Jochen Mass wurde am 30.09.1946 in Dorfen bei München geboren. Er bestritt 105 Läufe in der Formel 1, gewann 1975 in Spanien und holte insgesamt 71 WM-Punkte. Vielen jüngeren F1-Fans ist er zudem als ehemaliger Co-Kommentator des Kölner Privatsenders RTL bekannt. Für motorsport-magazin.com nahm sich Jochen Mass die Zeit um mit uns ausführlich über seine Karriere und die moderne F1 zu sprechen.

Jim Clark verunglückte hier am Hockenheimring. Kannten Sie in noch persönlich und wie fassten Sie die Nachricht seines Todes auf?

Jochen Mass: Ich kannte ihn leider nicht, obwohl ich 1968 in Hockenheim war und mir den Start der Formel 2 ansah. Ich fuhr dann zusammen mit meinem Freund Poldi von Bayern und einigen Mädels in die Odenwälder Bergwelt. Wir tobten dort etwas mit den Autos herum, hörten die Todesnachricht im Radio und kamen wieder an die Strecke zurück. Es war unfassbar für uns, ausgerechnet der große Jim Clark. Ich stand unmittelbar vor meiner Rennerei, es war schon sehr tragisch.

1978 gewannen Sie die Formel 2-Rennen in Hockenheim und auf dem Nürburgring. Ihre Erinnerungen daran?

Jochen Mass erinnerte sich für uns an seine aktive Zeit., Foto: Sutton
Jochen Mass erinnerte sich für uns an seine aktive Zeit., Foto: Sutton

Jochen Mass: Das waren für uns Einladungsrennen, in denen wir immer wieder mal mitfuhren. Wir hatten noch nicht den relativ schmalen Formel 1-Kalender der heutigen Zeit und konnten noch andere Rennen fahren. Das war eine tolle Sache. Ich fuhr meine ersten Jahre in der Formel 1 und konnte zusätzlich in der Formel 2, bei den Sportwagen und den Tourenwagen starten. Das war schon witzig. Schade eigentlich, aber alles hat seinen Preis.

Ihre Karriere war leider überschattet von zahlreichen tragischen Ereignissen, nicht nur Ihr GP-Sieg 1975 in Barcelona war davon betroffen, es begann bereits früher...

Jochen Mass: Ja. Es begann bereits bei meinem ersten Rennen auf dem Hockenheimring, als ein Porsche vor mir rausflog und sich oben um einen Baum bog. Der Fahrer war sofort tot. Da fährst du vorbei mit so einem Gefühl und sagst, gefährlich ist das schon, was du da machst, also immer schön aufpassen. Das waren dann immer die unmittelbaren Erlebnisse, aber die Rennerei war so. Jim Clark ist verunglückt, Gerhard Mitter kam am Nürburgring ums Leben, die Lenkung wurde am Schwedenkreuz ausgehoben und so weiter. So passierte ständig etwas, dazu noch eigene Erfahrungen im unmittelbaren Bekanntenkreis.

Sie begannen sich für die Sicherheit im GP–Sport einzusetzen...

Jochen Mass: Ich war als einer der ersten Nicht-Formel 1-Fahrer in der GPDA. Zusammen mit Jo Bonnier, Peter Revson, Graham Hill und Francois Cevert. Wenn du zum Beispiel mit einem Tourenwagen mitten zwischen den Prototypen fährst, kannst du nicht deine Line fahren, da fährst du nur auf Sicherheit und am Rückspiegel hängend, damit du nicht im Weg bist. Du willst ja keinen gefährden. Das hat mich genervt und bezeichnenderweise kam dann auch noch Bonnier 1972 in Le Mans ums Leben. Nicht nur Rennfahrer, sondern auch Streckenposten, weil zum Beispiel auf 300 Meter Leitplanken umgefallen sind, die ganz lose gesteckt wurden. Ein einziges Trauerspiel und da haben wir natürlich versucht, wirklich etwas zu verbessern.

