Auf dem Papier ist Charles Leclerc noch immer der Topfavorit im Rennen um Rang drei in der Fahrer-WM der Formel 1 2019. Vor den beiden letzten Saisonrennen in Brasilien und Abu Dhabi führt der Ferrari-Pilot mit 249 Punkten 14 vor Max Verstappen und weitere fünf vor Teamkollege Sebastian Vettel.

Nach Sao Paulo reiste der Monegasse jedoch mit einer Hypothek. Durch ein Öl-Leck an dem Motor seines SF90 im Training in Austin sah sich Ferrari gezwungen, für Brasilien ein neues Aggregat zu verbauen. Das führt zwangsläufig zu einer Strafe. Leclerc hat sein Kontingent für die Saison natürlich längst ausgeschöpft.

Charles Leclerc: Zehn Plätze Strafe in Brasilien

Wie der Monegasse am Donnerstag in Interlagos verrät, handelt es sich jedoch nicht um eine Strafversetzung ganz an das Ende der Startaufstellung. "Natürlich wird dieses Wochenende mit den zehn Plätzen Strafe nicht leicht", sagt Leclerc. Heißt: Ferrari hat nicht mehr als den Verbrennungsmotor gewechselt.

Formel 1 2019: 5 Brennpunkte vor dem Brasilien GP: (10:22 Min.)

Dennoch sind die zehn Plätze ein Nachteil. Insgesamt jedoch eher ein Vorteil im Vergleich zum in Austin dann eingesetzten Aggregat einer älteren Spezifikation, glaubt Leclerc: "Insgesamt wird die Rechnung positiv ausfallen, ob im Qualifying oder im Rennen. Das wird ähnlich sein. Es wird einfach insgesamt ein Vorteil sein."

Leclerc: Vorteil des frischen Motors sticht Strafe

Durch den Motorwechsel gewinne man einfach mehr. "Der ältere, das haben wir in Austin gesehen, hat sich auf das Ergebnis ausgewirkt. Das war nicht alles, aber vielleicht etwas. Ich bin ziemlich sicher, dass es uns so helfen wird", sagt Leclerc.

Immerhin gebe es nicht nur den Brasilien GP, erinnert der Ferrari-Pilot. Leclerc: "Ich denke, dass es die beste Möglichkeit für den Rest der WM war. Ich werde versuchen, den Schaden dieses Wochenende so gut wie möglich zu begrenzen und das bestmögliche Ergebnis zu holen. Ich bin ziemlich sicher, dass wir dann in Abu Dhabi die Vorteile dieses Motorwechsels sehen werden ..."

Gerücht: Testet Ferrari schon 2020er Motor-Teile?

Ein Optimismus, der also vor allem auf dem Faktor Frische beruht. Oder doch auf einer ganz neuen Spezifikation. Einem Bericht der italienischen 'Autosprint' zufolge soll Ferrari das Update nutzen, um bereits Teile für 2020 zu testen. Diesem Gerücht widerspricht Leclerc deutlich. "Ich habe ein Telefonat gehabt und da hieß es, dass es dieselbe Motor-Spec sein wird wie die, die wir in Austin verloren haben", sagt Leclerc.

"Ich denke nicht, dass es da irgendwelche Gespräche wegen dieser Möglichkeit gegeben hat - zumindest mal nicht mit mir. Der Motor ist exakt der derselbe wie der, mit dem wir in Austin Probleme hatten. Da ist nichts neu. Es wird einzig und allein ein neuer sein, weil der alte nicht mehr benutzt werden kann."

Nach Betrugsvorwürfen: Leclerc braucht keinen Gegenbeweis

Bleibt noch eine Frage: Ist der alte Motor auch noch der alte? Stichwort FIA-Direktive. In Austin entbrannten rege Diskussionen, ob der dortige Performance-Einbruch der Scuderia direkt damit zusammenhing. Die Roten wehrten Vorwürfe, vorher betrogen zu haben, vehement ab. In Austin lieferte Ferrari eine Reihe an Argumenten. Etwa das Streckenlayout, mehr Downforce als Grund für weniger Topspeed, dafür eben auch besserer Speed in den Kurven und nicht zuletzt auch Leclercs ganz alte Motor-Spec.

Dennoch gilt Sao Paulo nun als Stunde der Wahrheit. In Brasilien muss Ferrari den Gegenbeweis liefern und wieder zu alter Stärke zurückfinden. Immerhin passt das Layout sehr gut zur eigentlichen Power-Stärke des SF90. "Ich persönlich habe aber keine Motivation, sie eines Besseren zu belehren", winkt Leclerc in Interlagos dennoch ab.

Siege durch Cheating-Vorwurf entwertet? Leclerc juckt's nicht

Frustriert, dass mit den Vorwürfen ausgerechnet auch seine ersten Poles und Siege in der Formel 1 entwertet werden, zeigt sich Leclerc jedenfalls nicht. "Um ganz ehrlich zu sein, habe ich das gar nicht im Kopf. Ich kann sehen, dass es ein großes Gesprächsthema ist. Aber das berührt mich nicht", sagt der Ferrari-Pilot. "Ich glaube nicht, dass es jemand im Team persönlich genommen hat", meint auch Sebastian Vettel.

"Im Team wissen wir alle, was wir tun. Wir wissen, dass da absolut nichts Falsches passiert ist", betont Leclerc. "Und wir sind auch zuversichtlich, dass die Dinge hier wieder normal laufen werden."

Doch dafür muss auch ein anderes Problem aus Austin gelöst werden. Warum war der erste Stint Leclercs auf Medium derart schwach? Genau das gibt Ferrari noch immer Rätsel auf. "Um ganz ehrlich zu sein, ist uns nicht ganz klar, warum es so war", gesteht Leclerc. "Die Balance des Autos war auf diesem einen Reifensatz sehr, sehr merkwürdig. Eine genaue Erklärung dafür habe ich nicht."