Kimi Räikkönen ist kein Mann, der viele Worte verliert. Erst recht keine überflüssigen. In einem Interview mit unseren französischen Kollegen der ‚Auto Hebdo’ plaudert der Formel-1-Weltmeister von 2007 nun allerdings auch ohne sportliche Faktenlage ausführlich über das, was gerade alle in der Szene beschäftigt - die Lage der F1 zur Zeit des Coronavirus und ihr Umgang mit der Pandemie.

Bereits bei seinem einzigen Medientermin des kurzfristig abgesagten Australien GP hatte sich der Routinier als einziger Pilot neben Wortführer Lewis Hamilton kritisch zu dem Versuch der Formel 1, den Saisonstart überhaupt durchzuziehen, geäußert. Mehr als Zweifel meldete Räikkönen in Melbourne allerdings nicht an.

Räikkönen kritisiert F1: Australien-Absage mehr als wahrscheinlich

In dem via Telefonschalte in seine südfinnische Residenz Porkkala geführten Interview geht der 40-Jährige nun einen Schritt weiter. Es sei immer klar gewesen, dass das Coronavirus den F1-Tross in Australien befallen würde, so Räikkönen. „Ich bedauere, dass es angesichts der Ereignisse in Europa mehr als wahrscheinlich war, dass ein solches Szenario eintreten würde. Zweifellos hätte die Entscheidung früher getroffen werden können“, sagt der Finne.

Der Alfa-Romeo-Pilot erklärt: „Alle Leute im Fahrerlager, und das sind eine Menge Leute, kamen aus Europa, sodass es große Chance bestand, dass jemand in einem Flughafen, einem Flugzeug oder sonst wo infiziert werden würde. Und das ist passiert.“ Konkret geschah das bei einem Mitarbeiter des McLaren-Teams. Die Formel 1 reagierte in einem elendig langen Prozess mit der Absage.

Besser spät als nie

Zumindest diese Entscheidung begrüßt Räikkönen. „Es gab keine andere Möglichkeit“, sagt der zweifache Vater. „Auch wenn erst spät abgesagt wurde, war das noch besser, als Risiken für die Mitarbeiter der F1 und die Zuschauer einzugehen.“ Die Reise an sich hätte die Formel 1 allerdings gleich vermeiden müssen. „Wir hätten nicht hinfahren sollen, aber die Entscheidung war nicht unsere. Wir Fahrer folgen dem, was FIA und F1 entscheiden. Wenn es ein Rennen gibt, fahren wir da auch hin“, sagt Räikkönen, der gemeinsam mit Sebastian Vettel als erster Fahrer wieder abreiste - noch vor der offiziellen Absage.

Wie sieht die neue Formel 1 nach der Krise aus? (02:04:00)

Unmittelbar nach der Rückkehr stand Räikkönen noch in Kontakt zu seiner Ingenieuren. Inzwischen befindet sich Alfa Romeo jedoch im vorgezogenen und verlängerten Shutdown - wie alle F1-Teams. Räikkönen hat sich deshalb von seinem Wohnsitz in der Schweiz in die Heimat nach Finnland abgesetzt. Dort könne er seinen Routinen nahezu gewohnt nachgehen.

So verbringt Kimi Räikkönen die Corona-Pause

„Ich habe einen kleinen Raum eingerichtet, aber um das Haus herum ist genügend Platz, damit ich meine täglichen Übungen machen kann“, schildert Räikkönen seine Trainingsmöglichkeiten. Das Hauptargument hat allerdings mit zwei Rädern zu tun. Kimi: „Da es von überall weit weg ist, kann ich auch weiterhin Motocross fahren! Es ist also kein Problem. Ich mache mehr oder weniger das, was ich in vor der Saison oder zwischen den Rennen mache. Es hat sich nicht wirklich geändert.“

Noch dazu versucht Räikkönen, sich von der Pandemie nicht verrückt machen zu lassen. „Ich schaue mir die Nachrichten nicht zu oft an, ich lese auch nicht zu viel in den Zeitungen, aber ich überprüfe die Nachrichten tagsüber auf meinem Handy, um mich über die Verbreitung des Coronavirus auf dem Laufenden zu halten“, sagt Räikkönen. „Ich bin nicht davon besessen, wenn Sie das denken!“

Räikkönen fürchtet brutales Erwachen - nicht nur für Formel 1

Ohnehin habe er dafür kaum Zeit - Rianna und Robin sei dank. „Selbst wenn ich mehr sehen oder lesen wollte, könnte ich das nicht so viel, denn die Kinder lasten mich voll aus. Es ist ein Vollzeitjob“, berichtet Räikkönen. Am Abend schaue er dann mal im TV, was sich auf der Welt abspiele. „Es ist ziemlich furchterregend, was vor sich geht“, sagt Räikkönen. „Niemand möchte sich diesen Virus einfangen, aber das Schlimmste wäre, in Panik zu geraten. Wir müssen tun, was uns gesagt wird: zu Hause bleiben!“

Was geschieht, wenn die Pandemie ausgestanden ist? Steckt die Formel 1 dann in einer veritablen Krise mit unüberwindbaren finanziellen Problemen. Die Sorgen in weiten Teilen des nur noch virtuellen Fahrerlagers sind groß. Räikkönen fürchtet ähnliches, denkt jedoch an das größere Bild. „Das Erwachen ist brutal für alle, nicht nur für die Formel 1“, sagt der Finne.

Hoffnung auf positive Veränderung danach

Allerdings sieht Räikkönen in der Situation auch eine Chance. Räikkönen: „Gerade ist es das wichtigste, dass die Leute gesund bleiben. Aber sobald die Pandemie vorbei ist, kommt die Zeit für Fragen. Ich hoffe, dass vielleicht sogar etwas Positives aus alldem entsteht.“