John Surtees holte Sie 1973 in die Formel 1. Sie fuhren drei Rennen neben Carlos Pace und Mike Hailwood und auch diese GP-Wochenenden waren von schweren Unfällen überschattet.

Jochen Mass: In Silverstone hatte ich mein erstes Rennen, da war ein Riesenunfall, eine Massenkarambolage mit Jody Scheckter. Es ist aber nichts passiert. Gott sei dank. Doch beim GP in der USA 1973 in Watkins Glen kam Francois Cevert ums Leben. 1974 gingen wir nach Südafrika, dort kam dann Peter Revson ums Leben. Es ging immer Schlag auf Schlag, einer nach dem anderen. Da hab ich mir gedacht, das kann doch nicht sein. Das müssen wir doch irgendwie verbessern können, vor allem Jackie Stewart machte sich stark. Na gut, dann hat es sich so nach und nach verbessert. Das war schon eine sehr gefährliche Zeit, aber es war halt so. Mein letzter GP war 1982.

Ebenfalls eine sehr tragische Saison, zuletzt noch Ihr Riesenunfall in Frankreich mit Mauro Baldi.

Seinen Wechsel zu ATS sieht Jochen heute mit anderen Augen..., Foto: Sutton
Seinen Wechsel zu ATS sieht Jochen heute mit anderen Augen..., Foto: Sutton

Jochen Mass: Na gut, das war mein eigener Unfall, da war vorher schon der arme Gilles Villeneuve [Tragischer Auffahrunfall in Zolder, d. Red.] dahergefahren und kam leider ums Leben. Einige Wochen später standen wir in Kanada am Start und dann fährt der Riccardo Paletti den Didier Pironi hinten drauf und ist tot. Alles wurde weggeräumt und es folgte der Neustart. So war es halt und das waren die Dinge, die dir zwangsläufig und in der Häufung der Ereignisse, den Motorsport nicht unbedingt näher brachten. Auch weil du gedacht hast, die Chancen, das es dich auch irgendwann einmal trifft, werden zwangsläufig großer. Je länger du den Rennsport betreibst, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es dich auch einmal irgendwann erwischt. Ich hatte 1978 einen schweren Unfall [Testunfall in Silverstone, d. Red.] und lag im Krankenhaus. Auf der linken Seite alles gebrochen und die Lunge kaputt. Ich dachte mir noch, Gott sei Dank hast du den Unfall gehabt, auf dem du im Hinterkopf immer gewartet hast und bist noch da. Alles in Ordnung. Das sind halt so Sachen, die hast du mitgenommen. Du warst natürlich im Umgang mit deinen Kollegen anders, weil es gute Leute waren, gestandene Leute, gute Jungs, die Paces, die Reutemanns und auch die Revsons, das waren richtig gute Kerle.

Heinz Prüller schrieb in "Die Story der Deutschen Formel 1", der Jochen Mass sagte, am Montag hasse ich die Rennstrecken.

Jochen Mass: Nein, so habe ich das nicht gesagt. Es gibt nichts tristeres als eine Montagsrennstrecke. Wenn der ganze Tross weg ist und wenn dann noch dazu etwas passiert war. Es gibt zum Beispiel diese Zeitungsbilder vom Rindt-Unfall. Es ist tatsächlich so, es waren immer diese Bilder, wenn du montags über eine Rennstrecke gefahren bist und vorher was passiert war, das war gruselig. Ich habe es nicht gehasst deswegen, aber es hat mich doch irgendwo berührt. Es ist dann so ein emotionaler Moment, das kannst du nicht unbedingt vermitteln durch viele Worte, aber es ist halt so. Das war damals und ist heute weg. Heute sage ich, ich bin so, als hätte mir einer den Stöpsel herausgezogen und denke, was war jetzt eigentlich. Ich stand immer da, und dachte mir, als ich noch viel kommentiert habe, was war das eigentlich gewesen, aha da war ein Rennen, na klar. Es hinterlässt nichts, das ist wie ein billiger Wein, der zwar immer wieder was hergibt, aber wenn man ihn schluckt, dann ist er weg. Kein Nachgeschmack, nichts mehr da.

