Charles Leclerc holte beim Italien GP 2019 den ersten Ferrari-Heimsieg seit 2010, als Fernando Alonso in Monza für die Scuderia triumphierte. Entsprechend euphorisch war die Stimmung auf den Rängen. Auch bei Leclerc war die Freude grenzenlos, so ausgelassen hat man den Monegassen selten gesehen.

Und dennoch hing der Haussagen bei Ferrari auch am Sonntag nach dem Rennen noch etwas schief. Und das lag nicht nur an Sebastian Vettels Leistung. Der Deutsche hatte sich einmal mehr gedreht und anschließend eine Strafe kassiert, weil er beim Zurückfahren auf die Strecke noch Lance Stroll mitgenommen hatte.

"Es ist gut für das Team, aber ich bin auf meiner Seite nicht glücklich", sagte Vettel. Das hat wohl nur teilweise etwas mit seiner eigenen Leistung zu tun. Vettel war wohl noch immer wegen Samstag sauer. Im Qualifying gab es richtig Zoff zwischen den Ferrari-Piloten.

Leclerc beschwert sich über Vettel: Fährt zu schnell

Im ersten Q3-Versuch sollte Vettel Leclerc Windschatten geben, im zweiten Versuch dann umgekehrt. Ob sich Vettel zu einhundert Prozent an die Absprache hielt, ist unklar. Vettel und Leclerc gingen im ersten Versuch direkt hintereinander aus der Garage. Plötzlich zog Vettel aber das Tempo an und Leclerc kam nicht mehr mit.

Ähnlich lief es bereits im Q1. Da beschwerte sich Leclerc am Funk: "Sebastian fährt sehr schnell." Im Q3 hatte Leclerc Glück im Unglück. Er ließ sich hinter die beiden Renault zurückfallen und fuhr in ihrem Windschatten seine Pole-Runde.

Vettel: Interne Absprache anders

Später wurde es aber richtig heikel. Als gegen Ende des Qualifyings Chaos ausbrach, fiel Leclerc hinter Vettel zurück - obwohl er ihm eigentlich Windschatten geben sollte. Erst ganz am Ende, als klar wurde, dass kaum einer mehr rechtzeitig über die Linie kommen würde, zog Leclerc wieder an und überholte Vettel. "Intern war die Absprache ein bisschen anders, aber so war's heute", sagte Vettel anschließend öffentlich.

Leclerc erklärte gegenüber Motorsport-Magazin.com: "Um ganz ehrlich zu sein, der Plan war, dass Sebastian mir im ersten Versuch Windschatten gibt und ich ihm im zweiten. Ich bin vor ihm aus der Box gefahren, aber durch das Chaos hat mich Sebastian überholt, weil es klar war, dass es zeitlich knapp werden würde. Ich bin dann bis zur letzten Geraden hinter ihm geblieben, wo ich am Radio gehört habe: 'Du kannst ihn überholen.' Das habe ich dann gemacht. Es war ein Chaos, aber ich glaube, ich hätte nicht viel mehr machen können."

Ferrari-Teamchef: Es sei dir vergeben

Ganz so war es offenbar nicht. Denn bei Ferrari gab es aufgrund der Aktion mächtig Stunk. Anders ist der Funkspruch von Teamchef Mattia Binotto nicht zu erklären. "Sei perdonato", funkte er Leclerc auf Italienisch ins Cockpit. "Es sei dir vergeben", waren Binottos Worte an Leclerc ins Deutsche übersetzt.

Genauer erörtern wollte Binotto seinen Funkspruch später nicht. "Sollen es die beiden erklären?", scherzte er zunächst und schaute nacheinander Sebastian Vettel zu seiner Rechten und Charles Leclerc zu seiner Linken an. Während Leclerc den Scherz regungslos zur Kenntnis nahm, reagierte Vettel mit einem gequälten Lächeln.

Dann musste aber doch Binotto weitermachen - und verriet viel, indem er nichts zu verraten versuchte: "Es geht um etwas in den letzten Tagen, das wir intern besprochen haben, das aber zwischen uns Dreien bleibt."

Für die Zukunft erwartet Binotto keine Probleme zwischen Vettel und Leclerc: "Es gibt unterschiedliche Blickwinkel, es war eine komische Situation für alle. Diese Jungs sind großartig, ich kann auf sie zählen. Das heißt nicht, dass es nicht noch einmal passieren kann, man weiß ja nie. Aber unser Spirit ist immer: Wir müssen daraus lernen."

Rote Krise: Demontiert Sebastian Vettel sein F1-Vermächtnis? (24:02 Min.)