Sebastian Vettels neue Rote Göttin ist da: Ferrari stellte am Dienstagabend in Reggio Emilia das Formel-1-Auto für die Saison 2020 vor. Der SF1000 ist einmal mehr ein Bruch bei der inzwischen wirren Nomenklatur der Ferrari Monoposti, doch auf technischer Seite ist er die konsequente Weiterentwicklung des SF90.

Am Ende scheiterte Ferrari im vergangenen Jahr recht deutlich am schier übermächtigen Gegner Mercedes, doch ganz so aussichtslos wie die WM-Tabelle es widerspiegelt, war es nicht. Nach den Wintertests war Ferrari klarer Favorit, auf einigen Strecken war der rote Renner schneller als der Silberpfeil.

Deshalb baut der SF1000 auf seinem Vorgänger auf, ist die Evolution des SF90 - und doch so anders. Seine große Schwäche soll der Bolide abgelegt, seine große Stärke dafür verloren haben. "Wir haben definitiv viel Abtrieb gewonnen, aber dafür ist der Luftwiderstand höher", sagt Teamchef Mattia Binotto.

Formel 1 Autos 2020: Ferrari SF1000 im Technik-Check (13:27 Min.)

Ferrari SF1000: Kurven top, Geraden flop?

Heißt: In den Kurven erhofft sich Ferrari einen deutlichen Sprung nach vorne, auf den Geraden ist das Auto dafür langsamer. Während das 2019er Auto nur auf wenigen Highspeedkursen wirklich schnell war, soll der Nachfolger nun auf den normaleren Strecken besser funktionieren.

Doch wie soll der Kuhhandel zwischen Abtrieb und Luftwiderstand funktionieren? Bei der grundsätzlichen Designphilosophie hat sich nicht viel geändert. Der gezeigte Frontflügel ist noch die finale Version aus 2019, doch auch bei den Ausbaustufen 2020 wird es keinen Paradigmenwechsel geben. "Er ist unsere Basis und wir glauben, das beste Konzept zu haben", gibt sich Binotto selbstsicher.

Schon in der Vorsaison musste der ehemalige Technikchef und heutige Teamchef ständig die Frage beantworten, ob sich Ferrari beim extremen Frontflügelkonzept nicht verrannt habe. Allerdings war Mercedes das Team, das im Laufe der Saison seinen Frontflügel anpasste und eher Ferraris Richtung einschlug.

Ferrari Teamchef: Experimente mit Anstellwinkel

Wie will Ferrari den fehlenden Abtrieb also gewinnen? Im Vorfeld rankten sich Gerüchte über einen höheren Anstellwinkel. Red Bull gilt als Vorreiter dieses Konzepts, bei dem die Bodenfreiheit an der Hinterachse deutlich größer ist als an der Vorderachse. Der gesamte Unterboden fungiert somit als Diffusor, nicht nur der ansteigende Bereich, der erst 175 Millimeter vor der Hinterachse beginnen darf.

Stellt Ferrari den SF1000 hinten auf Stelzen, um Abtrieb zu gewinnen? Die Launch-Fotos geben darüber keinen Aufschluss. Also fragt Motorsport-Magazin.com direkt bei Binotto nach: "Der Anstellwinkel ist etwas, das wir in Barcelona und den ersten Rennen testen müssen. Aber da wir das Konzept nicht geändert haben, ist der Anstellwinkel ziemlich ähnlich." Gleiches gilt für den Radstand.

Änderungen gibt es aber sehr wohl. "Auch wenn das Auto ähnlich aussieht, es ist sehr extrem und ganz anders", verspricht Binotto. Der Zuwachs an Abtrieb geht vor allem auf zwei Dinge zurück: Komplexität und eine Verschlankung.

Schlanker und komplexer: Vettels Problemzonen

Schon beim ersten Blick fällt auf, dass die Aerodynamik des 2020er Boliden noch deutlich komplexer ist. Die ohnehin schon absurd zerklüfteten Bargeboards wurden stark überarbeitet. Die Ingenieure haben sich auf ihrer Spielwiese noch einmal richtig ausgetobt.

Auch bei den Spiegeln ist die Komplexität gestiegen, Ferrari hat sich den Trick mit den umfunktionierten Halterungen bei Red Bull abgeschaut. Nachdem Ferrari 2018 die Spiegelgehäuse selbst als aerodynamisches Element missbraucht hatte, schritt die FIA ein. Jetzt werden die Halterungen mehr und mehr missbraucht.

Ferrari SF1000 wachsen Hörner aus der Airbox, Foto: Ferrari
Ferrari SF1000 wachsen Hörner aus der Airbox, Foto: Ferrari

Dazu kommen Hörner an der Airbox. McLaren fuhr schon 2005 mit einer etwas ausgeprägteren Variante, in den nächsten Jahren zogen mehrere Teams nach. Der Unterschied: Damals gab es nur eine T-Cam auf dem Dach der Airbox. Inzwischen haben die Autos auch Kameras an den Seiten der Airbox.

Bei Ferrari feiern die Hörner trotzdem ihr Comeback. Weil die vorgeschriebenen Kameragehäuse im Weg stehen, müssen die Hörner drum herum ausgeschnitten werden. Ob die Aero-Elemente einen Einfluss auf die Onboard-Kameras haben, bleibt abzuwarten.

Soweit zur Komplexität, nun zur Verschlankung: Ferrari hat bei der Antriebseinheit und bei der Kühlung nachgelegt, um das Heck schlanker gestalten zu können. Die neu gestalteten Kühleinlässe am Seitenkasten unterscheiden sich stark vom Vorgänger.

Die Verschlankung ist nicht ganz so einfach zu erkennen. Die Kühler wurden nicht nur kompakter ausgeführt, sondern wurden auch weiter nach unten verlagert, um den Schwerpunkt zu senken. Außerdem konnte das Getriebegehäuse verkleinert werden.

"Dadurch erreichen wir eine bessere Anströmung des Hecks, der Diffusor kann dadurch besser arbeiten", erklärt Binotto. Damit reagiert Ferrari auf das Feedback der Fahrer. Vor allem Sebastian Vettel hatte beim Vorgänger Probleme mit einem instabilen Heck am Kurveneingang.

"Wir haben viel mehr Daten als früher, aber das Feedback der Fahrer ist noch immer genauso wichtig", sagt der Teamchef. Gleichzeitig erhoffen sich die Ingenieure dadurch, die Hinterreifen besser am Leben halten zu können.

Fahrerfeedback war auch für eine Änderung am Fahrwerk verantwortlich. Dem Einsatzteam waren mit dem SF90 an der Rennstrecke oftmals die Hände gebunden, weil das Fahrwerk nicht genügend Spielraum für das Setup ließ. Daraus haben die Ingenieure gelernt und eine größere Spreizung beim Setup eingeplant.

Formel 1 Autos 2020: Ferrari SF1000 im Technik-Check (13:27 Min.)