1. - S wie Startaufstellung

Wie immer bei Stadtrennen in der Formel 1 gilt auch für den Singapur GP 2019 (Start um 14.10 Uhr live bei RTL, Sky, im Live-Stream F1 TV und Live-Ticker von Motorsport-Magazin.com): Das Qualifying und damit die Startaufstellung sind die halbe Miete. Völlig überraschend in die beste Ausgangsposition gebracht hat sich Charles Leclerc.

Mit seiner dritten Pole in Serie lieferte der Ferrari-Pilot im Qualifying eine Sensation [vgl. 6. - S wie Sensation]. Immerhin wurde die Scuderia auf dem Marina Bay Street Circuit weitaus schwächer eingeschätzt als zuletzt. Doch Sebastian Vettel bestätigte das starke Ergebnis mit Platz zwei. Einzig Lewis Hamilton drängelte sich noch knapp vor den Deutschen.

Max Verstappen nimmt das Rennen vom vierten Startplatz auf. Valtteri Bottas und Alex Albon bilden die dritte Startreihe. Es folgen Carlos Sainz im McLaren vor Nico Hülkenberg, Lando Norris und Antonio Giovinazzi.

Der Italiener beginnt als erster Fahrer mit freier Reifenwahl [vgl. 3. - S wie Strategiefalle Soft?], weil Sergio Perez wegen Getriebewechsels strafversetzt wurde, Daniel Ricciardo wegen einer MGU-K über der erlaubten Maximalleistung gleich komplett vom Qualifying ausgeschlossen. Der Australier muss somit von ganz hinten starten

2. - S wie Start

163,974 Meter. Länger ist der Weg in Singapur von der Pole Position bis zum ersten Bremspunkt für Charles Leclerc nicht. Kaum Chancen also für Hamilton und Vettel, den Spieß sofort herumzudrehen. Noch dazu starten sie ohne Gripvorteil - die Fahrer der Top-Teams zogen allesamt mit Soft in Q3 ein.

Umso bitterer wäre eine Schlappe gleich zu Beginn für Leclerc. "Der Start wird der wichtigste Teil, extrem wichtig. Denn Mercedes wird hier sehr schnell sein, aber Überholen ist natürlich schwerer als in Monza", weiß der Youngster um die Bedeutung dieser ersten Meter. Doch das weiß auch Mercedes. "Jetzt nehmen wir uns starke Starts vor und hoffen, dass wir mit beiden Autos nach vorne kommen können", sagt Toto Wolff.

Doch ist der Ferrari-Vorteil, das Qualifying gewonnen zu haben, durch den extrem kurzen Sprint ungewohnt groß. Das stimmt jedenfalls Mattia Binotto zuversichtlich. "Wir sollten nicht vergessen, dass es in Singapur sehr wichtig ist aus der ersten Reihe zu starten. Was wir heute erreicht haben, ist also sehr gut", so der Teamchef nach dem Qualifying.

3. - S wie Strategiefalle Soft?

Die Rennstrategie für die langen 61 Runden von Singapur - meist die klar längste Rennzeit des Jahres - lässt sich schwieriger vorhersagen als jede andere. Nicht nur wegen der Länge des Rennens allein, sondern auch der nahen Leitplanken des Marina Bay Street Circuit. Auf diesem Kurs ist immer etwas los, Außergewöhnliches mehr Regel als Ausnahme.

Deshalb liefert Pirelli seine üblichen Empfehlungen in Strategie mit den einleitenden Worten 'In einer perfekten Welt ...'. Ja? Ist die theoretisch beste Strategie ein Start auf Soft mit einem einzigen Wechsel auf Medium nach 16 bis 20 Runden. Also genau das, was allen vorne einzig möglich ist. Ab P10 (Giovinazzi) kann jedoch frei gewählt werden.

