrton Senna und Alain Prost fuhr vor Thierry Boutsen (Benetton) einen der insgesamt zehn Doppelsiege in dieser Saison ein. Interessanter waren die Piloten auf den Positionen vier und sechs. Andrea de Cesaris und Pierluigi Martini eroberten für ihre Teams Rial beziehungsweise Minardi die ersten WM-Punkte in der Formel 1.

Vor 44 Jahren: Der Schweden GP 1977 brachte abermals nicht den großen Erfolg durch die Lokalmatadore Ronnie Peterson (Tyrrell) und Gunnar Nilsson (Lotus). Stattdessen schrieb Jacques Laffite für Frankreich ein Stück Formel-1-Geschichte. Sein Sieg für Ligier-Matra war der erste eines Autos, dessen Chassis und Motor in der Grande Nation entwickelt und gebaut wurde. Jochen Mass (McLaren) und Carlos Reutemann (Ferrari) komplettierten das Podest.

Vor 61 Jahren: Der in seiner Ur-Form verehrte und zugleich gefürchtete Circuit de Spa-Francorchamps sorgte 1960 für den wohl schwärzesten Sonntag in der Historie des Sports. Der Dreifach-Sieg der Cooper-Climax Teamkollegen Jack Brabham, Bruce McLaren und Olivier Gendebien wurde von gleich zwei tödlichen Unfällen überschattet. Der Brite Chris Bristow verlor in der 20. Runde im Streckenbereich Malmedy die Kontrolle über seinen Boliden, wurde beim Aufprall aus dem Auto geschleudert und vom Stacheldraht enthauptet. Fünf Runden später traf Landsmann Alan Stacey in der Masta-Kurve ein Vogel am Kopf. Er verunfallte und verbrannte in den Flammen des Wracks.

Vor 66 Jahren: Der Grand Prix der Niederlande 1955 markierte den dritten von bis dato 53 Mercedes-Doppelsiegen in der Formel 1. Juan Manuel Fangio gewann in Zandvoort nach 420 km Renndistanz mit nur drei Zehnteln Vorsprung auf Stirling Moss. Ihr deutscher Teamkollege Karl Kling war auf Platz drei liegend durch deinen Dreher ausgefallen, wodurch Luigi Musso im Maserati das letzte Edelmetall erbte.