Die guten alten Zeiten...

Jochen Mass: Das ist tatsächlich so und diese etwas heroischeren Rennen, wenn man so will, das lag in der Natur der Dinge, die hatten mehr Substanz, die hatten einfach mehr, da war etwas da, was dich irgendwie anders berührte. Es geht nicht nur mir so, sondern es geht eigentlich allen Leuten aus dieser Zeit so. Auch noch jetzt, wenn ich in Goodwood dabei bin und dort auch fahre, da ist mehr da, da bleibt auch mehr zurück. Das ist ganz eigenartig, du kämpfst dann schon mit einem anderen Bewusstsein, gegen die Materie, gegen die Rennstrecke und gegen die Umbildung der Sicherheit, wie sie ist und dargelegt wird. Am alten Nürburgring, da ist auch nicht viel passiert im Verhältnis zu heute - ein Unding, Blödsinn, weil du anders gefahren bist, mit ein wenig mehr Respekt, etwas vorsichtiger und trotzdem am Limit, in einem vertretbaren Limit. Heute fahren sie teilweise über dem Limit und fliegen dann raus. Trotzdem, ich meine, die Jungs von heute wären auch damals schnell gewesen, wer weiß, vielleicht auch besser, das ist so, wohl auch umgekehrt, aber das ist ja müßig, sich darüber Gedanken zu machen.

Jochen Mass in seinem McLaren 1977 in Kanada., Foto: Sutton
Jochen Mass in seinem McLaren 1977 in Kanada., Foto: Sutton

War die Gefahr für das eigene Leben, die ja damals noch unmittelbarer war, der Schlüssel dafür?

Jochen Mass: Die Motivation, warum der Einzelne fährt, mag ja unterschiedlich sein. Ich fand, es hat stark diszipliniert. Was machst du so, hieß es früher im Freundeskreis. Ich war bei der Handelsmarine und hab als Mechaniker gearbeitet. Man geht zum Frühschoppen, Mädels, da und dort eine Sauferei. Ich habe da nicht mitgemacht und dachte mir, das ist ja sehr eingleisig als junger Mensch, ich fahre halt um alles rum und beschäftige mich mit sehr trivialen Sachen. Als ich dann mit der Rennerei begann, dachte ich mir, jetzt bist du drin, das ist gefährlich, aber das ist gut. Du fokussierst dich, das ist eine Disziplin und die musst du dann auch aufbauen, wenn du wirklich willst. Das machst du dann auch und es fällt dir nicht mehr besonders schwer. Ich habe auch meinen Kindern immer gesagt, alles was gefährlich ist, das erzieht dich und das muss nicht unbedingt lebensbedrohend sein. Fallschirmspringen oder einen Flugschein machen disziplinieren dich und du gehst dadurch mit einer anderen Einstellung ran. Es kann dich beißen, wenn du damit spielst. Die Ernsthaftigkeit, die da gefordert wird, die erzieht dich, die ist gut, die ist positiv, die hilft dir in deiner ganzen Entwicklung als Mensch im Umgang mit allen. Deshalb finde ich es Schade, dass das etwas vergessen wird. Wir haben auch nicht viel darüber geredet. Wir haben das vielleicht auch nicht immer so empfinden und ausdrücken können, aber es ist da. Wenn ich jetzt so in der Reflektion mit Rennfahrerkollegen wie Jacky Ickx rede, spüren wir untereinander, dass es da war. Es waren schon andere Zeiten.

Was empfindet man bei den angesprochenen und miterlebten Unfällen von Kollegen? Wahrscheinlich auch eine gewisse Angst beim Reflektieren, wenn man wieder Abstand hat?