Pirellis empfohlene Strategien für den Singapur GP, Foto: Pirelli
Pirellis empfohlene Strategien für den Singapur GP, Foto: Pirelli

Medium für 29 bis 32 Runden, dann auf Hard ins Ziel nennt Pirelli deshalb als nahezu indent schnelle Strategie, langsamer sei ein Start auf Soft mit Wechsel auf Hard. Zwei Stopps gelten als sehr viel langsamer - zumindest wenn nichts geschieht [vgl. 4. S - wie Safety Car]. Doch selbst ohne Vorkommnisse zweifelt auf Fahrerseite manch einer an der Variante eines Starts auf Softs.

Nico Hülkenberg etwas versucht geradezu das Q3 absichtlich zu verpassen, um frei seine Startmischung wählen zu können. Hintergrund ist das Vorjahr, als sich der Soft am Start für die zweite Hälfte der Top-10 als Problem erwies.

"Aber keiner wollte schneller fahren", ärgerte sich Hülkenberg mit einem Augenzwinkern darüber, genau das um vier Hundertstel verpasst zu haben. Umso mehr freut sich Giovinazzi, der nun als Erster Pilot die freie Reifenwahl hat. Und das dank der Strafen gegen Perez und Ricciardo unverhofft sogar von P10.

4. - S wie Safety Car

Wie theoretisch alle Strategie-Prognosen des vorherigen Abschnitts sind, zeigt eine Statistik zu den Einsätzen des Safety Cars in Singapur. Seit dem Debüt des Nachtrennens 2008 fuhr Bernd Mayländer stramme 18 Mal auf die Strecke. Also im Schnitt fast zwei Mal pro Rennen. Alleine in den vergangenen fünf Events kam er achtfach zum Einsatz.

Das kann natürlich jede Strategie über den Haufen werfen. Und genau hier lauert die Gefahr für Charles Leclerc - trotz der oben genannten Vorteile (kurzer Startstint, kaum Überholmöglichkeiten). Und damit die Chance für Mercedes. "Die Rennen sind hier besonders unvorhersehbar, sodass sich durch Zwischenfälle und Safety-Car-Phasen immer Chancen ergeben können", hofft der leitenden Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin.

"Es ist aber schwer, das richtig hinzubekommen, da man den Balanceakt zwischen einem guten Abstand zum Verfolger und guten Reifen für den Re-Start schaffen muss. Hoffentlich ergeben sich dadurch morgen ein paar Gelegenheiten für uns, damit wir hier mit mehr als einem zweiten und einem fünften Platz im Gepäck abreisen können." Auf viel anderes kann auch Bottas von jenem fünften Platz kaum noch hoffen: "In Singapur ist normalerweise immer viel los. Warten wir ab, ob sich vielleicht eine Chance ergibt, die ich ergreifen kann, um das Beste daraus zu machen."

Auf nasser Fahrbahn krachte es 2018 am Start in Singapur gewaltig, Foto: Sutton
Auf nasser Fahrbahn krachte es 2018 am Start in Singapur gewaltig, Foto: Sutton

5. - S wie Schauer

Doch damit nicht einmal genug der Unwägbarkeiten. Alles ins völlige Chaos stürzen könnte das Wetter. Ein Regenrennen bei Nacht - darauf wartet die Formel 1 seit Jahren in Singapur 2017 war es tatsächlich kurz so weit. Auf nasser Fahrbahn startete das Rennen und endete für Vettel, Verstappen und Räikkönen gleich in einer Startkollision.

Für 2019 war nun zunächst erneut Regen für die Stunden vor dem Rennen vorhergesagt. Doch inzwischen hat sich das Risiko gemindert. Nur noch fünf Prozent beträgt die Regenwahrscheinlichkeit nach aktuellem Stand. Für die gesamte Woche danach sind allerdings heftige Regenschauer angesagt. Können die früher kommen, sollte der Wind auffrischen?

6. - S wie Sensation in Perfektion

Ferrari ist stark in Singapur. Damit hatte niemand gerechnet. Wirklich niemand. Am Freitag sahen sich die Experten auch bestätigt. Ferrari fuhr hinterher. Doch einen Tag später war plötzlich alles anders.

Ferrari fuhr mehr als nur auf dem Niveau von Mercedes. Selbst mit einer von Fehlern gespickten Runde reichte es für Leclerc locker zur dritten Pole in Serie. Eine echte Sensation.

