Der mit Spannung erwartete Auftakt der Formel-1-Saison in Australien wurde zum Albtraum-Wochenende für alle Beteiligten. Nach einem bestätigten Coronavirus-Fall im Fahrerlager kam es zur fast unendlichen Geschichte, erst zwei Stunden vor dem ersten Training stand die Absage fest.

Das Wochenende geriet dadurch zur Farce - und hinterließ viele, viele Verlierer. Angefangen bei den Verantwortlichen bis hin zu den unschuldig zum Handkuss gekommenen Fans. Aber nicht alle mussten ganz unzufrieden aus Melbourne abreisen. Motorsport-Magazin.com blickt zurück und fasst die größten Verlierer und Gewinner zusammen.

Die Gewinner der Australien-Absage

Die Gesundheit: Die Entscheidung mag zu spät gekommen sein, aber sie musste sein. Bei einer von der Welt-Gesundheitsorganisation ausgerufenen Pandemie zum Schutz von Fans, Teams, Medien und allen anderen Beteiligten keine Autorennen auszutragen war ultimativ die richtige Entscheidung.

McLaren: Natürlich ist ein Coronavirus-Fall im Team kein Gewinn. Dahingehend ist McLaren sicher kein Gewinner, und der betroffene Mechaniker schon gar nicht. Zum Glück ist er auf dem Weg der Besserung, und wie McLaren die Situation behandelt hat verdient Applaus. Kein Hinhalten, sondern transparente und schnelle Entscheidungen. Selbst nach dem sofortigen Rückzug - Andreas Seidl und Andrea Stella blieben bei unter Quarantäne gestellten Mitarbeitern, und die Kommunikations-Abteilung nahm sich trotz all dem Zeit, den Medien am Sonntag umfangreiche Zitate der Teamführung zukommen zu lassen, um die Situation zu erklären

Lewis Hamilton & Kimi Räikkönen: Passend dazu verdienen Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen ebenfalls Lob. Der sechsfache Weltmeister Hamilton, der mittlerweile zu den Veteranen im Paddock gehört, war am Donnerstag einer der wenigen, die die Entscheidung, hier ein Rennen abzuhalten, hinterfragten. Auch mit Kritik an den verantwortlichen Stellen sparte er nicht, Stichwort "cash is king". Ähnlich Kimi Räikkönen. Während viele andere einfach nur FIA und Promoter das Vertrauen aussprachen, was rückblickend wie ein klarer Irrtum aussieht.

Simracing: Gefahren wurde am Wochenende ja doch, nur nicht auf einer echten Strecke. Stattdessen gab es gleich zwei virtuelle Rennevents, die Fans via Livestream verfolgen konnten, und bei denen sich F1-Stars wie Max Verstappen oder Lando Norris - beide bekannte Simracer - beteiligten. Das erste Event verbuchte über 50.000 Seher beim Finalrennen, Norris zog später 70.000 auf der Gaming-Plattform Twitch an. Sicherlich die beste Werbung aller Zeiten für Simracing. Dort wird auch die nächsten Wochen weitergefahren. Wer damit anfangen will - jetzt ist die Zeit.

Die FIA: Auf einer bizarren Weise kann die FIA nach Australien durchatmen. Nicht etwa wegen der Absage selbst, sondern wegen einer indirekten Konsequenz. Nach der geheimen Vereinbarung mit Ferrari bezüglich Motor-Tricks 2019 war Feuer am Dach, die sieben Nicht-Ferrari-Teams wollten dagegen vorgehen. Und jetzt? Wohl kein großes Treffen in Australien, weiteres Vorgehen ist eingefroren. Mercedes, zuerst noch treibende Protest-Kraft, scheint laut Medienberichten wieder abzuspringen. Red Bull will weitermachen, aber wenn alle erst im Juni wieder zusammenkommen sollten ...

Die Verlierer der Australien-Absage

Die Fans: Unmöglich, diese Rubrik anders zu beginnen. Vor allem die Fans vor Ort in Melbourne, die am Absage-Tag keine Infos bekamen, alle vor verschlossenen Türen standen, dann hingehalten wurden, und erst im letzten Augenblick von der Absage erfuhren. Das war nicht nur unverschämt, sondern auch noch fahrlässig, schließlich ging es doch eigentlich um die Gesundheit.

Eine Entschuldigung von Seiten des F1-Rechteinhabers Liberty Media und Chase Carey kam erst am Dienstag. Nicht, dass es den Australiern viel helfen wird. Ein Ersatz-Termin ist bei einem wieder aufzubauenden Straßenkurs nicht wirklich realistisch. Also wahrscheinlich keine Formel 1 bis 2021 für Tausende, die sich jetzt mit Rückerstattungen für teure Tickets herumschlagen müssen.

Liberty Media/FOM: Formula One Management und-Eigentümer Liberty Media haben mit der Last-Minute-Entscheidung Anschuldigungen, dass ihnen die Sicherheit egal sei, Tür und Tor geöffnet. Indem sie vom Bekanntwerden des Coronavirus-Falles bis zur Absage fast zwölf Stunden absolute Funkstille hielten, erschienen sie planlos und provozierten ein PR-Desaster. So viel besser als Vorgänger Bernie Ecclestone wirken sie plötzlich nicht mehr.

Australien: Für die Veranstalter des Australien-GPs, die Australian Grand Prix Corporation, und für die Lokalregierung gilt im Wesentlichen dasselbe: Sie erschienen durch die Last-Minute-Entscheidung als geldgierig, unverantwortlich und stehen vor einem PR-Scherbenhaufen. Hinzu kommen voraussichtlich erhebliche finanzielle Verluste. Die werden davon abhängen, wer von Veranstaltern, Liberty und FIA hinter verschlossenen Türen am Ende welche Entscheidung traf. Der Schuldige zahlt die Zeche.

Formel 1 Absage: Wie schlecht war das Krisenmanagement der F1?: (28:38 Min.)

Die FIA: Die FIA ist auch unter den Verlierern, auch auf sie färbt die unentschlossene Entscheidung ab. Dass auf dem Twitter-Profil von FIA-Präsident Jean Todt mitten im Warten auf die Absage noch ein Bild von Todt auf einem Business-Empfang im französischen Valenciennes gepostet wurde, hinterließ einen ganz eigenen Eindruck.

Das Fahrerlager: Damit sind alle eingeschlossen, Teampersonal und Medien zugleich. Sie alle mussten bei sich zunehmend verschärfender Lage nach Australien fliegen. Ihre Sicherheit stand auf dem Spiel, und abgereist sind dann nicht alle - 14 McLaren-Mechaniker blieben in Quarantäne zurück, ein McLaren-Mechaniker und ein Pirelli-Angestellter wurden positiv auf das Coronavirus getestet.

Kleine Teams: Abschließend sorgt sich das Mittelfeld: Je weniger Rennen, und je weniger Einnahmen, desto weniger Gewinn wird von Liberty an die Teams ausgeschüttet. Weniger bedeutet hier gleich mehrere Millionen weniger. Für die Top-Teams mit gesicherten Finanzen keine so große Sorge, aber andere wie Williams oder Haas können schlecht auf Millionen verzichten, wenn sie schon unter 150 Millionen gesamt budgetieren.