Formel 1: Wer sind die Gewinner & Verlierer des Vettel-Bebens? (18:57 Min.)

Die Trennung von Sebastian Vettel und Ferrari zur Saison 2021 sorgte auf dem Transfermarkt der Formel 1 für einen regelrechten Erdrutsch. Innerhalb weniger Tage war das Stühlerücken bei Ferrari, McLaren und Renault vollzogen und die erste Runde der Silly Season genau so schnell vorbei, wie sie eingeläutet wurde. Für Carlos Sainz war das Ende der einstigen Traumehe der größtmögliche Glücksfall, andere wiederum dürften berechtigte Zukunftssorgen haben.

Die Gewinner von Sebastian Vettels Ferrari-Aus

Carlos Sainz: Das Timing hätte für Vettels Nachfolger bei Ferrari kaum besser sein können. Sainz befand sich nach fünf Jahren in der Königsklasse im Aufschwung und in der Stagnation zugleich. 2015 hatte er an der Seite Max Verstappens bei Toro Rosso debütiert, doch die Tür des Top-Teams von Red Bull blieb ihm verschlossen. Die Unzufriedenheit über diese Situation trieb ihn in ein kurzes Gastspiel bei Renault, welches seine Formel-1-Karriere Mitte 2018 fast zum Stillstand brachte.

Der zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger notgedrungene Wechsel zu einem seit Jahren in der Krise steckenden McLaren-Team kristallisierte sich 2019 als der erste goldene Schachzug des Spaniers heraus. McLaren gelang mit dem MCL34 im vergangenen Jahr der große Wurf und Sainz packte die Gelegenheit beim Schopf. Der 25-Jährige nutzte seine Fähigkeiten und seine Erfahrung und machte aus dem Notnagel das beste Jahr seiner F1-Laufbahn.

Mit Pace und Intelligenz erzielte er konstant Top-Resultate und holte das Maximum aus seinen Möglichkeiten. Platz sechs in der Fahrer-WM machte ihn zum Best of the Rest, samt eines Premieren-Podium in Brasilien als Krönung seiner neu gewonnenen Top-Form. In Maranello erhält Sainz zum perfekten Zeitpunkt die Chance seines Lebens, welche ihm bei Red Bull verwehrt blieb.

Doch der Traum aller Rennfahrer birgt auch Risiken. Ferraris Durststrecke könnte 2021 bei 14 Jahren ohne WM-Titel liegen und Sainz wird den damit einhergehenden Erfolgsdruck auch auf seinen Schultern spüren. Dazu kommt mit Charles Leclerc ein Teamkollege, der gerade erst einem Kaliber wie Sebastian Vettel das Wasser abgegraben hat und sein Standing innerhalb des Teams mit maximaler Härter verteidigen wird.

Carlos Sainz feierte 2019 mit McLaren sein erstes Podium in der Formel 1, Foto: LAT Images
Carlos Sainz feierte 2019 mit McLaren sein erstes Podium in der Formel 1, Foto: LAT Images

Ferrari: Nach seinem Empfehlungsschreiben in Form der Saison 2019 überraschte Ferraris Entscheidung für Sainz kaum. Die Italiener sicherten sich damit die beste für sie verfügbare Option. Sainz ist jünger und günstiger als Daniel Ricciardo und im Gegensatz zu Ferrari-Junior Antonio Giovinazzi in der F1 längst etabliert.

Gleichzeitig hat sich für Ferrari die nervenaufreibende Rivalität zwischen Sebastian Vettel und dem aufstrebenden Charles Leclerc erledigt. Die Teamführung kann sich nun voll und ganz auf den neuen Teamleader konzentrieren. Sainz wird als Aufsteiger aus dem Mittelfeld wohl andere Ansprüche als ein viermaliger Weltmeister stellen, was Hoffnung auf etwas mehr sportliche Harmonie beim neuen Fahrer-Duo macht.

Daniel Ricciardo: Für den australischen Publikumgsliebing ist McLaren aus zweierlei Hinsicht ein guter Deal. Die Performance von Renault war nicht das, was er sich bei seiner Vertragsunterzeichnung im Sommer 2018 erhofft hatte. Die Franzosen verloren Platz vier bei den Konstrukteuren an McLaren und Ricciardo räumte trotz Treueschwur mehrmals ein, gegenüber Angeboten anderer Teams nicht abgeneigt zu sein.

