Streit und Ärger herrschen in der Formel 1 vor dem Saisonstart 2020 in Australien aktuell auf gefühlt allen Ebenen. Neben des schwelenden Skandals rund um die FIA, Ferrari und deren Power Unit aus 2019, den Folgen der Coronavirus-Epidemie, dem stark an den Vorjahres-Mercedes angelegten Racing Point RP20 und das revolutionäre Lenksystem DAS (Dual Axis Steering) der Silberpfeile, hat sich nun noch eine weitere brisante Front geöffnet.

Dabei im Fokus steht einmal mehr Weltmeisterteam Mercedes. Dieses Mal geht es allerdings nicht um DAS, vor allem mit Blick auf einen möglichen Verstoß gegen Parc-fermé-Regularien ebenfalls noch immer zumindest fragwürdig, sondern die Bremsbelüftungen des W11 an der Hinterachse. Red Bull Racing hält die Lösung seines großen Konkurrenten - und anderer Teams - offenbar für illegal.

Red Bull fragt bei FIA an, neue Direktive verbietet Mercedes-Kniff

Wie die Kollegen von Auto, Motor und Sport (AMuS) berichten, haben die Bullen deshalb zur Klärung beim Weltverband FIA nachgefragt. Daraufhin sei es zu einer neuen Technischen Direktive (TD 014/20) gekommen, wonach die betroffenen Teams, also auch Mercedes, bereits für das erste Saisonrennen in Melbourne ihre Radträger umbauen müssen.

Formel 1 erklärt: So funktioniert das DAS-System von Mercedes (22:58 Min.)

Auch Motorsport-Magazin.com hatte in der Szene bereits von dem drohenden Ärger erfahren. „Wenn sie damit fahren, protestieren wir“, sagte ein hochrangiges Teammitglied zu Motorsport-Magazin.com. „DAS ist für uns das kleinere Problem.“

Mercedes' Bremsbelüftung: Darum geht es

Worum geht es genau? An der Hinterachse dürfen Luftschächte zur Bremskühlung nur in einer klar durch das Technische Reglement definierten Zone installiert sein, nämlich in einem Bereich zwischen Strecke und bis zu 160 Millimeter oberhalb der Radmitte. Alles, was weiter oben liegt, ist untersagt. Zumindest als Luftschacht zur Kühlung. Strukturelle Aufgaben darf der Radträger dort allerdings erfüllen.

Neben DAS (Vorderachse) ist nun auch die Hinterachse des Mercedes W11 in den Fokus gerückt, Foto: LAT Images
Neben DAS (Vorderachse) ist nun auch die Hinterachse des Mercedes W11 in den Fokus gerückt, Foto: LAT Images

Mercedes soll in diesem Bereich den Radträger allerdings so konstruiert haben, dass er in letzter Konsequenz nicht nur eine strukturelle Funktion erfüllt, sondern de facto zum Pseudo-Luftschacht wird. Deshalb sieht die FIA einen primär aerodynamischen Nutzen. Was sich das Team davon offenbar verspricht, ist eine bessere Kühlung von Bremsen und Felgen, einhergehend mit möglichen Vorteilen beim Reifenmanagement.

Umbau schon beim Saisonstart in Australien Pflicht

FIA-Technikdirektor Nikolas Tombazis habe zwar eingeräumt, die Regel sei im Reglement nicht ideal definiert, so AMuS, allerdings fordere er die betroffenen Rennställe auf, dem Geist des Reglements nicht zu widersprechen. Das ist durch die Technische Direktive nun formal geregelt. Derartige Konstruktionen sind nun untersagt - mit sofortiger Wirkung, also gleich für Melbourne. Die betroffenen Teams sind also zu schnellen Umbauten gezwungen.

Formel 1: Defekt-Alarm bei Mercedes, Gefahr für die WM-Chancen? (20:51 Min.)

Dabei sollen zwei Lösungen möglich sein. Entweder soll hinten ein genauso großer Auslass geschaffen werden wie der jetzt illegale Einlass vorne - so würde die Luft ohne kühlende Funktion einfach durchgeleitet. Oder der Schacht kann schlicht vollständig geschlossen werden. Diese einfachere Lösung darf allerdings nur bei den ersten beiden Saisonrennen gewählt werden, ab Vietnam fordert die FIA ein neues, legales Design.