Charles Leclerc hätte den Singapur GP 2019 eigentlich gewinnen sollen, ja sogar müssen. Der Monegasse stellte den Ferrari am Samstag zum dritten Mal in Folge auf Pole Position und war drauf und dran, auch den dritten Sieg in Folge zu holen. Doch die Ferrari-Strategen machten ihm einen Strich durch die Rechnung und verhalfen Sebastian Vettel zum Sieg.

Leclerc führte das Rennen an und kontrollierte die Pace an der Spitze. Bis Runde 20 war die Welt des Monegassen in Ordnung. Eine Runde später gab es große Diskussionen am Ferrari-Funk. Die Ferrari-Strategen holten den drittplatzierten Vettel in Runde 20 zum Reifenwechsel an die Box, erst in der Runde danach durfte Leclerc kommen.

Eine Runde, die den Rennverlauf auf den Kopf stellte. "Ich wusste schon vor dem Rennen, dass ich, sobald ich an die Box geholt werde, versuchen muss, etwas aus dem Rennen zu machen", gestand Vettel nach dem Rennen. Vettel gaste auf den frischen Hard-Reifen an und ging durch seine schnelle Outlap am Temakollegen vorbei.

Leclerc: Hätte heute nichts besser machen können

Bei Leclerc sorgte das für reichlich Verwirrung. "Ich glaube, ich hätte heute nichts besser oder anders machen können", ärgerte sich Leclerc. "Das einzige ist, dass ich etwas mehr nach der Strategie um mich herum fragen werde. Darüber, wer stoppt und wer nicht. Ich wusste es nicht, ich wusste nicht, ob ich ein wenig früher hätte pushen sollen im ersten Stint. Ich weiß es nicht."

"Wir haben nicht über diesen Plan gesprochen", verrät Leclerc. Im Strategie-Briefing vor dem Rennen hatte Ferrari die Situation offenbar nicht auf dem Zettel. "Darüber wird zu sprechen sein, warum wir über diese Situation nicht zuvor gesprochen haben", kündigt der zweimalige Grand-Prix-Sieger an.

Allerdings nimmt Leclerc seine Strategen auch in Schutz: "Es ist unmöglich, alle Möglichkeiten eines Rennen durchzugehen. Alle sind einzigartig." Doch hätte Leclerc selbst etwas ändern können? Hätte ihm das Wissen um Vettels früheren Stopp etwas gebracht?

"Zu dieser Zeit waren meine Reifen ziemlich tot", gesteht Leclerc. Der 21-Jährige fügt aber an: "Zuvor hatte ich ziemlich viel Luft. In den ersten paar Runden wollten wir so langsam wie möglich fahren, damit die Jungs hinten nicht das Fenster hatten, um stoppen zu können. In dieser Phase, hätte ich einen viel besseren Job machen können, aber ich habe mich an den Plan gehalten und das hat uns dabei geholfen, heute einen Doppelsieg einzufahren. Man kann immer etwas besser machen, aber am Ende habe ich mich an den Plan gehalten."

Leclerc: Sehe nur meine Situation

Im Auto war Leclerc noch deutlich emotionaler als später in der Pressekonferenz. Am Funk zeigte er sich zunächst uneinsichtig. "Während des Safety Cars war ich oft am Funk", gibt Leclerc zu. "Aber sobald die Safety-Car-Phase vorbei war, habe ich mich auf meinen Job fokussiert. Im Auto ist es immer frustrierend, weil du nur deine Situation siehst und nichts anderes."

Später zeigte sich Leclerc einsichtiger: "Aber ich denke, dass diese Entscheidung zum Wohle des Teams getroffen wurde und es die einzige Möglichkeit war, um einen Doppelsieg zu holen. Wenn das der Fall ist, verstehe ich es komplett."

"Als ich die Situation später besser verstanden habe, dann habe ich die Dinge etwas anders gesehen", so Leclerc. Darauf beruhen will er es dennoch nicht lassen: "Trotzdem brauche ich Erklärungen, um voll zu verstehen, warum die Entscheidung getroffen wurde.".

Warum tauschte Ferrari Positionen nicht?

Bleibt die Frage, warum Ferrari die Positionen nach dem Boxenstopp nicht mehr tauschte. Insgeheim hatte Leclerc wohl darauf gehofft: "Das wurde am Funk nicht diskutiert. Ich habe einfach auf eine Entscheidung gewartet, ob sie glaubten, dass man das machen soll oder nicht. Es ist nicht passiert, aber ich habe nichts erwartet. Ich habe mich auf meinen Job fokussiert und gewartet, dass sie etwas sagen, wenn sie etwas zu sagen hatten."

Die erste Möglichkeit, Erklärungen zu bekommen, hatte Leclerc übrigens auf dem Podium. Ausgerechnet Inaki Rueda, Ferraris Strategiechef, nahm den Konstrukteurspokal auf dem Podium entgegen.