Sportliche und sportpolitische Themen gibt es zum Start der Formel-1-Saison 2020 mehr als genug. Doch nicht DAS, nicht Racing Points Fake-Mercedes, nicht der Eklat rund um die FIA und den Ferrari-Motor aus 2019 und schon gar nicht das erste Kräfteverhältnis von Mercedes, Ferrari und Red Bull beim F1-Rennen in Melbourne bestimmen die Tagesagenda am Donnerstag vor dem Australien GP.

Die Debatte um das Coronavirus hat alles weit in den Hintergrund gedrängt.

Verschärfte Hygienemaßnahmen, kaum Fan-Kontakt, ein fast vollständig brach liegender ‚Melbourne Walk’, abgesagte TV-Panels, Sicherheitsabstände auch in den Medienrunden für die schreibende Zunft, Schutzmasken, wohin man sieht, und bereits erste Verdachtsfälle bestimmen den Auftakt in Melbourne - und damit auch die Gesprächsthemen. Motorsport-Magazin.com mit einer Auswahl der Reaktionen aus dem Fahrerlager.

Für die mit Abstand größte Aufmerksamkeit sorgte Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton. Auf größtmöglicher Bühne, in der offiziellen FIA-Pressekonferenz, setzte der Mercedes-Pilot zur Manöverkritik der Formel-1-Bosse, FIA und des Promoters für deren Umgang mit dem Coronavirus an.

Coronavirus: Hamilton wettert gegen Formel 1

"Ich bin sehr überrascht, dass wir hier sind. Toll, dass wir Rennen fahren, aber schockierend, dass wir hier in diesem Raum sitzen. Es scheint so, als ob der Rest der Welt schon ziemlich spät reagiert hat. [Donald] Trump hat heute erst die Grenzen zwischen Europa und den USA geschlossen, die NBA wurde eingestellt aber die Formel 1 macht einfach weiter“, wetterte Hamilton - nur, um noch deutlicher zu werden.

"Geld regiert die Welt...", sagte der absolute Superstar der Szene. Hamiltons Wort wird gehört. Das weiß der sechsfache Formel-1-Weltmeister und Weltstar auch selbst. Wohl deshalb überlegte Hamilton kurz, ob er diese Aussage so in die Welt schicken will. Umd dann eine klare Entscheidung zu treffen. "Nein, ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich mich mit meiner Meinung zurückhalten sollte“, bekräftigte Hamilton noch einmal.

Kimi Räikkönen hinterfragt Entscheidung für Australien

Im Gegenteil. Der Brite ging noch weiter. "Ich habe gehört, dass es zufällig fünf Tage dauert, bis die Ergebnisse da sind", kommentierte der Brite die Tests auf Corona-Infektionen von bis dato fünf Teammitarbeiter aus der Formel 1. Dann wäre das Rennwochenende vorüber. Tatsächlich sollen die Ergebnisse allerdings binnen circa 24 Stunden vorliegen.

Formel 1 2020: Geldgier! Hamilton kritisiert FIA & F1 (08:58 Min.)

Nicht so scharf wie Hamilton, aber ebenfalls mit deutlichen Zweifeln äußerte sich Kimi Räikkönen. „Ich weiß nicht, ob es richtig ist, dass wir hier sind. Vielleicht nicht. Aber es ist nicht unsere Entscheidung. Wenn es nur um die Entscheidungen der Teams ginge, dann wären wir vielleicht nicht hier“, sagte der Formel-1-Routinier.

Jetzt könne man eben nur noch das Risiko zu minimieren versuchen. „Nicht nur für uns, auch für die Fans und für deren Wohl. Wie ich gehört habe, sind ja ein paar Leute im Fahrerlager krank. Noch weiß niemand, was da hinter steckt.“

Sebastian Vettel schloss sich dem Duo zumindest grundlegend an. „Natürlich bekommst du mit, dass viele Sportwettbewerbe und große Events verschoben oder abgesagt werden“, sagte der Ferrari-Pilot. „Wie Lewis gesagt hat ist es eine berechtigt, in Frage zu stellen, warum du hier bist.“ Der FIA und FOM schenkt Vettel jedoch - wie der Großteil seiner Kollegen - sein volles Vertrauen, so viele Vorkehrungen wie möglich zu treffen.

