Der Kampf um den inoffiziellen WM-Titel in der B-Wertung der Formel 1 verdient seit dem Italien GP wieder diese Bezeichnung. Vor der Sommerpause der F1-Saison 2019 hatte sich noch McLaren zum klar aussichtsreichsten, fast schon einzigem Anwärter auf den vierten Rang der Konstrukteure gemausert. Doch mit einem Top-Ergebnis in Monza hat jetzt Renault einen gewaltigen Batzen des McLaren-Vorsprungs in Luft aufgelöst.

43 Punkte lag Enstone nach Ungarn hinter Woking. Zwei Rennen später - Belgien und Italien - sind es nur noch 18 Zähler. Während Renault erst vier, dann 22 Punkte holte, ging McLaren erst komplett leer aus und holte dann lediglich einen Trostpunkt in Monza.

Renault: McLaren einholen ist jetzt machbar

Die Folge des besten Einzelergebnisses seit dem F1-Comeback 2016: Renault wittert wieder Morgenluft. Teamchef Cyril Abiteboul rechnet auf F1.com vor: "Wir sind jetzt 18 Punkte weg, haben noch sieben Rennen. Das sind im Schnitt drei Punkte mehr als sie, also ist es voll und ganz machbar."

Das ursprüngliche Ziel dieser Saison - Rang vier - aber Renault ohnehin nie aufgegeben. "Du passt deine Vorgaben nicht an, nur weil sie härter zu erreichen aussehen", so der Franzose.

McLaren desinteressiert: 2020 wichtiger als Renault-Kampf

McLaren unterdessen reagiert entspannt auf die jetzt auch nach Punkten wiederbelebte Renault-Mission. Das jedenfalls ändere rein gar nichts in Sachen Entwicklung, auch mit Blick auf den Wechsel des Fokus' auf 2020, so Teamchef Andreas Seidl. "Natürlich wollen wir so lange wie möglich um diesen vierten Platz kämpfen", sagt der Deutsche zwar.

Doch seine Priorität ist eine andere. "Gleichzeitig ist es für mich viel wichtiger, mit dem nächstjährigen Auto den nächsten Schritt zu machen", sagt Seidl. Noch ist der MCL34 ohnehin nicht eingefroren. "Wir planen, mindestens für die nächsten zwei oder der Rennen Teile zu bringen - keine großen Updates, einfach kontinuierlich kleine Dinge", schildert Seidl. "Dann müssen wir einfach schauen, wann wir vollständig auf das Auto für nächstes Jahr und dessen Entwicklung wechseln. Das ist noch offen."

Renault vs. McLaren: Wer gewinnt das Mittelfeld-Duell?

McLaren hat also Wichtigeres vor, als nur um vierte Plätze zu kämpfen. Grundlegend gilt das jedoch auch für Renault. "Das Ziel ist nicht nur McLaren. Das Ziel ist, sich überall und gegenüber allen zu verbessern, denn unter dem Strich sind P5 und P4 gut, aber nicht das, wo wir aufhören wollen", sagt Abiteboul.

Dennoch wollen die beiden Rivalen den Kampf um den Best of the Rest der Formel 1 2019 natürlich gewinnen. Wie sie ihre Chancen abseits der Mathematik des Cyril Abitebouls einschätzen? Gut. Beide. McLaren, weil man Renaults Stärke in Monza offenbar für einen Ausreißer hält.

McLaren entspannt: Renault in Monza stark erwartet

"Die Renault-Pace [in Monza] war wie wir sie erwartet hatten", sagt Seidl. "Carlos' [Sainz] Rennen lief auch wie erwartet, es sah nach P6 für uns aus. Das wäre Schadenbegrenzung gewesen, da wir in Spa und Monza gesehen haben, dass wir mit dem Low-Downforce-Paket zu kämpfen hatten wenn es darum ging mit Renault Schritt zu halten", sagt der McLaren-Teamchef.

Umso bitterer der Ausfall des Spaniers durch ein Problem beim Boxenstopp. "Deshalb ist es natürlich enttäuschend, dass wir nur einen Punkt geholt haben während Renault so viele Punkte erzielt hat", klagt Seidl. "Es ist wichtig, dass wir als Team analysieren, was da bei dem Boxenstopp passiert ist."

McLaren setzt Rückkehr zu High-Downforce-Rennen

In Sachen Performance herrscht für die kommenden Rennen jedoch ganz klar Optimismus. Hintergrund sind die nun bevorstehenden Strecken. Wenig Abtrieb wie in Spa oder Monza in erst einmal nicht gefragt, vor allem nicht beim kommenden Rennen in Singapur. "Hoffentlich sind wir dann mit mehr Downforce auch wieder da, wo wir in Sachen Konkurrenzfähigkeit vor dem Shutdown waren", sagt Seidl.

Renault ist sich dessen jedoch auch bewusst. "Ich denke, dass man wirklich sagen kann, dass wir mit dem Motor unseren Job gemacht haben. Das ist sehr klar. Wir waren in Montreal, in Spa und in Monza konkurrenzfähig. Das war eine klare Demonstration", betont Abiteboul zwar. Doch weiß der Franzose nicht nur um die Stärke des Renault-Pakets.

Renault weiß um seine Schwäche: Harte Zeiten kommen noch

"Die Schwächen des Autos sind noch da - deshalb bin ich nicht überglücklich, denn ich weiß, dass in dieser Saison noch immer harte Zeiten vor uns liegen", gesteht Abiteboul. "Es wird noch eine Reihe von Strecken geben, auf denen sie [McLaren] schneller sein werden als wir. Das ist Fakt."

Dennoch sieht Renault gute Chancen. "Es wird auch eine Reihe von Strecken geben, auf denen wir schneller sein werden", meint Abiteboul. Allerdings müsse sein Team das im letzten Saisondrittel nun auch besser nutzen als in den ersten beiden. "Wir müssen einfach in der Lage sein, das zu tun, was wir bisher nicht getan haben - nämlich wenn wir schneller sind auch mehr Punkte holen", fordert Abiteboul. "Italien war da die Ausnahme - da haben wir es mal geschafft. Es war ein verdientes Resultat."

Renault: Müssen aus starken Wochenenden mehr Kapital schlagen

Zuvor war das einzig noch in Kanada der Fall gewesen. "Es lief dieses Jahr holprig", resümiert Abiteboul. "Es gab eine Reihe von Fällen, bei denen wir ein tolles Ergebnis hätten haben können. Mit Punkten, die uns in der Meisterschaft geholfen hätten, aber das ist aus vielen verschiedenen Gründen nicht passiert, manchmal selbstverschuldet, manchmal durch äußere Einflüsse."

Genauso sieht es Nico Hülkenberg. "Wir müssen diese Art von Resultaten [wie in Monza] regelmäßiger einheimsen", fordert der Emmericher - und schickt eine Kampfansage an McLaren hinterher. "Das ist ganz klar möglich, wir werden nicht nachlassen. Wir haben in der Konstrukteurs-WM einen grßen Sprung geschafft und das Rennen um den vierten Platz ist voll in Gang!"

Hülkenberg & Ricciardo mit Kampfansagen an McLaren

Daniel Ricciardo gibt sich ebenfalls zuversichtlich. "Wir haben das doppelte Finish in den Top-5 in Italien verdient. Wir wissen, dass jetzt viele Augen auf uns ruhen werden, ob wir das wiederholen können. Aber ich sehe keinen Grund, warum wir nicht noch mehr solide Ergebnisse zusammen bekommen und den vierten Platz richtig jagen sollten", sagt der Australier.