Jochen Mass: Es ist eine gewisse Sorge, als Angst würde ich es nicht einmal bezeichnen, aber die unmittelbare Konfrontation mit einen Unfall macht dich heroischer. Das klingt jetzt ein bisschen blöd, aber es ist tatsächlich so. Der Jackie Stewart hat das einmal gut ausgedrückt: Es gibt dir so einen Extra-Adrenalinschub, wo du dich ganz einfach noch mehr konzentrierst und die Zähne zusammenbeißt. Dann bist du durch. Solche Dinge gehen zum Teil im Unterbewusstsein ab, obwohl man auch ganz bewusst darüber nachdenkt. Es ist keine Angst, denn wenn ich Angst hätte, müsste ich ständig übertriebenen Mut haben, um etwas dagegen zu tun. Wenn ich Angst habe, muss ich diese Angst überwinden, sonst könnte ich nicht mehr fahren, das geht dann nicht, wirklich nicht. Ich habe keine Angst deswegen. Ich habe vor vielen Dingen keine Angst. Angst hat man in ganz anderen Umständen. Angst hat man, wenn einen die Banken den Hahn zudrehen. So eine Existenzangst wäre vielleicht Angst, aber eine Angst durch Bedrohung oder Unfälle, das war nicht so. Das war einfach. Das hat man in Kauf genommen. Beim Rennen selbst denkt man nicht daran. Wenn man Abstand hat, denkt man schon darüber nach und hofft, dass nichts passiert.

Sie gewannen 1975 den GP von Spanien, bei dem Rolf Stommelen tragischerweise über die Leitplanken in die Zuschauer flog. Das Rennen lief dennoch ein paar Runden weiter und Sie kämpften mit Jacky Ickx um den Sieg. Jeder hat den anderen einmal überholt.

1975 holte Mass in Barcelona seinen einzigen GP-Sieg., Foto: Sutton
1975 holte Mass in Barcelona seinen einzigen GP-Sieg., Foto: Sutton

Jochen Mass: Wir wollten das Rennen ja boykottieren, das war die Ironie daran. Ich war bei der GPDA und machte einen Vorschlag. Wir sind ja nur gefahren, weil wir uns an bestimmte Absprachen halten wollten.

Ein Fahrerkorso mit Lella Lombardi an der Spitze...

Jochen Mass: Tja, aber die Startflagge fiel und alle fuhren gleich los wie die Gestörten. Ein paar Fahrer sind gleich in den ersten Kurven rausgeflogen und ich dachte, worüber haben wir gerade geredet? Das kann doch gar nicht sein. Jacky überholte mich dann noch in dem Trümmerfeld und ich wusste nicht so richtig was sein würde, gelbe Flaggen überall und dann hab ich nochmals schnell überholt. Gott sei dank, sonst hätte ich nicht mal einen Grand Prix gewonnen.

Ihr Teamkollege Emerson Fittipaldi flog schon vorab nach Hause. Wie reagierte Teamchef Teddy Mayer?

Jochen Mass: Der Emerson war schon Weltmeister und konnte sich das erlauben. Er war in einer anderen Stellung. Ich bin davon ausgegangen, dass wir wirklich korsomässig fahren würden. Schön und demonstrativ, um zu zeigen, das da was nicht in Ordnung ist, aber das kriegst du nicht unter einen Hut.

Wie in Kyalami 1982.

Jochen Mass: Damals in Südafrika war so eine ähnliche Geschichte, da wohnten alle im Hotel, damit sie von ihren Teams nicht unter Druck gesetzt werden konnten. Ich war allerdings schon mit meiner Frau nach hause gefahren, da sie Südafrikanerin war. Beim Schwiegervater habe ich dann gar nicht so mitgekriegt, was die alles vorhatten. Ich bin am nächsten Morgen an die Strecke gekommen und wurde darüber aufgeklärt. Ich habe gesagt, ihr seid doch alle bescheuert, ihr könnt doch nicht einfach ein Rennen boykottieren. Wir kriegen doch nichts von denen, die haben uns doch alle an den Eiern, das geht doch gar nicht. Dann bin ich raus gefahren und habe als Erster trainiert. Ich habe gedacht, das ist doch eine Spinnerei, so was und dann sind auch die anderen Fahrer etwas zögerlich raus gefahren. Ein paar Kollegen waren angefressen, auch der Niki. Aber das war mir relativ Wurst, weil ich mir gedacht habe, wenn wir schon protestieren, doch nicht so. Ich meine, in Europa war das noch leichter, aber Südafrika, der ganze Tross da runter, das geht ja gar nicht.