Ohne die Chance auf eine Rückkehr in die Reihen der Top-Teams hat er mit McLaren die bestmögliche Option für sich klar gemacht. Da angesichts der ausbleibenden Erfolge in Kombination mit der kritischen Wirtschaftslage die Fortsetzung von Renaults Formel-1-Engagement fraglich ist, könnte sich diese Wahl im Nachhinein sogar als noch wichtigerer Schritt in der Karriere des 30-Jährigen herausstellen.

McLaren: Die Einigung zwischen McLaren und Daniel Ricciardo erfolgte schnell und ist für das Team ein Traum-Szenario. In Woking wird der Verlust von Teamleader Sainz mit Ricciardo mehr als nur adäquat kompensiert. Ein Rennsieger mit Top-Team- sowie Werksteam-Erfahrung kommt dem Aufschwung McLarens mehr als gelegen. Darüber hinaus ist Ricciardo mit seinem Charisma und seiner Medienpräsenz ein absoluter Hauptgewinn für das Marketing des Teams.

Daniel Ricciardo ist für McLaren in vielerlei Hinsicht ein Gewinn, Foto: LAT Images
Daniel Ricciardo ist für McLaren in vielerlei Hinsicht ein Gewinn, Foto: LAT Images

Die Verlierer von Sebastian Vettels Ferrari-Aus

Sebastian Vettel: Die verfehlte Einigung mit Ferrari ist in der langen und erfolgreichen Karriere Vettels eine gänzlich neue Situation, welche nur wenig Perspektiven lässt. Sollte er seinen Traum vom WM-Titel in Rot in dieser Saison nicht erfüllen, ist das 2015 mit so viel Herzblut in Angriff genommene Projekt gescheitert. Darüber hinaus bleiben dem Heppenheimer kaum Optionen, weiter in der Formel 1 zu fahren.

Nach über zehn Jahren mit siegfähigem Material dürfte ein Mittelfeld-Team ihm kaum die Perspektive geben, die er für ein Engagement in der F1 voraussetzt. Nachdem Red Bull bereits mehrfach eine Rückkehr ihres viermaligen Weltmeisters ausschloss, bleibt Mercedes für Vettel die einzige lukrative Option. Bei den Silberpfeilen sind für 2021 noch keine Verträge unterschrieben.

Im Normalfall ist ein Fahrer von Vettels Format für das Weltmeister-Team zweifelsohne eine interessante Option, doch inwiefern der deutsche Automobilkonzern langfristig mit der Formel 1 plant steht angesichts der weltweiten Corona-Krise in den Sternen. Geld war laut Vettel nicht der Grund für die gescheiterten Ferrari-Verhandlungen. Doch wenn er dort schon nicht an einem Deal mit kurzer Laufzeit interessiert war, könnte auch bei Mercedes das Thema Planungssicherheit eine Hürde darstellen.

Sebastian Vettel könnte 2021 in der Formel 1 fehlen, Foto: LAT Images
Sebastian Vettel könnte 2021 in der Formel 1 fehlen, Foto: LAT Images

Renault: Der Abschied Ricciardos ist für die Ambitionen des Werksteams ein weiterer schwerer Rückschlag. Seit der Rückkehr im Jahr 2016 verfehlte Renault die ursprünglich gesetzten Ziele in jeder Saison deutlich. Selbst der vierte Platz in der Konstrukteursweltmeisterschaft 2018 kam mit einem Jahr Verspätung. Ricciardo sollte nach Jahren der Stagnation den richtigen Drive in die Unternehmung bringen.

Doch auch der siebenfache Grand-Prix-Sieger konnte für die Gelben keine Wunder vollbringen. Mit Esteban Ocon wurde anstelle des einstigen Erfolgsgarant Nico Hülkenberg für 2020 frisches Blut verpflichtet. Ergänzend zu Ricciardos Erfahrung soll der Mercedes-Junior noch mehr Schwung ins Team bringen.

Durch den Abgang des Teamleaders steht Renault für 2021 alleine mit dem Youngster da. Die Lücke Ricciardos lässt sich nicht im Handumdrehen stopfen, denn Fahrer wie er sind auf dem Markt rar. Gerüchte um einen Vertrag mit Fernando Alonsos sind gewagt, denn für den zweimaligen Weltmeister kamen gemäß eigenen Aussagen für ein Comeback bisher nur Top-Teams in Frage.

Für Renault könnte sich die Zukunft damit noch zäher als die Vergangenheit gestalten, auch wenn Teamchef Cyril Abiteboul bekräftigt, dass sich an den Zielen der Mannschaft durch die neue Situation ohne einen erfahrenen Mann in den eigenen Reihen nichts ändert.