Charles Leclerc kam bei seinem Sieg im Formel-1-Rennen in Monza mit einigen harten Manövern davon. Der Ferrari-Pilot zog im Kampf gegen Weltmeister Lewis Hamilton alle Register, was ihm eine Verwarnung durch die Rennleitung einbrachte. Einer Strafe entging der Monegasse sehr zur Freude der Tifosi. Für Jacques Villeneuve eindeutig eine politische Entscheidung.

"Es ist schwierig, das hier zu sagen, denn wenn du die Wahrheit sagst, sagen alle sofort "Oh, du bist ein Idiot! Warum sagst du so etwas, wir lieben doch genau das!", äußert der Kanadier im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com zunächst Bedenken, mit seiner vor allem in Italien wohl weitestgehend unbeliebten Meinung herauszurücken. Doch der Weltmeister von 1997 nimmt auch beim neuen Publikumsliebling der Tifosi kein Blatt vor den Mund.

Nur weil Leclerc seit seinem Durchbruch in Spa auf einer Erfolgswelle reitet, heißt das für ihn nicht, dass der Youngster automatisch frei von Fehlern ist. "Du musst ihn jetzt genauso beurteilen, wie jeden anderen Fahrer auch. Und diesen Sonntag hat er einen Magnussen gemacht. Das ist die Wahrheit", kritisiert Villeneuve den zweifachen Grand-Prix-Sieger für sein Zweikampfverhalten.

Leclerc hat Hamilton in die Wiese gedrückt und abgekürzt

Leclerc hatte Hamilton in der 23. Runde beim Anbremsen auf die zweite Schikane den Raum eng gemacht, woraufhin der Mercedes-Pilot mit der rechten Fahrzeugseite auf der Grasnarbe am Kerb anbremsen musste und die Kurve verpasste. "Er hat Lewis in die Wiese geschickt", ist die Szene für Villeneuve klar. Leclerc hingegen war sich nach dem Rennen sicher, eine Fahrzeugbreite Platz gelassen zu haben.

Neben dieser Aktion leistete sich Leclerc einen Verbremser in der Schikane sowie ein weiteres hartes Verteidigungsmanöver gegen Hamilton in der Curva Grande. Während die Rennleitung nur für die Aktion in der zweiten Schikane eine Verwarnung aussprach, wäre Leclerc bei Villeneuve mit keinem dieser Manöver davongekommen.

"Er hat die zweite Schikane abgekürzt und war am Ausgang weiter vorne als bei der Einfahrt. Und es gab keine Untersuchung", kritisiert Villeneuve, der sonst eigentlich immer für hartes Racing plädiert. Doch Leclerc bekommt von ihm nach Monza offenbar die gleiche Behandlung, die er über lange Zeit hinweg dem blutjungen Max Verstappen für seinen kompromisslosen Stil verpasste.

Charles Leclerc erhielt in Monza für eines seiner Manöver gegen Lewis Hamilton eine Verwarnung, Foto: LAT Images
Charles Leclerc erhielt in Monza für eines seiner Manöver gegen Lewis Hamilton eine Verwarnung, Foto: LAT Images

Villeneuve: Strafe für Ferrari-Fahrer in Monza unvorstellbar

Dass der Ferrari-Pilot damit davonkam, kann für Villeneuve nur einen Grund haben: "Als er vor der zweiten Schikane den Move gemacht hat, an der gefährlichsten Stelle - wenn das auf einer anderen Strecke oder es ein anderer Fahrer gewesen wäre, hätte das normalerweise eine Strafe gegeben."

Villeneuve schlägt in dieselbe Kerbe wie Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Er sieht ganz klar den Heimvorteil von Leclercs Team als ausschlaggebend für die Nachsichtigkeit der Rennkommissare. In Monza einen Ferrari-Piloten zu bestrafen, hält er für unmöglich. "Stell es dir nur einmal vor", winkt Villeneuve ab. "Er wusste, dass er es riskieren konnte. Also hat er mit den Grenzen gespielt und es hat für ihn funktioniert."

Neben der Schelte fand Villeneuve aber auch lobende Worte für den jungen Monegassen, der sich in seiner erst zweiten Formel-1-Saison auf Augenhöhe mit den Besten im Feld befindet. "Es ist toll, weil er wirklich super gut gefahren ist. Er war super stark. Vergesst nicht, dass er erst 21 Jahre alt ist. Er hat die Reifen bis zum Ende im Griff gehabt, das war alles gut. Es war ein toller Rennausgang."

Villeneuve fürchtet schlechten Stil: Gelbe Karte als Joker

Keine Zweifel an Leclercs Talent also beim 48-Jährigen. Dafür aber am Vorgehen der Stewards, denn die Verwarnung in Form der schwarz-weißen Flagge ist für Villeneuve nicht der richtige Weg. "Ich mag die schwarz-weiße Flagge nicht, denn es ist so, als ob du einen Joker gibst", sagt er.

Er fürchtet, dass Piloten die gelbe Karte ausnutzen, um mit eigentlich regelwidrigen Manövern davonzukommen: "Das ist so, als ob man dir erlaubt, eine dumme Aktion im Rennen zu machen. Und dann werden sie bald anfangen, das zu missbrauchen. Es hängt jetzt davon ab, ob die gelbe Karte auf das nächste Rennen übertragen wird. Dann hat der Fahrer diese Möglichkeit natürlich nicht."