Besser könnte die Ausgangslage für das Ferrari-Heimspiel in Monza nicht sein. Charles Leclerc startet zum vierten Mal in seiner Formel-1-Karriere von Pole Position, dahinter führt Lewis Hamilton das Mercedes-Duo an. Sebastian Vettel ist auf Position vier in Lauerstellung. Wer hat die besten Karten im Kampf um den Sieg?

Nur Red Bull fehlt vorne. Max Verstappen hatte im Qualifying erneut Motorprobleme, hätte aber aufgrund neuer Motorkomponenten ohnehin von hinten starten müssen. Alex Albon war einer der Leidtragenden des Qualifying-Chaos und konnte überhaupt keine Zeit setzen, weil er seinen ersten Versuch nach dem Räikkönen-Crash abbrechen musste.

Obwohl Verstappen von hinten ins Rennen gehen muss, glaubt Red Bull an eine realistische Podiumschance. Zumindest Dr. Helmut Marko: "Die Reifen bei Ferrari haben nur eine Runde gehalten. Ich glaube, dass Max, wenn die ersten Runden gutgehen, bald vorne dabei sein wird. Ich denke, ein Podium ist genauso wie in Spa drin für den Max, aus eigener Kraft."

Ferraris Longrun-Defizit keine Garantie für schwaches Rennen

Doch das sollte schwierig werden. Ferrari war am Freitag zwar nicht besonders stark bei den Longruns, das ist aber keine Seltenheit. Ja, Ferrari hat im Renntrimm mehr Probleme als Red Bull und Mercedes, doch am Freitag machen Sebastian Vettel und Charles Leclerc 2019 nie einen guten Eindruck. Am Sonntag sieht es meist schon deutlich besser aus.

Formel 1 Italien GP 2019: Longruns auf Soft

FahrerReifen-AlterStint-LängeDurschntl. Zeit
Bottas22141:24,823
Verstappen1371:25,108
Vettel1681:25,174
Leclerc1671:25,191
Albon1351:25,744

In Spa war Ferrari im Rennen zwar nicht stark, aber deutlich stärker als am Freitag. "Ich glaube unsere Rennpace war deutlich besser als am Freitag in Spa, deshalb sind wir hier ziemlich optimistisch", bestätigt Charles Leclerc. Ferrari war zwar wieder langsamer als Ferrari und Red Bull, aber der Abstand war deutlich geringer. Ob das mit der Streckencharakteristik, den Bedingungen oder Verbesserungen am Ferrari zusammenhängt, ist unklar.

Formel 1 Italien GP 2019: Longruns auf Medium

FahrerReifen-AlterStint-LängeDurschntl. Zeit
Verstappen1561:24,956
Hamilton27141:25,389
Albon1761:25,409
Vettel23121:25,675

Mercedes-Revanche für Spa? Silberpfeile in Monza deutlich stärker

Trotzdem ist Ferrari etwas im Nachteil. In Spa halfen Leclerc diverse Faktoren, den Sieg am Ende 0,9 Sekunden über die Linie zu retten. Und während Ferrari im Renntrimm etwas stärker aussieht, sieht Mercedes generell stärker aus. Im Qualifying fehlten nur wenige Tausendstel. "Ich glaube, wir sind hier viel konkurrenzfähiger als in Spa", gibt Teamchef Toto Wolff zu. "Spa scheint für uns ein negativer Ausreißer zu sein, aber irgendwie passt unser Paket in Monza besser, auch wenn es in der Theorie schlechter sein sollte, weil wir auf den Geraden nicht so schnell wie die Ferrari sind."

Wenn Toto Wolff einen solchen Optimismus versprüht, sind das in der Regel schlechte Nachrichten für die Konkurrenz. Und tatsächlich hinkt Mercedes auf den Geraden längst nicht mehr so hinterher. Das spezielle Low-Downforce-Paket steht dem F1 W10 offenbar gut. "Ihre Geschwindigkeit auf der Gerade ist nicht so weit weg wie in Spa, wir waren im Training schon überrascht, sie so schnell zu sehen", gesteht Leclerc.

Bei der Endgeschwindigkeit ist der Unterschied nicht mehr besonders deutlich. Leclerc wurde in der Qualifikation mit 349,7 Stundenkilometer geblitzt, Hamilton mit 342,5 Sachen. Das gibt Mercedes die Chance, auf der Strecke besser zu überholen. In Spa sah man Hamilton in der Startrunde noch gegen Vettel verhungern. Dort hatte Mercedes aber auch aus Sicherheitsgründen auf den höchsten Leistungsmodus verzichtet.