Vettel: Entscheidung fraglich, aber Vertrauen in FIA, F1 & Co

„Aber ich denke auch, dass gerade niemand eine Antwort darauf geben kann, wie sehr du kontrollieren kannst, was passiert“, ergänzte Vettel allerdings. „Jetzt ist es Tatsache, dass wir hier sind und ich finde, dass wir jetzt versuchen müssen, so gut aufzupassen wie es nur geht.“

Daniel Ricciardo, als Lokalmatador gemeinsam mit Hamilton und Vettel in der FIA-PK postiert, sieht es ähnlich. „Ich muss mein ganzes Vertrauen in die FIA setzen“, sagte der Australier. „Wir mögen alle Optionen haben, aber am Ende des Tages bin ich für den Wettbewerb hier und, um Autos zu fahren. Es gibt Leute, die sich da mehr mit beschäftigen als ich, ich befolge einfach nur die Empfehlungen. Ich will nicht egoistisch klingen, aber um ehrlich zu sein, versuche ich mich einfach auf das Rennen zu konzentrieren.“

Fahrer zum Großteil nur auf Rennen fokussiert

Dasselbe gilt für Valtteri Bottas. „Es ist echt gut; hier zu sein und zu fahren. Höchstwahrscheinlich zumindest - jedenfalls habe ich nichts anderes gehört“, sagte der Finne. Ein Experte der weltweiten Corona-Lage sei natürlich auch er nicht. „Aber natürlich ist die Sicherheit von allen Leuten hier im Fahrerlager, den Fans und auf der ganzen Welt extrem wichtig. Darum müssen wir uns kümmern“, so Bottas. „Wenn es weitere Ansagen für dieses Wochenende gibt, dann sicher aus gutem Grund. Mehr habe ich nicht zu sagen. Ich brenne einfach darauf, Rennen zu fahren und würde mich sehr freuen, wenn es uns erlaubt ist.“

Red Bulls Alexander Albon hat bislang nicht einmal einen besonderen Unterschied gespürt. Öl ins Feuer der Hamilton-Kritik? Nicht ganz. „Die meiste Vorbereitung war sowieso schon erledigt bevor wir überhaupt angekommen sind“, sagte der Brite mit thailändischer Rennlizenz. „Also kein großer Unterschied, der Tag mit dem Team hat sie heute nicht groß geändert. Wir versuchen einfach nur, so sicher und bedacht wie möglich zu sein und das Risiko zu minimieren.“ Auch Albon vertraut dabei auf F1, FIA, die Teams und deren Zusammenarbeit.

Max Verstappen hält sich ebenfalls auf neutraler Seite. „Natürlich ist es nicht toll, was gerade passiert. Du versuchst da einfach den Empfehlungen zu folgen. Ich bin kein Arzt, also weiß ich nicht, wie man damit umgeht. Ich befolge nur das, was die Leute mir sagen. Das ist gerade das Beste, was ich tun kann“, so der Niederländer, ebenfalls voller Vertrauen in die richtige Entscheidung der Institutionen.

GPDA legt Statement vor

Esteban Ocon unterdessen wurde mit Atemmaske im Fahrerlager gesichtet während Carlos Sainz ein Fazit, ob die Entscheidung, nach Australien zu fahren, korrekt war, noch nicht wagen will: „Nur die Zeit wird zeigen, ob das die richtige oder falsche Entscheidung war.“

Auch die GPDA hat sich inzwischen mit einem Statement gemeldet. Wenig überraschend entspricht das dem Querschnitt der Fahrermeinungen. Volles Vertrauen in die Gesundheitsbehörden, FIA, Formel 1 und Teams, die besten Absichten zu verfolgen, um die Gesundheit von Fans, Offiziellen, Fahrern und der Öffentlichkeit zu schützen. „Wir stehen in dieser Sache alle zusammen und niemand nimmt es auf die leichte Schulter“, versicherte die Fahrervereinigung dort.

Steiner & Williams verteidigen FIA & Formel 1

Von Teamseiten kommt ebenfalls viel Vertrauenszuspruch - und inzwischen sogar Lob. Noch am Sonntag hatte Renaults Cyril Abiteboul die Formel 1 für einen zu laschen Umgang kritisiert und davor gewarnt, welches Bild man abzugeben drohe, sollte man einfach weitermachen. Ein Szenario, das sich durch die Hamilton-Aussagen inzwischen tatsächlich zu einem beginnenden PR-Desaster entwickelt hat.

Einige Pendants des Franzosen bewerten die Arbeit der Obrigkeiten besser. „Ich würde nicht sagen, dass FIA und FOM da zu wenig Führung geben. Sie wussten ja auch nicht, was kommt. Ich bin seit Sonntag hier und da gab es mit dem Virus hier noch kein Problem. Dann ist es eskaliert“, erinnerte Haas-Teamchef Günter Steiner. „Es ändert sich stündlich. Wir müssen es einfach bestmöglich für die Community managen.“

Zustimmung kam von Claire Williams. „Es ist eine unfassbar schwierige Situation. Ich denke, dass es für jedes Unternehmen - egal, in welcher Branche - unfassbar hart anzupacken ist“, sagte die stellvertretende Teamchefin. „Ich denke, dass sie [FIA & FOM] den bestmöglichen Job gemacht haben, verantwortungsvoll zu handeln und zu tun, was erforderlich war. Aber es natürlich eine derart bewegliche Situation, dass es nicht leicht zu managen ist.“

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