Racing Point hat sich für die Formel-1-Saison 2020 einen ganz besonderen Geniestreich ausgedacht. Das Mittelfeldteam ließ sich für seinen neuen Boliden, den RP20, deutlich vom Weltmeisterauto der Vorsaison, dem Mercedes W10, inspirieren.

Einen Hehl daraus, beim eigenen Motorenpartner abgekupfert zu haben, macht der Rennstall von Teamchef Otmar Szafnauer nicht. Man habe sich eben die Bilder des besten Autos aus 2019 ganz genau angesehen und nachgebaut. Was sich das Team erhofft, ist offensichtlich: Dass der ‚alte’, jetzt pink lackierte Mercedes noch immer besser ist als alles, was die Konkurrenz im Mittelfeld für 2020 neu entwickelt hat.

Renault: Bedenkliche Entwicklung für die Formel 1

Dementsprechend wenig Begeisterung herrscht bei Teams wie McLaren und Renault, im Vorjahr die bestimmenden Teams der Formel 1 hinter Mercedes, Ferrari und Red Bull. Daran hat sich auch zu Beginn der zweiten Woche Formel-1-Testfahrten 2020 in Barcelona nichts geändert.

"Ich denke, es ist eine etwas bedenkliche Entwicklung für den Sport. Es ist ein Trend, der vor einigen Jahren begonnen hat, und es ist ein neues Kapitel in diesem Trend. Es ist Sache der FIA, zu entscheiden, ob es vollständig konform ist oder nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt glaube ich nicht, dass ich mehr zu sagen habe“, kritisiert etwa Renaults Geschäftsführer Marcin Budkowski, einst selbst FIA-Mann, am Mittwoch in der mittäglichen Pressekonferenz in Barcelona.

McLaren stimmt Renault zu, wittert Regelverstoß

Dort ebenfalls am Mikrofon: McLarens Technischer Direktor James Key. „Da stimme ich Marcins Argument zu", sagt Key. Was sich bei Racing Point abgespielt habe, sei offensichtlich. „Natürlich schauen wir uns unsere Konkurrenten an und es ist ziemlich klar, was mit einigen der Ähnlichkeiten los ist, die man da sieht“, sagt Key. „Aber unsere Priorität liegt auf uns selbst. Wir schauen, wo wir sind und konzentrieren uns auf uns selbst."

Das klingt weniger nach einem Einspruch. Sehr viel schärfer hatte es zuvor McLaren-Teamchef Andreas Seidl formuliert. „Wenn du die Arbeit, die du verrichten musst, auf zwei Teams aufteilst, geistiges Eigentum überträgst und damit effektiv deine Ressourcen erhöhst, verstößt dies eindeutig gegen die Regeln“, sagte der Bayer bereits Ende vergangener Woche. Von einem Datenaustausch zwischen Mercedes und Racing Point war bis dato freilich von Teamseiten nie die Rede, Szafnauer sprach nur davon, den Mercedes anhand von Bildern nachgebaut zu haben.

Formel 1: Budgetgrenze 2021 macht Thema umso pikanter

Besonders pikant mach das Thema die ab 2021 geltende Budgetobergrenze in der Formel 1. „Mit der Einführung der Budgetobergrenze bin ich sicher, dass die FIA dafür ein Verständnis hat. Wir müssen sicher sein, dass die Regeln für alle gleichermaßen gelten."

Formel 1 2020: Kampfansage von Racing Point (09:29 Min.)

Der ehemalige FIA-Mitarbeiter und heutige Renault-Mann Budkowski stößt ins gleiche Horn. "Die Regeln haben sich hinsichtlich sogenannter übertragbarer Komponenten oder der Frage, was Teams in Bezug auf geistiges Eigentum teilen oder im Hinblick auf Teile verkaufen können, leicht weiterentwickelt“, gesteht der Pole zwar mit Blick auf klare Definitionen, welche Teile ein Team selbst fertigen muss (sogenannte Listed Parts).

Haas der Anfang, Racing Point die Eskalation

Aber: „Ich denke nicht, dass es die Frage komplett ändert.“ Generell stimme die Tendenz ja. „Es soll Dinge eindämpfen, wie Leute, die Windkanäle teilen. Es geht in die richtige Richtung, aber es verhindert nicht alles, was Sie sehen“, mahnt Budkowski.

Renault-Teamchef Cyril Abiteboul sprach unterdessen im Fall Racing Points von einer Eskalation, was einst bei Haas begonnen habe. Alfa-Romeo-Pendant Frederic Vasseur sprach sarkastisch davon, bald geben es nur noch fünf verschiedenen Autos, weil jedes B-Team einfach das Auto seines A-Teams nehme und umlackiere.