Das Formel-1-Wochenende in Spa-Francorchamps 2019 war ein schwarzes Wochenende. Nach dem tragischen Tod Anthoine Huberts durch einen schrecklichen Unfall im Hauptrennen der Formel 2 am Samstag rückte der Sport komplett in den Hintergrund.

Bereits am Samstagabend wurde so gut wie alle Medienrunden abgesagt, am Sonntag wurde des Sprintrennen der Formel 2 aus Respekt vor dem Verstorbenen abgesagt. Nicht nur deshalb war es ein ungewöhnlicher Vorlauf zum späteren Rennen der Königsklasse.

Ricciardo: Dieses Rennen wollte keiner wirklich fahren

Vor allem herrschte eine unfassbar bedrückte Stimmung. Zwei Schweigeminuten, eine alles andere als fröhliche Fahrerparade, mehr eine Trauerfahrt mit großer französischer Flagge an der Spitze, viele betroffene Gesichter und Umarmungen, allen voran für die Familie und Freunde des Franzosen. Überall stille Grüße an AH19, in Form von Aufklebern, Aufstellern, Transparenten und allem Erdenklichen.

Eine Situation, die selbst die fröhlichsten Zeitgenossen im Fahrerlager betroffen machte. Selbst Dauerstrahlemann Daniel Ricciardo fühlte sich völlig leer. "Ich bin froh, dass der heutige Tag vorbei ist. Ich bin froh, dass das Rennen vorbei ist", sagt der Australier am Sonntagabend.

Ricciardo-Zweifel, ob er starten soll: "Ist es das wirklich wert?"

"Ich weiß - und das ist seltsam genug -, dass die beste Weise, wie wir unseren Respekt zeigen können, ist, heute das Rennen zu fahren. Aber ich denke nicht, dass irgendeiner von uns heute tatsächlich hier sein und ein Rennen fahren wollte", schildert Ricciardo stellvertretend für den ganzen F1-Grid. "Zumindest wenn ich für mich spreche. Aber ich bin sicher, dass ich da nicht der einzige bin."

Es sei einfach hart gewesen, unfassbar hart. "Zu versuchen, ein tapferes Gesicht für alle aufzusetzen. Ich weiß, dass es jeder Menge Leuten im Fahrerlager nach gestern wehgetan hat und ich denke, dass jetzt alle erleichtert sind, dass es erledigt ist und wir weiterziehen können. Und hoffentlich bleibt es das letzte Mal, dass sowas passiert."

Huberts Familie verleiht Ricciardo Kraft

Ricciardo geht sogar noch einen Schritt weiter. Der Australier überlegte ernsthaft, ob er am Sonntag überhaupt an den Start gehen sollte. Darüber habe er am Vorabend nachgedacht. "Yeah, absolut. Du fragst dich natürlich: 'Ist es das wirklich wert?' Denn am Ende des Tages ist es eine einfache Frage, aber auch eine sehr ehrliche ...", so Ricciardo. "Ja, es ist unser Job und unserer Profession und auch unser Leben. Aber es ist auch einfach nur mit Autos Rennen im Kreis fahren."

Schweigeminute - riesige Trauer am Sonntagmorgen in Spa, Foto: LAT Images
Schweigeminute - riesige Trauer am Sonntagmorgen in Spa, Foto: LAT Images

Die nötige Kraft verliehen hätten ihm erst am Sonntagmorgen ausgerechnet die Angehörigen des Verstorbenen. "Seine Familie heute hier zu sehen hat mir ehrlich gesagt mehr Kraft verliehen als irgendetwas anderes", sagt Ricciardo. "Meine Kappe vor ihnen zu ziehen, wird dem gar nicht gerecht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich könnte mir nicht vorstellen, an ihrer Stelle zu sein. Ich denke, dass sie heute sehr viel stärker waren als jeder andere von uns."