Was war Emerson Fittipaldi für ein Mensch?

Jochen Mass, Bernie Ecclestone und James Hunt diskutieren im Paddock., Foto: Sutton
Jochen Mass, Bernie Ecclestone und James Hunt diskutieren im Paddock., Foto: Sutton

Jochen Mass: Der Emerson ist ein eigener Typ, sicherlich. Wir kamen eigentlich recht gut miteinander klar. Wir hatten auch noch ziemlich das gleiche Material, was dann bei James Hunt nicht mehr der Fall war und deswegen kam ich mit Emerson vom Speed her auch relativ gut klar. Das er natürlich noch ein bisschen schneller war bei den meisten Rennen, das lag an seiner Erfahrung und das man sich etwas mehr auf ihn konzentriert hat. Aber im Großen und Ganzen hatte ich ihn schon in vielen Rennen im Griff. Mit Emerson verstehe ich mich auch heute noch gut. Emerson konnte nur Formelautos fahren, nichts anderes. Er war doch sehr einseitig begabt.

Ihre Zeit von 1975 bis 1977 bei McLaren war am erfolgreichsten. Sie standen acht Mal auf den Treppchen. Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus?

Jochen Mass: Nachdem ich bei McLaren war, dachte ich schon, dass ich ein paar Rennen gewinnen könnte. Ich hätte 1975 auf dem Nürburgring gewinnen können, wenn es nicht diese Probleme mit den Reifen gegeben hätte. Da platzte mir in der Fuchsröhre das Vorderrad und ich bin rausgerutscht. Ich hätte das Rennen auch gewonnen, da bin ich mir ziemlich sicher. 1976 führte ich am Nürburgring bereits mit 30-40 Sekunden Vorsprung [er fuhr als einziger Fahrer auf Slicks, d. Red.] und hätte auch mit Sicherheit gewonnen. Dann folgte der Unfall von Niki Lauda. Es gab einen Neustart und Platz 3. In Jarama wollte ich James Hunt überholen, aber so dass es weh tut. Ich lag genau hinter James und wusste wo ich ihn packen würde. Dann ging mir auf der Zielgeraden der Motor kaputt. Die ersten paar Mal hatte ich schon etwas Pech am Finger.

Es folgten noch vier Jahre auf ATS, Arrows und March.

Jochen Mass: Da war ich schon auf der alten Seite. Meine unglücklichste Entscheidung war ATS, es war so statisch und ich konnte nichts bewegen. Ich fing mit 22 Jahren an und kam erst mit 27 Jahren in die Formel 1. Dann braucht man mindestens ein bis zwei Jahre um so einen Kübel einzufahren. McLaren war okay, aber da hatte ich das Pech, das ich mit Emerson gleich den Weltmeister vor mir hatte, was aber noch ging. Dann kamen für drei Teams die neuen Motoren von Cosworth, doch leider nur jeweils für ein Fahrzeug, das wusste ich aber nicht. Die Motoren bekamen James Hunt, Mario Andretti und Jody Scheckter. Die Dinger waren dann etwas schneller, hatten 60 bis 80 PS mehr. Das habe ich erst Jahre später erfahren. Wir hatten, wie ich finde, so eine negative Bewegung Ende der siebziger Jahre. Die Teams rutschten alle etwas ab und erst 1983/84 herum wurde es qualitativ wieder besser. Da hätte ich schon Williams fahren können. Er wollte mich 1979 haben und ich Idiot bin aus irgendeinem Grund dann nicht für ihn gefahren, obwohl ich ihn schätzte und mochte. Solche Entscheidungen von einem Tag, die können dann dein ganzes Leben beeinflussen. Das ist schon faszinierend. Da macht man halt manchmal Fehler und das war so einer. Aber gut, da streite ich mich nicht darüber, auch mit mir selber nicht, das war halt so. Ich hatte meine Gründe, die waren manchmal nicht rational nachvollziehbar, aber so ist es eben.

