Die Formel 1 steht in den Startlöchern. Am kommenden Wochenende beginnt mit dem Rennen in Australien die Saison 2020. Im Schatten der weltweiten Coronavirus-Krise und den politischen Spannungen zwischen Ferrari, Mercedes und Red Bull wird Melbourne die ersten Antworten auf der Rennstrecke liefern. Das sind die Brennpunkte für den Saisonauftakt im Albert Park.

#1 Hat Ferrari im Winter geblufft?

Bei den Wintertestfahrten in Barcelona machte Ferrari im Februar keine allzu gute Figur. Sebastian Vettel und Charles Leclerc waren anders als im Vorjahr weit hinter der Spitze zu finden. Die Euphorie von vor zwölf Monaten sucht man vergebens, siegessicher scheint sich in Maranello nach diesem Winter niemand mehr zu sein.

Die Konkurrenz rechnet nach der Bauchlandung 2019 damit, dass die Test-Performance von Ferrari ein großer Bluff sein könnte. "Es herrscht dort ein Täuschen und Tarnen wie beim Viehhandel", sagte Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko gegenüber Motorsport-Magazin.com. Ferrari selbst beharrt darauf, dass der SF1000 noch eine Baustelle ist und noch keine Standortbestimmung möglich sei.

Letztendlich ist die Performance aus Barcelona für das Rennen auf dem Albert Park Circuit nur bedingt aussagekräftig. Ferraris Ziel für 2020 lautete mehr Anpressdruck und wie Teamchef Mattia Binotto nach den Testfahrten sagte, soll dieses auch erreicht worden sein. In Australien sollte sich die neue Entwicklungsrichtung positiv auswirken. Ein Rückstand wie bei den Testfahrten scheint ausgeschlossen.

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#2 Wird Mercedes von Red Bull ausgebremst?

Mercedes geht als klarer Favorit in das erste Rennen 2020. Die Weltmeister bestimmten bei den Testfahrten die Pace und die Konkurrenz überlässt Lewis Hamilton und Valtteri Bottas gerne die Rolle des Gejagten. "Wann immer Mercedes auf die Strecke geht, fahren sie ohne Mühe gute Zeiten. Da tun sich alle anderen schwerer", so Vettel.

Doch bei den Champions ist dieser Tage auch nicht alles silber, was glänzt. In Barcelona wurde der F1 W11 mehrfach von Motorproblemen heimgesucht, dazu kamen Defekte bei Kundenteam Williams. "Normalerweise haben wir bei den Wintertestfahrten mehr Vertrauen in unsere Zuverlässigkeit. Das ist nicht perfekt für uns", so Hamilton.

Und nicht nur die Zuverlässigkeit könnte Mercedes in den Saisonstart grätschen. Red Bull lehnte sich bereits in der Woche vor dem GP gegen den Konkurrenten auf. Die Österreicher wiesen die FIA auf eine nicht regelkonforme Konstruktion der hinteren Bremsbelüftung hin, worauf diese eine technische Direktive ausgab, welche Mercedes zu einer Modifikation der Hinterachse zwang.

Des weiteren droht Red Bull mit einem Protest gegen Mercedes, sofern diese in Melbourne das im Winter erstmals getestete DAS-System (Dual Axis Steering) einsetzen, durch welches sich aus dem Cockpit heraus die Spur der Vorderachse verstellen lässt. Für Mercedes könnte Down Under damit auch abseits der Rennstrecke zum Schlachtfeld werden.

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#3 Wer hat Angst vorm pinken Mercedes?

Racing Point schockte die Konkurrenz in Barcelona mit dem RP20 regelrecht. Die Neuentwicklung der Pinken ist dem Weltmeister-Mercedes des Vorjahres wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Konkurrenz, allen voran Renault und McLaren, sehen den Ansatz von Racing Point kritisch. Einzig Haas und AlphaTauri, die mit Ferrari und Red Bull selbst Top-Teams als Kooperationspartner haben, hielten sich zurück.

Teamchef Otmar Szafnauer will von einem pinken Mercedes nichts wissen: "Es ist immer noch unser Design, unsere Entwicklung." Doch so oder so wird erwartet: was wie ein Mercedes aussieht, muss auch wie einer fahren. Damit hat Racing Point die Favoritenrolle im Mittelfeld längst an der Backe.

Sergio Perez und Lance Stroll versuchen den Ball flach zu halten. Nur eines ließ sich Teamleader Perez entlocken. Der RP20 ist schon jetzt ein ganz anderes Kaliber als sein Vorgänger: "Wir waren noch nie zuvor so gut vorbereitet und mussten immer in der zweiten Saisonhälfte liefern. Das wird das erste Mal sein, dass wir stark beginnen."

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#4 Ausnahmezustand im Albert Park

Die australischen Behörden geben sich alle Mühe, den Grand Prix trotz des Coronavirus planmäßig über die Bühne zu bringen. Von einem Geisterrennen, wie es am Wochenende darauf in Bahrain der Fall sein wird, will man in Melbourne nichts wissen. Doch das weltweit grassierende Virus COVID-19 macht auch vor Down Under nicht Halt. Unmittelbar vor dem Medientag wurden vier Teammitglieder aufgrund des Verdachts auf Coronavirus isoliert, Autogrammstunden mit den Piloten wurden abgesagt.

Der Albert Park wird sich an diesem Wochenende im Ausnahmezustand befinden. Alleine der Verdacht auf eine Infektion könnte bereits dafür sorgen, dass Piloten oder Personal aus den ersten Reihen der Teams kurzfristig aus dem Verkehr gezogen werden. Im Paddock herrscht deshalb erhöhte Alarmbereitschaft. "Wenn man heute in Melbourne unterwegs ist, ist es definitiv eine andere Atmosphäre als sonst", so Red-Bull-Pilot Alexander Albon.