Perfektioniert Leclerc diese am Sonntag auch mit dem dritten Sieg in Folge? Auf der Rechnung hat die Konkurrenz Ferrari jedenfalls wieder voll und ganz. "Ich denke, dass du Ferrari immer auf dem Schirm haben musst", meint Toto Wolff.

"Ich habe immer gesagt, dass wir vorsichtig sein müssen und hier haben wir es", freut sich der Österreicher fast schon darüber, dass sein oft belächeltes Tiefstapeln nun doch einmal angemessen scheint. Ferrari ist eine Kraft, mit der du rechnen musst. Immer."

Auch Lewis Hamilton rieb sich nach dem Qualifying die Augen. "Wir haben erwartet, dass wir dieses Wochenende mit Red Bull kämpfen würden, wenn man bedenkt wie die Ferrari an anderen Orten, an denen es um High-Downforce ging, so waren. Sie waren da nicht so stark - zum Beispiel in Budapest", erinnert Hamilton "Und plötzlich bringen sie hier ein Update und es läuft. Wir haben natürlich nicht erwartet, dass sie so stark sein und wir ein so großes Defizit haben würden."

Ähnlich ging es Ferrari selbst. Sehr überrascht sei er gewesen, so Leclerc. "Wir haben hier nicht erwartet, Mercedes oder Red Bull fordern zu können. Eine Überraschung für das ganze Team."

7. - S wie Sieger

Damit stellt sich jedoch eine wichtige Anschlussfrage: Kann Ferrari diese Überraschung auch am Sonntag auf die Renndistanz bestätigen? Klar, gewinnt Leclerc den Start, wird ihm die Track Position im engen Singapur schon allein extrem helfen. Überholen ist hart. Doch ist die Ferrari-Pace plötzlich wieder heillos unterlegen, könnte ein Undercut Hamiltons dank der langen Runde wirken wie ein Volltreffer Wladimir Klitschkos.

Tatsächlich hatte Ferrari schon in Monza und Spa im Renntrimm das größere Problem. Der Abtrieb-Nachteil des Ferrari wird hier überbetont, schaukelt sich durch heftigeres Rutschen als bei der Konkurrenz regelrecht hoch. Auch in Singapur war die Longrun-Pace Hamiltons aus einer anderen Welt - eher zwei statt eine Sekunde schneller. Doch gilt die Ferrari-Wunderheilung von Freitag auf Samstag nicht nur für die Quali-Pace?

Genau darauf baut Sebastian Vettel. "Wenn das Gefühl im Auto nur wieder so ist wie heute, dann wird die Rennpace viel besser sein als gestern", meint der Dritte des Qualifyings. "Und das brauchen wir auch, den gestern waren wir doch eine gute Ecke langsamer als Mercedes und Red Bull. Wir müssen einfach abwarten, ob wir den Reifen schonen müssen oder pushen können."

Dass Mercedes diesen größten Vorteil verloren haben könnte, glauben jedoch die wenigsten. "Unser Auto ist stark im Renntrimm und obwohl das Überholen hier schwierig ist, liegt noch ein langes Rennen vor uns, in dem viel passieren kann. Es wird entscheidend sein, gut auf die Reifen zu achten", sagt selbst Chefpessimist vom Dienst, Toto Wolff.

"Es wird hart, aber es ist nicht unmöglich", glaubt auch Hamilton - und kündigt bereits eine aggressive Gangart an. Noch einmal von Leclerc abspeisen lassen wie in Monza will sich der Weltmeister nicht.

Und Leclerc selbst? Weiß genau, dass schon die beiden letzten Siege keine leichten waren. Und kann sich trotz der perfekten Ausgangslage noch immer keinen Ferrari-Coup in Singapur vorstellen. Nicht wirklich jedenfalls. "Dieses Wochenende haben wir nicht erwartet, auch nur in die Nähe dessen zu kommen, was wir heute geschafft haben", so Leclerc nach dem Qualifying. "Wenn wir den Sieg nach Hause bringen, das wäre verrückt!"