Was kann man über James Hunt sagen?

Jochen Mass beim Großen Preis von Südafrika 1977., Foto: Sutton
Jochen Mass beim Großen Preis von Südafrika 1977., Foto: Sutton

Jochen Mass: Den James kannte ich schon aus der Formel 3, als wir gegeneinander fuhren. Wir haben auch viel Blödsinn miteinander gemacht. Der Kerl war sehr schnell und ein Sunnyboy. Er hatte irgendwie so ein Rockstarimage, wie viele Fußballer, die rumlaufen, doch fast alle nur kurz. Die glühen auf und verglühen wieder und beim James war es genauso. Der Kerl war unheimlich gut, wirklich, der war sauschnell. Er war da und ging. Drogen, Alkohol, Blödsinn - und ich dachte mir nur: So Schade, wirklich.

Immer mehr Weltmeistersöhne finden den Weg nach oben...

Jochen Mass: Es ist schön. Ich finde das gut. Es entsteht so ein Familienzusammengehörigkeitsgefühl. Das finde ich positiv. So war es auch bei den Scheckters, der Tomas und der Tobi, die im gleichen Alter wie meine Kinder sind und zusammen aufwuchsen. Sie waren immer die Stars in Südafrika und gingen in die gleiche Schule. Ich kannte sie von klein auf und mochte die beiden sehr gern. Der Tomas [Sieger beim Michigan Indy 400 im Jahr 2002, d. Red.] war ein süßer kleiner Kerl mit riesigen Augen und ein sehr guter Schüler mit vielen Talenten. Der Tobi guckte immer ein wenig nach innen. Er wurde von seiner Mutter immer nach Kyalami rausgefahren zum Go-Kart fahren. Der Vater lebte ja in Atlanta. Tobi war gut, ich hab ihn mir ein paar Mal angeguckt, aber er hat dann irgendwo jegliche Konzentration verloren. Vor ein paar Jahren traf ich ihn auf einer Veranstaltung, habe mit ihm lange geredet und gesagt, du musst dich halt wirklich entscheiden: Du hast eine Chance im Leben und das ist deine große Chance. Du bist gut, kannst es und musst halt etwas daraus machen, musst dich aber wirklich 100 Prozent dafür einsetzen. Dann läuft dir wieder so ein Blödsinn über den Weg, für nichts. Da waren sie leider zu undiszipliniert. Aber im Leben gibt es noch mehr, mehr als Formel 1 und auch im Rennsport gibt es noch mehr Alternativen, Gott sei dank.

Haben Ihre Kinder Ambitionen Richtung Rennsport?

Jochen Mass: Meine Jungs fahren auch gut Auto, aber sie haben nie das Interesse gezeigt, überhaupt Rennen zu fahren. Mittlerweile bereuen sie es etwas. Das hätten sie sich früher überlegen müssen, denn jetzt brauchen sie das nicht mehr. Stockcar- oder Nascar-Rennen vielleicht, da die physisch nicht so fordernd sind. Der gesamte Anspruch ist ein bisschen anders, das geht.

In der GP 2 starten Nelson Piquet jr., Nico Rosberg und Mathias Lauda.

