Die Formel 1 zankt sich um die Kosten-Obergrenze. Seit Beginn der Coronavirus-Krise wird über einen aggressiven Einschnitt bei den erlaubten Ausgaben pro Saison debattiert, doch die Diskussionen zwischen den Teams, dem Serienvermarkter Liberty und der Regelbehörde FIA dauern.

Die kleineren Teams wollen die Kostengrenze von den ursprünglich für 2021 geplanten 175 Millionen hinunter bis an die 100 Millionen US-Dollar drücken. Die Spitzenteams fürchten die massiven Einschnitte, die sie vornehmen müssten, Kündigungen inklusive. Von Ferrari und Red Bull kommen Proteste, aber auch radikale Vorstellungen, wie kleinen Teams geholfen werden könnte.

Ferrari & Red Bull bereit für Kundenautos

So bekunden sowohl Ferrari-Teamchef Mattia Binotto als auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner gegenüber dem britischen 'Guardian' Interesse an der Idee, den kleineren Teams für die nächsten kritischen Jahre echte Kundenautos zu verkaufen. "Die kleinen Teams bräuchten gar kein R&D [Forschung und Entwicklung]", nennt Horner den Vorteil. "Sie würden es einfach als Rennteam einsetzen, und es würde ihre Kosten enorm reduzieren."

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Eben aus Kostengründen sind im für 2022 geplanten neuen Reglement bereits mehr Optionen für einen Design-Austausch zwischen Teams vorgesehen. Aber ein ganzes Auto zu kaufen war nie angedacht worden, da sich der Sport in den letzten Jahren als reine Konstrukteurs-Veranstaltung verstand. Entsprechend muss jeder 2022 weiter das Monocoque und die meisten Aero-Teile selbst entwerfen und bauen.

Horner sieht keinen Grund, daran festzuhalten: "Mit der modernen 3D-Fotografietechnik, die alle Teams nutzen, versuchen sie sich sowieso gegenseitig zu kopieren." Haas und in diesem Jahr auch Racing Point stachen zuletzt mit sehr detailreichen Kopien von Top-Autos hervor.

Ferrari: Kundenautos in der Formel 1 kein Sakrileg

"Wir müssen kreativer denken, anstatt uns immer nur im Kreis zu bewegen und uns über die Zahlen zu streiten", fordert Horner eine Abkehr von der Diskussion um eine extreme Kosten-Obergrenze. "Wenn die kleinen Teams wettbewerbsfähiger werden sollen, wäre es schwer, die Logik von Kundenautos für kleinere Teams zu bestreiten." Er erinnert, dass Kundenautos einst auch in der Formel 1 ganz normal waren.

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto stimmt zu: "Wenn der aktuelle Notfall wirklich ein paar unserer Mitbewerber in Gefahr bringt und das Anpassen bestimmter Eckpunkte notwendig macht, wäre Ferrari offen dafür. Es ist nicht einmal ein Sakrileg, nachdem es das in der Formel 1 schon gab und es heute in Serien wie der MotoGP passiert."

Ferrari: Sorgen um Zukunft des Formel-1-Teams

Lieber als die in der Vorwoche besprochene verschärfte Kostengrenze von 145 Millionen für 2021, und der weiteren Senkung auf 130 Millionen für 2022 wäre es der Spitze wohl. Binotto warnt vor diesen Zahlen: "Das kann nicht ohne weitere signifikante Opfer erreicht werden, gerade beim Personal." Noch tiefer in Richtung 100 Millionen zu gehen, wie es das Mittelfeld gerne hätte, geht für ihn erst recht nicht: "Wir wollen uns nicht in einer Position finden, in der wir weitere Optionen suchen müssen, um unsere Renn-DNA zu präsentieren."

Eine Ausstiegsdrohung war das übrigens nicht, stellte Ferrari kurz darauf klar. Man will nur nicht die Rennabteilung umschichten und neue Einsatzgebiete für das Personal finden müssen. Binotto sieht eine "ethische Pflicht" des Unternehmens, die Arbeitsplätze zu sichern. Wenn die Top-Teams ihre Budgets auf 100 Millionen kürzen müssen, wäre das für sie kaum zu machen.

Kunden-Dilemma im Formel-1-Mittelfeld

Red Bulls Teamchef Horner vermutet in den extremen Forderungen der kleineren Teams - öffentlich zuletzt von McLaren angeführt - letztendlich mehr als nur wirtschaftliche Sorgen: "Die Grenze ist eine Diskussion über Wettbewerbsfähigkeit, nicht über Geld. Es geht darum, die Top-Teams auf ein Level zu bringen, auf dem sich das Mittelfeld wettbewerbsfähig fühlt." Genau hier wären Kundenautos in seinen Augen eben ideal.

McLaren und Renault bauen aus Überzeugung selbst, Foto: LAT Images
McLaren und Renault bauen aus Überzeugung selbst, Foto: LAT Images

Das Problem an einer hohen Kostengrenze mit Kundenautos ist nur: Im Mittelfeld gibt es mehrere Teams, die sich selbst als Konstrukteure verstehen und für die ein eingekauftes Auto keine Option ist. Das betrifft vor allem Renault und McLaren. Sie wollen ein eigenes Auto bauen, doch das Budget eines Top-Teams können (oder wollen) sie nicht aufbieten.

Bleibt die Kostengrenze moderat, laufen sie Gefahr, weiter hinterherzufahren. Erst recht, wenn wirtschaftliche Probleme sie nach der Krise zu Kürzungen zwingen. Und kommen Kundenautos, könnten sie von den Kundenteams der Spitze ins hintere Drittel des Feldes verdrängt werden.