Formel 1 Italien GP 2019, Topspeeds im Qualifying

PerezRacing PointMercedes349,7
LeclercFerrariFerrari349,7
StrollRacing PointMercedes349,5
SainzMcLarenRenault346,1
VettelFerrariFerrari346,0
MagnussenHaasFerrari345,0
AlbonRed BullHonda344,6
HulkenbergRenaultRenault344,4
RicciardoRenaultRenault344,2
RussellWilliamsMercedes343,5
RaikkonenAlfaFerrari342,7
KvyatToro RossoHonda342,6
GiovinazziAlfaFerrari342,5
HamiltonMercedesMercedes342,5
GaslyToro RossoHonda342,4
KubicaWilliamsMercedes340,9
GrosjeanHaasFerrari340,8
BottasMercedesMercedes338,3
NorrisMcLarenRenault334,8
VerstappenRed BullHonda331,8

Leclerc droht am Start Windschatten-Attacke

Die verbesserte Endgeschwindigkeit in Kombination mit DRS und Windschatten macht Mercedes aber definitiv gefährlich. Dazu kommt der Start. "Der wird hier sehr wichtig, es ist ein langer Weg von Pole bis zur ersten Kurve", mahnt Leclerc. 450 Meter lang darf der Monegasse das Gaspedal erst sanft, dann komplett durchdrücken, ehe er erstmals die Bremse betätigen muss.

Auch auf diese Distanz macht sich der höhere Luftwiderstand und der damit einhergehend vergrößerte Windschatten-Effekt der 2019er Autos bemerkbar. Nach der ersten Schikane gibt es durch die Curva Grande hindurch nach dem Start gleich die zweite gute Stelle für Windschatten-Duelle. Überholverbot herrscht auf keinen Fall. Später kommt auch noch DRS hinzu. Auch wenn der DRS-Effekt aufgrund er Mini-Flügel etwas kleiner ausfällt: Auf keiner anderen Strecke im Kalender ist es einfacher, in das DRS-Fenster zu kommen.

Wenn Mercedes tatsächlich die bessere Rennpace haben sollte - auch wenn der Unterschied nicht mehr so dramatisch ausfällt - gibt es genügend Chancen, das Rennen auf der Strecke zu drehen. Bei der Strategie wird es relativ klar: Mehr als einen Stopp macht unter normalen Umständen niemand. Die Reifen halten dafür zu gut, außerdem ist der Verlust bei der Boxendurchfahrt in Monza zu groß.

Verstappen hat den Regen-Joker

Bleib eine spannende Variable: Das Wetter. Die Meteorologen gingen zunächst von einem hohen Regenrisiko für das Rennen aus. Die neuesten Prognosen sagen Regen am Vormittag vorher, aber erwarten ein trockenes Rennen. Bei der Abstimmung macht das keinen Unterschied. Niemand spekulierte mit einem Regenrennen. "Position ist alles und du willst im Qualifying so schnell wie möglich auf den Geraden sein. Deshalb haben wir absolut alles weggenommen, was ging", verriet Lewis Hamilton. "Das gilt auch für uns", fügte Leclerc an.

Sollte sich das Wetter doch noch ändern, darf man ein Auge auf Max Verstappen werfen. "Sollte es sich drastisch ändern und stark regnen, kann er aus der Box starten und macht volles Rohr Anpressdruck hinten drauf", erklärte Marko. Beim letzten Startplatz kein großer Nachteil.

Auch wenn es trocken bleibt, könnte das Wetter eine Rolle spielen. Die Temperaturen sollen recht niedrig sein. Im zweiten Stint könnte das zum Problem für Ferrari werden. Der Medium-Reifen erreicht seinen Peak in einem höheren Temperaturbereich. Auf den langen Geraden kühlen die Reifen recht stark ab. Wer hier Anpressdruck hat, bringt die Pneus strukturell besser auf Temperatur. Ferrari hingegen droht dann wieder das Risiko, dass die Oberfläche überhitzt, weil das Auto stärker rutscht.

Fazit: Der Italien GP verspricht, ein Kracher zu werden. Mercedes scheint das schnellere Rennauto zu haben, aber der Vorsprung ist nicht so groß wie noch in Spa. Und auch Sebastian Vettel könnte von Platz vier noch ein Wörtchen mitreden. Er hatte im Qualifying Pech mit dem Windschatten. Sein Rückstand ist deutlich kleiner als noch in Spa.