Jochen Mass: Der kleine Rosberg wird gewiss ein Guter. Piquet müsste es auch schaffen. Ich wünsche ihnen alles Gute, hoffe dass die Autos gut sind und dass sie gute Rennen liefern. Für sie ist es einerseits leichter rein zu kommen, doch dann ist der Druck natürlich ungleich höher. Jeder erwartet immer mehr, als sie unter Umständen geben können.

Welche jungen Fahrer können noch den Weg nach ganz oben schaffen?

Jochen Mass würde sich gerne um die Karriere von Sebastien Vettel kümmern., Foto: Sutton
Jochen Mass würde sich gerne um die Karriere von Sebastien Vettel kümmern., Foto: Sutton

Jochen Mass: Sebastian Vettel, der fährt jetzt Formel 3. Der Junge ist und bleibt super, wenn der in die richtigen Hände kommt... Um ihn würde ich mich jedenfalls gerne kümmern, mal sehen. Es ist ja phantastisch, wenn ich mit 16 oder 17 schon so gut bin, das ist die Zeit, wo ich am intuitivsten fahre. Da denke ich über nichts nach, da bin ich am ruhigsten, da fahre ich allen um die Ohren und das mit einer Sicherheit, was du später nicht mehr kannst. Du kannst es nicht, weil es einfach nicht mehr da ist, du fährst bewusst schnell, du fährst das und jenes. Ein Michael Schumacher ist immer noch superschnell. Aber wenn jetzt ein 18-20järiger mit dem gleichen Talent käme, der würde ihm um die Ohren fahren. Der Michael ist dann vielleicht mit den verschiedenen Bedingungen über eine Saison immer noch der Bessere, aber wie lange? Dieses intuitive Fahren, dieses totale losgelöst sein von allen Bedenken gegen irgendwas, wo du einfach ans Limit gehst, weil du es spürst. Das verlierst du irgendwann, das ist dann nicht mehr da. Das verlierst du mit Sicherheit. Ab Mitte 20 baust du schon ab, musst also eigentlich in der heutigen Formel 1 schon mit 20 drinnen sein.

Sie sitzen auch noch gelegentlich in einem Rennauto.

Jochen Mass: Ich habe 1993 den Williams ausprobiert, als ich bereits elf Jahre aus der Formel 1 war und fahre auch heute noch schnell. Ich durfte 20 Runden fahren und war schneller als Coulthard. Das Ding zu lenken hat Spaß gemacht. Wenn man die Uhr nur nochmals zurückdrehen könnte... Aber man merkt natürlich, man müsste jünger sein. Ich könnte damit ganz gut aussehen, habe lange an meiner Fitness gearbeitet, aber mehr nicht. Der Prost wurde damit nur noch einmal Weltmeister, weil das Auto so überlegen war. Er war entsprechend jünger, aber auch schon am Limit. 2002 startete ich in einem Einladungsrennen vom Alfa–Cup auf dem Nürburgring. Bist du blöd, die fahren dir doch alle um die Ohren, die machen dich platt, sagten die ganzen Journalisten. Ist mir egal, das müssen sie ja auch, die müssen ja schneller sein. Ich habe etwas rumgespielt am Auto und dann fast gewonnen [Mass belegte drei Sekunden hinter Peter Oberndorfer und Meister Markus Lungstrass einen ausgezeichneten 4. Platz, d. Red.]. Da läuft jeder dem anderen nach. Die denken nicht nach und das ist heute in den Serien überall gleich. Es gibt wenig wirklich gute Leute, richtig herausragende Leute, die findest du dann nicht raus, weil sie irgendwo untergehen. Kommt der eine oder der andere mal weiter, wird er groß dargestellt und bekommt Zucker in den Hintern geblasen. Zu Schade, denn es ist ja nicht mehr, dass der Fahrer sich verändert, die Welt um ihn herum ändert sich. Wie sie ihn erzieht, wie sie ihn behandelt, das war damals anders, wir hatten kaum einen Mediendruck. So hat sich halt die Zeit geändert.

Nicht nur die Medien und der Sport haben sich verändert, sondern auch der Verdienst...