Schock für Gasly: Mit 22 oder 23 nicht bereit, Kumpel zu verlieren

Wie recht Ricciardo mit seinen Aussagen über seine Fahrerkollegen hat, verdeutlichen deren Aussagen am Sonntagabend nur noch besser. Vor allem die jüngeren Fahrer im Grid führen an diesem Sonntag in einer emotionalen Ausnahmesituation. Allen voran ausgerechnet Rennsieger Charles Leclerc, Freund Huberts und Pierre Gasly, Landsmann und langjähriger Wegbegleiter.

"Ich denke, dass es der emotionalste Rennvorlauf war, den ich je erlebt habe. Denn mit 22 oder 23 Jahren bist du einfach nicht bereit einen solchen Moment zu durchleben, einen deiner besten Kumpel zu verlieren", schildert Gasly. Eine Situation, die auch Red Bulls Teamchef Christian Horner bewusst war. Der nahm den zuletzt so kritisierten Franzosen, jetzt nur mehr bei Toro Rosso, vor dem Rennen auf die Seite, redete ihm gut zu.

Gasly & Hubert: Freunde seit dem Kartsport

Denn Gasly und Hubert - das war eine echte Freundschaft, keine flüchtige Paddock-Bekanntschaft. "Ich bin mit diesem Kerl im Kartsport aufgewachsen seit ich sieben Jahre alt war, wir waren Zimmergenossen, haben sechs Jahre lang in derselben Wohnung gelebt", schildert Gasly.

"Wir haben auch gemeinsam die Schulbank gedrückt. Ich habe von 13 bis 19 mit ihm gemeinsam gelernt, mit demselben Lehrer. Ich bin noch immer schockiert. Ich kann nicht realisieren, wie schnell es gehen kann. Es ist einfach furchtbar."

Gasly bat Leclerc: Gewinn' das Rennen für Anthoine

Für diesen Montag plant Gasly bereits eine große Reunion mit allen gemeinsamen Freunden. "Denn keiner von uns versteht und realisiert, was da passiert ist. Es ist einfach unfassbar traurig." Zu diesen Freunden zählen dürfte auch Charles Leclerc. Nicht nur mit Horner, auch mit dem Monegassen sprach Gasly deshalb vor dem Rennen - und erteilte dem Polesitter einen Auftrag.

Charles Leclerc und Anthoibne Huberts Mutter vor dem Start, Foto: LAT Images
Charles Leclerc und Anthoibne Huberts Mutter vor dem Start, Foto: LAT Images

"Ich habe Charles vor dem Rennen gesagt: 'Bitte gewinn' dieses Rennen für Anthoine'", erinnert sich Gasly. "Denn wir finden alle im selben Jahr mit dem Rennsport an. Charles, Anthoine und ich. Wir sind so viele Jahre zusammen gefahren und kannten einander."

Charles Leclerc gewinnt, widmet Sieg Hubert

Charles Leclerc bestätigt: "Ich habe schon gestern Abend mit Pierre gesprochen. Wir konnten es natürlich nicht glauben und waren alle sehr schockiert. Wir finden alle 2005 an, mit Esteban [Ocon], Anthoine und Pierre ... Wir sind alle zusammen durch die ganzen Klassen des Kartsports und haben dann erst im Singleseater unterschiedliche Richtungen eingeschlagen."

Leclerc weiter: "Vor dem Rennen war es sehr emotional, sobald ich dann im Auto war, wie schon bei meinem Vater vor zwei Jahren, musst du es dann irgendwie zur Seite schieben und dich auf deinen Job konzentrieren. Genau das habe ich getan."

Mit Erfolg. Seinen Sieg in Spa - Leclerc erfüllte Gaslys Mission für ihren gemeinsamen Freund - widmete der Ferrari-Pilot Anthoine Hubert. "Am Ende realisierst du es dann wieder und sobald du über die Ziellinie fährst, kommen all die Emotionen zurück. Aber ich war sehr happy zu gewinnen und so auf die Weise an ihn zu erinnern, die er verdient."