Jochen Mass stand motorsport-magazin.com Rede und Antwort., Foto: Pressefoto
Jochen Mass stand motorsport-magazin.com Rede und Antwort., Foto: Pressefoto

Jochen Mass: Die Verdienstmöglichkeiten sind ja zum schwindelig werden. Wenn ein Ralf Schumacher angeblich 17 Millionen von Toyota erhalten soll... Das ist der doch nie wert. Da fällt dir nichts mehr ein. Was haben wir damals verdient? 150.000 Dollar und ein wenig an Preisgeld. Das war so die Mindestsumme, die sie uns garantiert haben. Manche haben natürlich mehr bekommen, wie zum Beispiel Jody Scheckter, der hatte dann irgendwann schon einen Vertrag über 600.000 oder 700.000 Dollar. Das war schon richtig viel Geld. Der Niki bekam damals eine Million von Ferrari. Ich stand im Raum und sagte, der ist doch bescheuert, das ist doch keiner wert, eine Million, für was denn? Da sagte Bernie, seid nicht blöd, verlangt mehr, dann bekommt ihr alle mehr. Auf diese Weise hat sich das etwas hochgeschaukelt. Aber es war trotzdem nur laues Geld im Vergleich zu heute. Geld verzerrt alles. Es hat fast alles seinen Preis, du zahlst entweder zu viel oder zu wenig. Der Charakter wird dabei zwangsläufig nicht gefördert, das wissen wir alle. Geld ist kein Positivum, wirklich nicht.

Es kommt auch darauf an, was man damit macht...

Jochen Mass: Ja. Wenn jetzt zum Beispiel Michael Schumacher eine deutsche Uni sponsert und denen jedes Jahr eine Million gibt? Habe ich zu ihm gesagt, mach das doch, das tut dir doch nicht weh. Jetzt ist sein Leibwächter in Thailand bei dieser Flutkatastrophe ums Leben gekommen, mit seinen zwei Jungs, seine Frau hat es überlebt, da hat Michael dann ca. sieben Millionen gespendet. Das ist schon toll, dass er das macht, aber ich würde dann lieber bei uns irgendwelche Schulen fördern oder denen Geld geben. Das ist dann wirklich etwas, das dich in das Bewusstsein der Bevölkerung bringt. Ich sagte, jetzt hockst du in der Schweiz, gehst überall weg, ziehst dein Geld überall ab, was ja in den Zeitungen immer wieder steht. Du willst bei allen beliebt werden, aber die lieben dich nur, weil du jetzt gut bist und irgendwann wird das Denkmal angepinkelt, das ist nun einmal so. Da zahlst du für alles deinen Preis und musst dir halt früh genug darüber Gedanken machen, was du brauchst im Leben, was du machen willst, wo du hin willst. Die Zeit hast du in diesem Job und du bist vom Druck befreit, dir eine Existenz aufbauen zu müssen. Die hast du. Du hast so viel Geld, das du sagen kannst, was kann mir schon passieren, außer einem Unfall? Dann musst du auch ein bisschen ans Geben denken, den Leuten, den Fans, etwas zurückgeben, im Positiven.

Mass steuert seinen McLaren beim Kanada GP 1976., Foto: Sutton
Mass steuert seinen McLaren beim Kanada GP 1976., Foto: Sutton

Sitzt der Formel 1-Weltmeister 2005 in einem Renault?

Jochen Mass: Vermutlich. Ich sehe Fernando Alonso schon als den Favoriten an. Wobei ich immer noch glaube, das die Ferrari wieder zurückkommen. Wenn du vorne stehst, gewinnst du, wenn du keinen Scheiß machst. Wenn du auf Platz 4 oder 5 stehst, kommst du durch clevere Strategie etwas nach vorne, aber da du keine Reifen mehr wechselst, was eigentlich blöd ist, wird das immer schwieriger.

Vielen Dank für Ihre Zeit und das interessante Gespräch!